Unternehmens-Ethik Was die Ratingagenturen zeigen

Korruption, Umweltzerstörung, miese Arbeitsbedingungen: Ratingagenturen schauen Unternehmen auf die Finger. Teil 2 unserer Serie über die Agenturen.

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Die heutige Mittagskolumne stammt von dem Autor Werner Schwanfelder, der sich in seinem neuen Buch “Wie Sie Profit machen und nebenbei die Welt verbessern. Gewinnbringend und nachhaltig investieren” mit den Möglichkeiten der nachhaltigen Geldanlage auseinandersetzt. Er stellt in mehreren Folgen die Rolle der Ratingagenturen bei der Bewertung von Nachhaltigkeit bei Unternehmen vor. Dies ist die zwei Folge - die erste finden Sie hier.

Seitdem negative Schlagzeilen die Medien bestimmen, stellt man in der Öffentlichkeit auch eine Meinungsänderung fest. Werte haben wieder eine Bedeutung. Die Unternehmen versuchen, sich darauf einzustellen. Dabei ist die Fähigkeit von Topmanagern und Mitarbeitern gefragt, mit Kooperation und Wettbewerb gleichzeitig umzugehen. So kann es vorkommen, dass zu einer bestimmten Zeit dieselbe Firma Lieferant, Partner und Wettbewerber ist, was ganz neue Verhaltensweisen erfordert. Ohne gelebte Werte wie Fairness, Verantwortung und Vertragstreue ist eine solche Situation nicht beherrschbar

Wie aber kann man als Geldanleger wissen, welches Unternehmen ethisch handelt und welches nicht? Ethisches Handeln wird mittlerweile genauestens überprüft. Federführend sind sogenannte Ethik-Ratingagenturen, die die Nachhaltigkeit von Unternehmen überprüfen. Wie kann der Geldanleger vom Wissen sowohl der Finanz- als auch der Ethik-Ratingagenturen profitieren? In der heutigen Kolumne werde ich mich den Finanz-Agenturen widmen.

Das Finanzrating stammt aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Der rasant gestiegene Finanzierungsbedarf in den USA und das damit auch gestiegene Risiko für die Investoren schufen einen Bedarf an Überwachung. So entstanden die ersten Ratingagenturen. Die älteste heute noch existierende Ratingagentur ist Moody’s Corporation, die bereits 1900 gegründet wurde. Bis heute gehört Moody’s zu den tonangebenden Ratingagenturen zusammen mit Standard & Poor’s oder Fitch.

Stimmen die Aussagen der Agenturen überhaupt?Ihre Aufgabe ist es, die Bonität von Schuldnern ‒ Unternehmen und Ländern ‒ zu bewerten. Sie sind zuständig für das sogenannte externe Rating, das uns aus den Zeitungsmeldungen bekannt ist. Die meisten Banken nehmen aber auch interne Bewertungen, internes Rating, vor. Das externe Rating hat bisher in der Öffentlichkeit ein höheres Ansehen, da es objektiver zu sein scheint. Es bietet eine gewisse Übersichtlichkeit und bedient sich einer gleichbleibenden Systematik in den Bewertungen.

Geldanleger können ohne großen Aufwand und ohne selbst eine Bewertung vornehmen zu müssen die von den Ratingagenturen veröffentlichte Bonität der einzelnen Wertpapieremittenten erkennen und mit anderen vergleichen. Damit leisten Ratingagenturen einen wichtigen Beitrag zur Transparenz an den Kapitalmärkten.

Dies ist richtig, solange die Ratings auch richtig sind. In der Vergangenheit ist dies aber vielfach angezweifelt worden. Wie man mittlerweile aus Presseberichten weiß, haben Ratingagenturen gerade Junk Bonds, an deren Herstellung sie beteiligt waren, mit Bestnoten bewertet. Zudem können die Beurteilungen der Ratingagenturen auch unterschiedlich ausfallen. Sie stellen nicht mehr als eine (durchaus unterschiedlich begründete) Meinung dar. Ihren schlechten Ruf in der Öffentlichkeit haben sich die Ratingagenturen aber durch ihre Länder-Bewertungen erworben. Ihnen wurde gar die Wahrnehmung US-amerikanischer Interessen unterstellt, was bis zu Aussagen über einen Finanzkrieg führte.

Die Macht der externen Ratingagenturen ergibt sich aus den Richtlinien, die institutionelle Investoren und Gesetzgeber in Leitlinien und Gesetzen vorgeschrieben haben. Aus Gründen der Sicherheit darf nur in Finanztitel mit einer gewissen Mindestbonität investiert werden. Der Maßstab dieser Mindestbonität wird definiert durch die Ratings der drei großen genannten Agenturen. Bei einer Veränderung des Ratings müssen Investoren ‒ zum Beispiel Pensionsfonds ‒ agieren und die betroffenen Titel aus dem Portfolio entfernen.

Monopol der Finanz-AugurenWas gut und vorausschauend gemeint war, hat den Ratingagenturen ein Monopol beschert, und nun beugen sich die Anleger ihrem Diktat. Für ein im Rating heruntergestuftes Unternehmen bedeutet dies augenblicklich, dass die Aufnahme von Fremdkapital schwieriger oder zumindest teurer geworden ist. Die Macht der Ratingagenturen ergibt sich aus der Bedeutung, die ihnen in erster Linie institutionelle Investoren beimessen.

Selbstverständlich verfügen Ratingagenturen über spezielles Fachwissen für Bewertungen. Mit zunehmender Bedeutung komplexer Finanzinstrumente wird die Arbeit der Ratingagenturen immer wichtiger. Denn bei ihrer Beurteilung benötigen die Anleger Hilfe.

In der Politik wird immer wieder die Forderung nach einer europäischen Ratingagentur laut. Dahinter verbirgt sich der Wunsch nach einer Agentur, die vermeintlich nicht so »amerikanisch« bewertet. Aber es gibt bereits eine ganze Reihe von alternativen Agenturen. Die Regierungen und institutionellen Anleger müssten ihnen einfach das gleiche Vertrauen und die gleiche Macht zubilligen, wie den drei großen US-Agenturen.

Da gibt es zum Beispiel die Agentur Weiss Ratings. Auch sie hat ihren Sitz in den USA, sie wendet aber andere Kriterien an und bewertet vollkommen anders. Die Bewertung ist von der Systematik ähnlich gestaltet ‒ sie vergibt »Noten« zwischen A und E ‒, aber die Ergebnisse sind anders. Deutschland hat ein C+ erhalten, die Vereinigten Staaten ein C, Saudi-Arabien ein A-, China ein A-.

Agenturen sind so international wie die WirtschaftDarüber hinaus gibt es die kleine US-Ratingagentur Egan-Jones. Sie hat die Bonität Deutschlands auf AA- herabgestuft. Grund für den Schritt sind die möglichen Verbindlichkeiten, die auf Deutschland bei weiteren Rettungsvorhaben von krisengeschüttelten Euro-Ländern zukommen, also eine ähnliche Begründung wie sie von den großen drei Ratingagenturen vorgebracht wird. Egan Jones gehört zwar nicht zu den bekanntesten Agenturen, genießt aber wegen ihrer Unabhängigkeit einen guten Ruf. Die USA hatte Egan-Jones einige Zeit vor den »großen Drei« auf AA+ herabgestuft.

In diesen Kontext gehört auch die chinesische Ratingagentur Dagong. Sie hatte bereits während die großen US-Ratingagenturen die Bonität der USA auf dem Spitzenwert AAA beließen die Bonität von A+ auf A gesenkt und die Note mit einer negativen Tendenz versehen. Die Herabstufung geschah im Rahmen des Schuldenstreits in den USA zwischen Republikanern und Demokraten. Dagong drückte damit ihren Unmut über die Umstände bei der Anhebung der Schuldenobergrenze aus.

In einer Mitteilung der Analysten hieß es: Die unterschiedlichen politischen Weltanschauungen von Demokraten und Republikanern hätten sich negativ auf die »Entscheidungseffizienz« der US-Regierung ausgewirkt. Die Ratingagenturen können also durchaus auch unterschiedliche Meinungen vertreten. Dies betrifft auch das Nachhaltigkeitsrating. Daher muss sich der Geldanleger unbedingt ein eigenes Urteil bilden.

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