Wärmewende Heizen mit Brennstoffzellen

Das Start-up Thermondo bietet nun auch Brennstoffzellen an, die Wärme und Strom erzeugen. Die Branche hofft auf ihren großen Durchbruch am Heizmarkt.

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Von außen unspektakulär: Der Einbau einer Brennstoffzelle. (Foto: Thermondo)

"Wir leben in einer Zeit des Umbruchs", sagt Philipp A. Pausder. Das mag in vielen Bereichen stimmen, er glaubt aber vor allem an den Umbruch im Heizkeller: Pausder hat den Heizungsmarkt mit seinem Start-up bereits durcheinandergewirbelt und will nun mit Brennstoffzellen nachlegen.

Mit seinem Start-up Thermondo ist er bereits unter den Marktführern für Heizungswechsel in Ein- und Zweifamilienhäusern. Mit selbst entwickelten Software-Lösungen kann das Unternehmen Festpreise anbieten und eine effiziente Planung und Abwicklung versprechen. Neben Gas- und Ölheizungen sowie Solarthermie-Anlagen verkauft Thermondo seit Jahresbeginn allerdings auch einen echten Exoten: eine stromproduzierende Brennstoffzellenheizung.

Philipp A. Pausder vor einem Thermondo-Fahrzeug. (Foto: PR)

Davon konnte Thermondo allerdings erst etwas über 100 verkauft, mehr als 1000 dürften es auf dem deutschen Markt insgesamt nicht sein - die Technologie fristet noch ein Schattendasein. Das liegt vor allem an dem geringen Bekanntheitsgrad und den bislang hohen Kosten. Zwar gibt es Förderungen. Kaum jemand hat jedoch den Durchblick.

Bei Thermondo beschäftigt sich nun ein Mitarbeiter ausschließlich damit, die Förderprogramme von Bund und Ländern zu durchforsten - um der Technologie endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Und zum Monatsbeginn startete der Bund zwei Förderprogramme, die für Eigenheimbesitzer interessant sein dürften.

Komplizierte Technik sorgt für hohen Preis

Die Brennstoffzellen-Heizung wird an das Erdgasnetz angeschlossen; das Gas erzeugt in der Zelle eine chemische Reaktion, die wiederum Wärme und Strom erzeugt. Für Autos sind solche Lösungen schon länger im Gespräch, aber auch über eine Mini-Brennstoffzelle als Ersatz für die Smartphone-Powerbank haben wir bereits berichtet.

Durch den hohen Gesamtwirkungsgrad von 90 Prozent lassen sich Heiz- und Stromkosten einsparen und CO2-Emissionen um bis zu 50 Prozent reduzieren. Dafür muss die Zelle allerdings eine sehr hohe jährliche Laufzeit erreichen - ist als Ergänzung für das Mehrfamilienhaus also sinnvoller als für die Ferienwohnung.

Und es gibt noch einen Nachteil: Die Verbrennung von Öl und Gas ist deutlich einfacher, während die Herstellung von Brennstoffzellen noch recht aufwendig, die Anlagen entsprechend teuer sind. Auch wenn sich die Preise in den vergangenen Jahren halbiert haben, liegen sie immer noch im unteren fünfstelligen Bereich. Dafür sind sie klimafreundlicher: Wissenschaftler prognostizieren bei einer weiteren Verbreitung von Brennstoffzellen-Heizungen Treibhausgas-Einsparungen von 1,5 Millionen Tonnen im Jahr 2020.

Umsatzsprung in 2017?

Neben den ökologischen gibt es aber auch finanzielle Vorteile, denn so teuer die Anlagen in der Anschaffung sind, so sehr rentieren sie sich im Unterhalt: Da mit der Brennstoffzellen-Heizung der eigene Strom produziert wird, sinken die Energiekosten um 40 bis 60 Prozent. Überschüssiger Strom wird ins öffentliche Netz eingespeist, was zusätzlich Geld einbringt.

Als dezentraler Stromerzeuger können Brennstoffzellen-Heizungen, zu denen immer ein Wasserspeicher gehört, zudem Überschüsse aus dem Stromnetz aufnehmen und diese entlasten. Werden Brennstoffzellen in großen Stückzahlen eingesetzt, können sie dabei helfen, fluktuierende Strombereitstellung durch erneuerbare Energien auf der einen und Kraftwerken sowie Verbrauch auf der anderen Seite auszugleichen. Für den Besitzer eröffnen sich damit ganz neue Geschäftsmodelle.

Nach Berechnungen des Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau soll der Markt 2017 richtig anspringen. Der Umsatz der Brennstoffzellenindustrie in Deutschland lag allein im Bereich stationärer Strom- und Wärmeversorgung im Jahr 2015 knapp 150 Millionen Euro. "Für das Jahr 2020 sagt unsere Konjunkturprognose Umsätze im Bereich von 1,8 Milliarden Euro voraus", so der Vorstandsvorsitzende der VDMA Arbeitsgemeinschaft Brennstoffzellen Manfred Stefener.

Stromspeicher und Leasing-Heizung

Thermondo hofft darauf, mit entsprechend modernen Heizkonzepten den Markt weiter aufzurollen. In den nächsten Tagen führt das Unternehmen eine Leasingheizung ein - eine Art Heizungs-Flatrate. Im kommenden Jahr wollen die Gründer Stromprodukte - darunter auch Batteriespeicher - auf den Markt bringen. Pläne in Richtung Smart Home gibt es ebenfalls.

Um das Wachstum zu generieren, haben sie 23,5 Millionen Euro von den bestehenden Gesellschaftern aufgenommen - etwa dem Stromversorger Eon. Thermondo ist in den vergangenen beiden Jahren durchschnittlich um 650 Prozent gewachsen, was sich dank der bunten Mischung aus Start-up-Kultur und traditionellem Handwerk, bei der der schwäbische Meister auf den libanesischen Software-Tüftler trifft, fortsetzen soll. "Am Anfang wurden wir für verrückt gehalten", erzählt Pausder lachend.

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von Angela Schmid

Doch bei vielen Handwerkern kam und kommt das neue Geschäftsmodell an. Rund 250 Bewerbungen landen jeden Monat bei Thermondo, von Fachkräftemangel keine Spur. Umstrittener ist das Unternehmen in den sozialen Medien und entsprechenden Bewertungsportalen. Pausder hofft aber darauf, dass die neuen, grünen Heizsysteme niemandem mehr Grund zur Kritik liefern.

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