Die Energiewende spielt im Wahlkampf bisher nur eine untergeordnete Rolle. Dabei könnte das Thema Energiepolitik laut einer Umfrage wahlentscheidend sein. Bei WiWo Green nehmen wir die Positionen der Parteien unter die Lupe und stellen ihre Ideen für eine erfolgreiche Energiewende vor. Nach den Bündnisgrünen und der FDP folgt nun im dritten Teil mit Dorothée Menzner die energiepolitische Sprecherin der Linken im Bundestag.
Frau Menzner, die Linke will die "Macht der Monopole" in der Energieversorgung brechen. Dabei gibt es in Deutschland 1.150 Stromversorger. Welche Monopole meinen Sie denn?
Uns geht es um die Vormachtstellungen der vier großen Konzerne in Deutschland: EnBW, Vattenfall, Eon und RWE. Die bestimmen in weiten Teilen über den Preis und Anschluss der Haushalte. Das darf aber nicht sein, wenn wir wirklich eine Energiewende wollen. Für den Umstieg auf erneuerbare Energien ist der Atomausstieg nur die halbe Miete – als nächstes müssen wir über ein Kohleausstiegsgesetz reden und den Kraftwerkspark flexibilisieren. Die vier großen Anbieter haben aber den Umschwung verschlafen. Die sind im Denken noch immer in fossil-atomaren Großprojekten verhaftet. Fakt ist doch: Wir schaffen die Energiewende nur, wenn wir den Stromsektor demokratisieren.
Und wie soll das aussehen?
Kommunale Stadtwerke, Bürgerwindparks, Energiegenossenschaften – all so etwas funktioniert durch demokratische Teilhabe. Etwa indem ich abstimme, ob mir die Ausrichtung der Stadtwerke gefällt oder nicht. Es gibt in Deutschland immer mehr Menschen, die ihren Strom selbst erzeugen. Die können ja entscheiden ob sie den verbrauchen oder ins Netz einspeisen. Bei Energiegenossenschaften kann ich mich ganz persönlich, auch mit einem kleinen Beitrag, in die Stromerzeugung einbringen.
In ihrem Wahlprogramm sprechen Sie offen von der Rekommunalisierung des Energiesektors. Wollen Sie per staatlichen Beschluss den privaten Energieversorgern ihre Netze nehmen?
Es geht erst einmal darum, die Hürden für Rekommunalisierung abzubauen. Es kann nicht sein, dass Gemeinden, die ein Versorgungsnetz zurückkaufen wollen, dies nicht können, weil der Vorbesitzer exorbitante und unrealistische Preise verlangt. So müssen die Kommunen zunächst durch eine Klagewelle den tatsächlichen Preis des Netzes feststellen lassen, was wiederum Geld kostet. Ich vermisse hier schlicht und ergreifend einen Masterplan in der Energiewende.
Sie finden, dass die Regierung planlos agiert?
Ja. Der größte Unsinn ist doch, dass sich permanent zwei Ministerien streiten, nämlich das Wirtschaftsministerium und das Bundesumweltministerium.
Was halten Sie denn dann von dem Vorschlag eines Energiewende-Ministeriums, wie es sich die Grünen wünschen?
Wie das am Ende heißt ist doch völlig egal. Hauptsache, nur ein Ministerium ist federführend. Bislang wird alles eher zufällig koordiniert. Beispielsweise die Offshore-Windkraftwerke. Ich halte die Vergütungssätze von aktuell 15 Cent für die ersten zwölf Jahre für viel zu hoch. Die Kosten für Planung, Bau, Netzanschluss und so weiter sind außerdem noch die teuersten aller Ökostrom-Varianten.
Allerdings kann laut einer aktuellen Studie Strom dort immer günstiger produziert werden, nicht zuletzt auch weil in dieser Region der meiste Wind weht.
Das ist schon richtig. Aber direkt an der Küste auf dem Land weht er auch. Und dort kann man Windräder viel billiger aufstellen. Ich sage ja auch nicht, dass es gar keine Anlagen geben soll. Nur müssen zumindest alle neuen Anlagen und die, die noch in der frühen Planungsphase sind jetzt auf den Prüfstand, ob die sich auch wirklich lohnen. Das ist letztlich eine Frage der sozialen Gerechtigkeit. Da muss sich beim EEG noch einiges tun.
Moment, im Wahlprogramm der Linken steht doch, dass sie das EEG in seinen zentralen Säulen erhalten wollen. Was stimmt denn jetzt?
Beides. Wir wollen auch weiterhin vorrangige Einspeisung von Ökostrom, der vergütet werden soll. Vergütungssätze müssen aber sinnvoll festgesetzt werden und das EEG muss für Flexibilität in der Stromerzeugung fit gemacht werden. Eine unserer wichtigsten Forderungen ist der dezentrale Ausbau erneuerbarer Energien. Mit den aktuellen Regelungen ist es kaum mehr wirtschaftlich, in Süddeutschland Windränder zu errichten. So kommt es zum Windkraftüberschuss im Norden, ein unnötiger Netzausbau folgt. Auch wo nicht so viel Wind bläst, müssen Windkraftanlagen aufgestellt werden. Damit lassen sich die Netzkapazitäten viel besser verteilen.
Genau an diesen Orten gibt es aber den meisten Widerstand der Menschen. Könnte Ihnen die Demokratisierung des Energiesektors nicht wie ein Bumerang um die Ohren fliegen?
Nein, das habe ich so bisher nicht erlebt. Ich glaube, dass viel zu viel Stimmung gegen die Energiewende gemacht wird. Sicher geht nicht jeder Standort. Auf der Zugspitze möchte ich auch kein Windrad haben. Allerdings glaube ich, dass wir die Menschen einfach über den Nutzen der erneuerbaren Energien in ihrem Umfeld aufklären müssen. Wenn man vernünftig darüber diskutiert, was erneuerbare Energien an regionaler Wertschöpfung für eine Region bringen, dann werden die meisten einem Ausbau zustimmen.
Sie möchten „unberechtigte Industrierabatte“ zügig abschaffen. Wie schnell soll das gehen?
Das Ganze wird sicher nicht von heute auf morgen gehen. Wir müssen uns aber anschauen, welche Unternehmen tatsächlich im internationalen Wettbewerb stehen und welche nicht. Das ist doch der eigentliche Skandal: Dass Betriebe, die nicht fürs Ausland produzieren, befreit werden. Am fassungslosesten bin ich immer noch über das Beispiel von Schlachthäusern. Dort wird Lohndumping betrieben und die werden dafür auch noch mit der EEG-Befreiung belohnt.
Haben Sie denn nun einen genaueren Zeitplan dafür?
Für die Eindämmung der Industrie-Rabatte? So schnell, wie möglich. Das ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit.
Die FDP wird nicht müde davor zu warnen, die Industrie mit der Ökostrom-Umlage zu belasten. Es stünden hunderttausende Arbeitsplätze auf dem Spiel.
Die Meinung der FDP teile ich nicht. Zum einen ist uns durchaus bewusst, dass wir nicht international bedeutenden Unternehmen wie etwa Stahlwerken sofort die komplette Öko-Steuer aufdrücken können. Da sehen wir als Linke auch ein, dass die Arbeitsplätze gesichert werden müssen. Zum anderen bietet die grüne Wirtschaft selbst enorme Chancen. Allein in diesem Sektor gibt es heute schon 500.000 Jobs. Egal ob in der Produktion, Aufstellung der Anlagen oder in der Instandhaltung. Wir dürfen den Menschen nicht nur Angst machen, dass Jobs vernichtet werden. Es geht doch darum, sicherzustellen, dass in der grünen Wirtschaft Arbeitsplätze entstehen.
Ein weiteres großes Thema der Linken ist die Energiearmut. Sie fordern eine staatliche Energiegrundversorgung für alle. Wie wollen Sie das bezahlen?
Es ist doch ein unhaltbarer Zustand, dass jedes Jahr hunderttausenden Menschen der Strom abgestellt wird. Die sitzen im Dunkeln, können nicht kochen, keine Lebensmittel kühlen und so weiter. Damit muss Schluss sein, ich meine sogar, das müsste verboten werden. Wir wollen für jede Person im Haushalt ein Grundkontingent von 500 Kilowattstunden pro Jahr. Danach steigen die Kosten für jede weitere Kilowattstunde exponentiell. Das heißt im Klartext: Für Wenigverbraucher verbilligt sich der Strom, für Vielverbraucher wird er teurer. Damit schaffen wir nicht zuletzt einen Anreiz, sparsamer mit Energie umzugehen.
Nur wie wollen Sie denn die Stromkosten regeln, bei so vielen verschiedenen Unternehmen auf dem Markt?
Wenn man den Zugang zu Energie erst einmal als ein Existenzrecht in einer modernen Zivilisation begreift, wird auch klar, dass der Energiesektor der öffentlichen Daseinsvorsorge unterstellt werden müsste. In diesem Sinn muss zumindest eine staatliche Strompreisaufsicht wieder eingeführt werden. Die Festsetzung von Preisschablonen ist doch kein Problem, das gibt es in anderen Bereichen auch. Denken Sie nur an die Buchpreisbindung. Seit Jahren fällt der Börsenpreis für Strom durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien. Von diesem Preisverfall kommt bei den Kunden nichts an. Jede Erhöhung der EEG-Umlage wird von den Konzernen dankend als Grund genommen, auf die Verbraucherpreise noch zusätzlich etwas aufzuschlagen. Mit der Aufsicht könnten wir die überteuerten Preise regulieren und die Kilowattstunde um zwei Cent günstiger machen.
In einem Interview haben Sie persönlich vor wenigen Monaten ein rot-rot-grünes Regierungsbündnis noch strikt abgelehnt. Genau dafür stellt Ihre Partei jetzt aber Forderungen. Woher kommt der Sinneswandel?
Ich kann da nur für mich sprechen, aber das ist letztlich keine Glaubensfrage. Was die SPD jetzt fordert ist zum Teil ein starker Umschwung von dem, was wir in den letzten vier Jahren gesehen haben. Zum Beispiel die konkreten Forderungen beim Mindestlohn oder die Abschaffung der Zeitarbeit finden wir natürlich gut. Warum die SPD auf einmal links blinkt und vorher immer rechts abgebogen ist? Da fragen Sie am besten bei der SPD selber nach.
Folgen Sie Matthias Streit auf Twitter: @MatthStr