Die Energiewende spielt im Wahlkampf bisher nur eine untergeordnete Rolle. Dabei könnte das Thema Energiepolitik laut einer Umfrage wahlentscheidend sein. Bei WiWo Green nehmen wir die Positionen der Parteien unter die Lupe und stellen ihre Ideen für eine erfolgreiche Energiewende vor. Nach den Bündnisgrünen, der FDP und der Linken folgt nun im vierten Teil ein Interview mit Matthias Machnig, Energieexperte im SPD-Wahlkampfteam von Peer Steinbrück und Wirtschaftsminister von Thüringen.
Herr Machnig, wie will die SPD die Energiewende retten?
Matthias Machnig: Die Energiewende muss komplett neu gemanagt werden. Das schaffen wir durch eine Bündelung der Kompetenzen in einem Energieministerium. Hinzu kommen drei Maßnahmen: Kosten begrenzen, das Erneuerbare-Energien-Gesetz reformieren und ein neues Strommarktdesign für fossile Kraftwerke einführen.
SPD-Chef Sigmar Gabriel hat vor kurzem auf den „ungezügelten Ausbau“ der grünen Energieträger geschimpft. Im 10-Punkte-Programm zur Energiepolitik der SPD steht, dass Sie bis 2020 zwischen 40 und 45 Prozent Erneuerbare am Netz haben wollen. Das passt doch nicht zusammen.
Doch, denn wir müssen vor allem auf eines achten: dass wir den Netzausbau und den Kapazitätsausbau bei den Erneuerbaren synchronisieren. Wir brauchen 4700 Kilometer neue Stromleitungen bis 2020, von denen bisher kaum etwas gebaut ist. Wind- und Solaranlagen dürfen nicht zu Investitionsruinen werden, weil sie nicht ans Netz angeschlossen werden können.
Aber was meint Herr Gabriel – sollen wir weniger Solar- und Windanlagen bauen?
Wir müssen so ausbauen, dass Netzkapazität und Stromerzeugung zusammenpassen. Sigmar Gabriel hat noch etwas Wichtiges dazugesagt: Schnell muss nicht gut sein. Dem stimme ich absolut zu. Der Ausbau muss energiewirtschaftlich Sinn machen.
Die 40 Prozent stehen also?
Nochmal: Der Ausbau der Erneuerbaren muss in den nächsten Jahren entlang des Infrastrukturausbaus erfolgen. Da wird man dann genau evaluieren müssen, wie schnell wir beim Infrastrukturausbau vorankommen.
Stichwort EEG: Die SPD will feste Vergütungen und den Einspeisevorrang für Erneuerbare beibehalten. Aber das sind ja genau die Faktoren, die die Energiewende derzeit in Schwierigkeiten bringen.
Das stimmt schlicht nicht, da ist sich ausnahmsweise mal die gesamte Energiebranche einig. Der Grund, warum wir an diesen beiden Pfeilern des EEG festhalten: Die Investitionssicherheit für Erneuerbare muss gewährleistet bleiben. Aber auch die Erneuerbaren müssen künftig einen Beitrag leisten.
Wie soll so etwas konkret aussehen?
Derzeit planen wir die Netze für die größten Lastspitzen also für sehr große Mengen Grünstrom, die nur an wenigen Zeitpunkten im Jahr auftreten – das muss nicht sein.
Zurück zum Einspeisevorrang für Grünstrom. Derzeit sorgt er doch dafür, dass die Preise an der Strombörse in Leipzig sinken. Zusammen mit der festen Vergütung für Solar- und Windstrom steigt dadurch die EEG-Umlage. Wie wollen Sie dieses Paradox auflösen?
Wir brauchen einen funktionierenden Emissionshandel – ohne ihn werden die Börsenpreise für Strom aus fossilen Kraftwerken immer weiter sinken. Die klimaschädlichsten Kohlekraftwerke bleiben so am Netz und Gaskraftwerke verdienen kein Geld. Dieses Problem lässt sich nur über den Emissionshandel lösen und nicht über das EEG.
Sie wollen die Stromsteuer um 1,6 Milliarden Euro senken. Dem Staat gehen dadurch Einnahmen verloren. Wie wollen Sie das gegenfinanzieren?
Das ist ein Verlust, keine Frage. Wir wollen die 1,6 Milliarden aber sparen, so dass es erstmal keinen weiteren Anstieg der Strompreise für Privathaushalte und Unternehmen gibt. Die Senkung ist also sinnvoll, auch wenn sie ein Minus bei den Steuereinnahmen bedeutet.
Die SPD will die Ausnahmen bei den Stromabgaben für die Industrie um 500 Millionen Euro einschränken, die Grünen wollen dagegen vier Milliarden Euro an Kürzungen erreichen. Warum ist es bei Ihnen so viel weniger?
Unsere Zahl bezieht sich nur auf die Ausnahme von der EEG-Umlage bei den energieintensiven Unternehmen – die Grünen rechnen noch die KWK-Umlage und andere Abgaben hinzu. Wenn wir nur über die EEG-Umlage sprechen, dann kommen die Grünen auf 1,4 Milliarden Euro. Wie viel am Ende vernünftig ist, muss man an einer Frage überprüfen: Energieintensität und dem internationalen Wettbewerb. Wenn wir wissen, welche Unternehmen diese Kriterien erfüllen, dann kann man über das Volumen reden.
Stichwort Eigenverbrauch: Immer mehr Privatverbraucher und Unternehmen produzieren ihren eigenen Strom und bezahlen dadurch auch keine Abgaben mehr. Das wird die Energiewende für allen anderen Verbraucher in den kommenden Jahren massiv verteuern. Was unternehmen Sie dagegen?
Wir brauchen künftig auch eine Beteiligung des Eigenverbrauchs an der EEG-Umlage, ganz klar. Der Anteil derer, die EEG-Umlage zahlen, darf nicht immer weiter zurückgehen. Da werden wir nach der Wahl entsprechende Rahmenbedingungen schaffen.
Energiearmut wird ein immer größeres Problem, immer mehr Menschen wird der Strom abgedreht, weil sie ihn nicht mehr bezahlen können. Genügen Ihre Vorschläge, um hier etwas zu verbessern?
40 Prozent der Stromkunden sind immer noch bei einem Grundversorger. Manche von ihnen können den Versorger nicht wechseln, weil sie die Bonitätsprüfung nicht überstehen würden. Die Grundversorger sollen deshalb ihre Kostenstruktur künftig gegenüber der Bundesnetzagentur offenlegen. Wenn dann zum Beispiel der gesunkene Börsenpreis nicht an die Kunden weitergegeben wird, dann muss man über Regulierung reagieren. Das wäre dann ein kartellrechtliches Verfahren, wie es in anderen Branchen üblich ist. Damit würde der Strompreis auch für diejenigen sinken, denen teure Energie derzeit am meisten zu schaffen macht.