Wenn Marokkos König Mohamed VI. am 10. Mai ins Wüstenstädtchen Ouarzazate am Rand der Sahara reist, wird er die Zukunft seines Landes bestaunen. Als Idee in Europa geboren, zunächst aus Eigeninteresse, kommt jetzt etwas in Fahrt, was die Energieversorgnug Nordafrikas für immer verändern wird: In der marokkanischen Wüste wird das größte Solarkraftwerk der Welt gebaut. Wenn sie einmal fertig ist, wird die Anlage 500 Megawatt leisten, beinahe so viel wie ein mittlerer Kernreaktor. Genügend Strom für eine halbe Million Menschen. Der heutige Rekordhalter steht in der kalifornischen Mojave-Wüste – er kommt auf 340 Megawatt.
Marokko und seine Nachbarstaaten Tunesien und Algerien wollen in den nächsten Jahren gewaltige Solarkapazitäten aufbauen. Marokko allein plant 2000 Megawatt, um sich aus der fatalen Abhängigkeit von europäischem Strom zu lösen. Bisher importiert das Land fast seinen gesamten Bedarf über Unterseekabel, die es mit Spanien verbinden. Das wirkt irrwitzig, wenn man das Potenzial der glühend heißen Wüstensonne bedenkt. Dachten sich eben auch die Maghrebiner.
Einen kleinen Beitrag leistet das erste marokkanische Solarkraftwerk Ain Veni Mathar mit einer Leistung von gerade mal 20 Megawatt. Kombiniert ist es mit einem modernen Gas- und Dampfkraftwerk. Die Hoffnung der Europäer, von Wüstenstrom zu profitieren, so wie es das 400-Milliarden-Euro-Programm Desertec einst vorsah, wird sich wegen des gigantischen Eigenbedarfs der Maghrebstaaten nicht erfüllen: Allein in Marokko wächst der Stromverbrauch pro Jahr um 6,5 Prozent. Die Desertec-Gründer, rund 50 europäische Großunternehmen, hatten ursprünglich geplant, bis 2050 rund 20 Prozent des europäischen Energiebedarfs mit Wüstenstrom zu decken. Ein Traum, der einer bleiben wird.
Deutsche Millionen für den WüstenstromTrotzdem beteiligt sich Deutschland mit 115 Millionen Euro an der Finanzierung des 700-Millionen-Euro-Projekts in Marokko. Und auch die Industrie leistet einen kleinen Beitrag: Die Absorberrohre, auf die rinnenförmige Spiegel die solare Hitze konzentrieren, um Wasser in Dampf zur Stromerzeugung umzuwandeln, liefert der deutsche Spezialist Schott Solar.
Errichtet wird die Anlage, die in der ersten Stufe 160 Megawatt erreichen soll, von einem Konsortium unter Leitung des Saudi Arabischen Projektentwicklers ACWA Power. Die Entwicklung der Technologie, die jetzt in Marokko eingesetzt wird, geht wiederum maßgeblich auf das spanische Unternehmen Aries zurück.
Nachbarstaat Algerien plant, in den nächsten Jahren rund 20 Milliarden Euro in Solarenergie zu investieren, die weitgehend im eigenen Land verbraucht werden soll. Das Land fängt bescheiden mit einer Sieben-Megawatt-Anlage an, die nach dem Vorbild des Solarturmkraftwerks in Jülich in Boughezoul in der Sahara gebaut wird.
Desertec schaut wieder nur zuLeicht gewölbte Spiegel, so genannte Heliostate, sind um einen Turm herum angeordnet. Sie konzentrieren die Wärmestrahlen der Sonne auf eine Kammer an der Turmspitze. Dieser Receiver ist mit keramischen Kügelchen gefüllt, die sich auf bis zu 700 Grad Celsius erwärmen. Durch Rohre, die sich hindurchschlängeln, wird Wasser gepumpt, das sich in Dampf zur Stromerzeugung verwandelt.
Bei dieser Bauweise hat der Dampf eine ähnliche Temperatur und einen ähnlichen Druck wie in einem fossil beheizten Kraftwerk. Daher lassen sich ganz normale Turbogeneratoren nutzen. For Parabolrinnenkraftwerke, in denen der Dampf einen geringeren Druck und niedrigere Temperaturen hat, sind Sonderkonstruktionen nötig.
Die europäische Beteiligung lässt erahnen, dass solche Projekte ohne die Desertec-Idee und das Know-How hiesiger Firmen undenkbar wären. Vom ursprünglichen Plan, europäische Kraftwerke mit Strom aus der Sahara zu ersetzen, ist aber nicht mehr viel übrig. Denn das Desertec-Konsortium konnte bislang keine einzige Ausschreibung zum Kraftwerksbau gewinnen.
Richtigstellung: Nicht das spanische Unternehmen Abengeo Solar hat die Ausschreibung gewonnen, die Anlage zu errichten, sondern die Saudi Arabische ACWA Power. Auch die angewandte Technik geht nicht auf Abengeo zurück, sondern auf Aries.