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Weltwirtschaftsforum in Davos "Unternehmen gehen in die falsche Richtung"

In Davos treffen sich die einflussreichsten Unternehmer und Ökonomen. Welche Rolle wird das Thema Nachhaltigkeit spielen?

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Heute beginnt das Weltwirtschaftsforum in Davos. Viele Kritiker - auf dem Aufmacherbild sind Proteste im Schweizer Alpenort im Jahr 2009 zu sehen - halten das Treffen der Mächtigen nur für eine Alibi-Veranstaltung. Statt besser mache die Wirtschaft in den vergangenen Jahren alles nur schlimmer, beklagen sie. Wir haben mit dem Nachhaltigkeitsexperten Alexander Holst darüber gesprochen, welche Rolle das Thema Nachhaltigkeit in Davos spielen wird. Holst leitet den Bereich Sustainability Services beim Beratungsunternehmen Accenture in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

Herr Holst, ab heute treffen sich mehr als 2000 Ökonomen, Unternehmer und Experten in Davos zum Weltwirtschaftsforum. So viele mächtige Menschen kommen selten an einem Ort zusammen. Welche Rolle wird eine grüne Wirtschaft bei den Gesprächen spielen?

Alexander Holst: Das erklärte Ziel des Treffens ist es ja, die Welt ein Stück besser zu machen. Da ist Nachhaltigkeit natürlich auch ein Thema, über das sich die Teilnehmer Gedanken machen müssen und auch werden. Interessant wird sein, über welche Aspekte man sich genau unterhalten wird. Der Klimawandel wird auf alle Fälle diskutiert werden (immerhin 23 Veranstaltungen sind  in Davos der globalen Erwärmung gewidmet, Anm. d. Red.), mehr als in den vergangenen Jahren wird aber auch die weltweite Wasserknappheit ein Thema sein.

Nachhaltigkeit betrifft aber auch soziale Aspekte.

Ganz richtig, und da ist wohl die Jugendarbeitslosigkeit eines der größten Problem derzeit. Hinzu kommen Bildung und politische Instabilität. Ich hoffe aber auch, dass man sich Gedanken macht, den Begriff Nachhaltigkeit näher zu definieren und ihn vielleicht durch Innovation und Anpassungsfähigkeit zu ergänzen - was eine sehr starke Kombination wäre. Am Ende geht es aber darum, für die Probleme der Welt wirtschaftliche Lösungen zu finden.

Im vergangenen Jahr haben Sie zusammen mit dem United Nations Global Compact mehr als 1000 Unternehmenslenker nach ihren Einstellungen zum Thema Nachhaltigkeit gefragt. Was waren die spannendsten Antworten?

Die große Mehrheit der CEOs ist davon überzeugt, dass Nachhaltigkeit für ihr Geschäft eine wichtige Rolle spielt. Gleichzeitig denken nur 32 Prozent von ihnen, dass die Wirtschaft auf dem richtigen Weg für eine bessere Zukunft ist. Ebenso wenige denken, dass das Engagement der Unternehmen auf dem Feld der Nachhaltigkeit ausreicht. Unternehmen, die sich in der Vergangenheit stark in dem Bereich engagiert haben, treiben zudem ihre Bemühungen kaum weiter voran, weil keine Fortschritte mehr möglich scheinen.

Können Sie das genauer erklären?

Ein Teilnehmer der Befragung hat das Problem sehr schön zusammengefasst: Es gebe so viele Initiativen, aber wo seien die Ergebnisse und positiven Auswirkungen? Wir müssen also über Schritte und Initiativen nachdenken, um Nachhaltigkeit Wirklichkeit werden zu lassen.

Und welche Schlüsse ziehen die Unternehmen aus dieser Negativ-Diagnose?

Das unterscheidet sich stark: Die einen treiben dennoch Nachhaltigkeitsinitiativen voran und versuchen sie zu nutzen, um mehr Wachstum für das Unternehmen zu schaffen oder sich von Konkurrenten abzuheben. Eine weitere Möglichkeit ist auf politische Veränderungen zu drängen, so dass nachhaltiges Wirtschaften auch belohnt wird. Die anderen machen aber tatsächlich gar nichts.

Ein Grund für die Enttäuschung bei den CEOs ist, laut Ihrer Studie, dass die Nachhaltigkeitsinitiativen nicht skalierbar genug sind. Sprich, sie sind zu klein und marginal, um wirklich etwas gegen die globalen Probleme zu tun. Auf der anderen Seite ziehen sie zu selten wirtschaftlichen Erfolg nach sich. Woran liegt das?

Die Unternehmen sind in zunehmendem Maße frustriert, was die Kunden und die Investoren angeht. Die weit verbreitete Ansicht lautet: Beide schätzen die Anstrengungen der Unternehmen nicht genug. Nur 12 Prozent der CEOs sagen, dass Druck von Investoren sie zu nachhaltigem Handeln bewegt. Gleichzeitig sind aber die mangelnden finanziellen Mittel der größte Hinderungsgrund für weitere Aktionen in dem Bereich. Mit den Kunden verhält es sich anders: 64 Prozent der CEOs sehen sie als sehr einflussreich für Nachhaltigkeitsmaßnahmen. Aber diejenigen, die dachten, dass die Konsumenten mehr für grüne Produkte zahlen würden, sind enttäuscht. Denn das ist nicht der Fall. Nur 28 Prozent der CEOs sagen, dass sie wegen ihrer guten Nachhaltigkeits-Reputation höhere Preise durchsetzen konnten.

Trotz der ernüchternden Ergebnisse der Studie nennen Sie diese CEOs "Architekten einer besseren Welt". Für viele Menschen scheinen sie zu oft als das Gegenteil. Warum kommen die Nachhaltigkeitsinitiativen bei den Kunden nicht an?

Nachhaltigkeit beginnt mit transparenten Zielen. Vertrauen kommt nur auf, wenn die Taten auch zu den Worten passen. Der beste Botschafter für das Erreichte sind die Produkte oder ein Service. Schon der Begriff "Nachhaltigkeitsprojekt" deutet das Problem an. In manchen Unternehmen sind CSR und Nachhaltigkeit immer noch Randerscheinungen und nicht in die zentralen Abläufe und in das Herz des Unternehmens integriert. Die Geschäfte werden dann nicht so verantwortlich geführt, wie es die Hochglanzbroschüren und die Nachhaltigkeitsreports glauben machen wollen.

Diese Architekten reißen also eher etwas ab, als dass sie es verantwortungsvoll aufgebauen.

Wir reden von "Architekten einer besseren Welt", weil die Unternehmen es tatsächlich sein können. Einige haben es schon geschafft, unternehmerischen Erfolg und Wachstum mit erfolgreichen Nachhaltigkeitsinitiativen zu kombinieren. Diese Unternehmen bezeichnen wir als "Treiber der Veränderung". Sie bringen Innovation, exzellentes Management und Nachhaltigkeit zusammen, um mit nachhaltigen Produkten erfolgreich zu sein.

Manche meinen, nur jeder Einzelne könne mit seinem Verhalten die Welt besser machen. Warum brauchen wir denn die Unternehmen überhaupt, wenn es um eine nachhaltigere Welt geht?

Die Unternehmen sind ein integraler Bestandteil der Weltgesellschaft. Was nicht bedeutet, dass nicht jeder einzelne die Welt verändern kann. In der Tat ist ein zentrales Ergebnis unserer Studie, dass die Konsumenten ihren Einfluss mehr geltend machen sollten, indem sie nachhaltige Produkte kaufen. Aber am Ende sind es die Unternehmen, die die Möglichkeiten haben, wirklich etwas auf der Welt zu bewegen, nachhaltigere Märkte zu schaffen und verantwortungsvollere Konsumenten heranzuziehen - eben weil sie mit ihren Produkten einen so großen Hebel haben. Wenn ich ein millionenfach verkauftes Produkt nachhaltiger mache, hat das einen sehr großen Einfluss.

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