Weniger ist mehr Die Geschäftsmodelle der Zukunft verbrauchen keine Rohstoffe

Die Wirtschaft wird sich auf erneuerbare Ressourcen konzentrieren müssen. Helfen könnte zum Beispiel Contracting.

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Viele meinen, man müsste nur effizienter mit den natürlichen Ressourcen umgehen, um allen Bedürfnissen auf nachhaltige Weise nachkommen zu können. Sicher ist nachhaltiges Wirtschaften ohne eine deutlich geschicktere Ausnutzung der Ressourcen nicht möglich, der Wettbewerb läuft bereits in diese Richtung. Aber: eine sichere Basis der Wirtschaft erfordert mehr als eine effizientere Nutzung von Ressourcen.

Wichtig ist auch, auf eine regenerative Basis umzusteigen. Dazu gehört auch, Probleme nicht in andere Regionen zu verlagern. Der Stoffwechsel der Wirtschaft ist einem langfristigen Wandel unterworfen. Ein "Reifeprozess", durch den sich ganze Geschäftsfelder verschieben.

Politik kann Recycling attraktiver machenDie Kreislaufwirtschaft wird weiter an Bedeutung gewinnen. Dass damit Geschäftsfelder in diesem Bereich zulegen, und bestehende - wie den Bergbau - zurückdrängen werden, liegt auf der Hand. Den größten Einfluss darauf haben die politischen Rahmenbedingungen. Will die Politik Primärrohstoffe, wie Erze, billig importieren, indem etwa tarifäre Barrieren durch Freihandelsabkommen beseitigt werden, bleiben Sekundärrohstoffe allerdings weniger attraktiv.

Die Verfügbarkeit von rezyklierten Edelmetallen aus Elektro- und Elektronikaltgeräten (EAG) wird zudem geschmälert, wenn diese in Länder mit geringen Recyclingstandards exportiert werden. Eine bedenkliche Entwicklung, der man aber durch Pfandsysteme entgegenwirken könnte. Die Hersteller ließen sich leichter in die Verantwortung nehmen, wenn die Informationsdefizite entlang der Lieferketten beseitigt würden.

Bei der Novellierung der Ökodesignrichtlinie, mit der die EU Anforderungen an die umweltgerechte Gestaltung von Elektrogeräten stellt, ist bislang kein echter Fortschritt erkennbar, auch Kriterien der Ressourcenintensität und des Designs für Recycling einzubeziehen. Sammlung und Recycling bei EAG werden - wie bei allen Abfällen - immer noch am Gewicht der Hauptbestandteile orientiert - nicht an den eingesparten Ressourcen. Kunststoffrecycling lohnt sich kaum, solange Überkapazitäten bei Müllverbrennungsanlagen die Verbrennung attraktiver machen.

Milliardenschwere Industrie ohne qualmende SchloteDennoch ist klar, dass die Recyclingwirtschaft einen Milliardenmarkt bedient. Abfall wird bereits effizienter gesammelt, automatisch sortiert, aufbereitet oder durch intelligente Systeme ganz vermieden. Innovationen in diesem Bereich werden zunehmend gefragt sein.

Dass sich unsere Wirtschaft immer mehr in Richtung einer Dienstleistungsgesellschaft orientiert, zeigen auch die langfristigen Statistiktrends. Doch Ängste vor einer Deindustrialisierung scheinen, zumindest in Deutschland, unbegründet zu sein.

Richtig ist einerseits, dass die Bilder der Schwerindustrie mit rauchenden Schloten und die Vorstellungen des Wohlstands über Massenproduktion der Vergangenheit angehören. Aus ökonomischen wie ökologischen Gründen erscheint es kein zukunftsträchtiges Modell, in einem Land ohne nennenswerte Eisenerzvorkommen und mit Steinkohleflözen, die bis in ein Kilometer Tiefe ausgebeutet sind, noch Hochofenstahl herzustellen.

Andererseits braucht eine funktionierende Recyclingwirtschaft anspruchsvolle Technologien, automatisierte Prozesse und intelligente Steuerungssysteme. Der Informationsgehalt, der in den Grundwerkstoffen, Bauteilen und Fertigprodukten steckt, wird weiter zunehmen und einen steigenden Anteil am Wert der Güter ausmachen. Die Information wird dabei insbesondere dafür genutzt, um Material- und Energieeffizienz entlang der Produktions- und Konsumketten zu erhöhen und darüber auch Kosten zu senken.

Anreiz zum Ressourcensparen durch ContractingHier setzt das Geschäftsmodell des Contracting ein. Es wurde zunächst im Bereich der Gebäudeversorgung mit Wärme und Licht entwickelt. Der Anbieter dieses Services garantiert dem Kunden eine bestimmte Temperatur und Ausleuchtung der Räume. Es bleibt ihm überlassen, wie das technisch umgesetzt wird, und so hat er ein großes Interesse, dies mit möglichst geringem Kostenaufwand zu tun und auf Energie- und Materialeffizienz zu achten.

Das Geschäftsmodell des „Performance Contracting“ lässt sich auch in anderen Bereichen anwenden. Die Firma Innotec betreut zahlreiche Wohnungsgesellschaften mit über einer Million Mietern. Im Bereich des konventionellen Abfallmanagements sortieren ihre Mitarbeiter großvolumigen Abfall aus, um das Restmüllaufkommen zu verringern. Und sie beraten die Mieter - gerade im sozial schwierigen Milieu - in Sachen Mülltrennung. Außerdem bietet Innotec technische Systeme zur verursachergerechten Abrechnung der Abfallmanagementkosten an.

Das Abfallcontracting finanziert sich in diesem Fall durch Kosteneinsparungen bei der Restmüllentsorgung. Die Kosten für den Vermieter, die hauptsächlich durch die nachträgliche Müllsortierung entstanden, konnten um 20 Prozent bis 50 Prozent, in Einzelfällen um bis zu 70 Prozent gesenkt werden. Dadurch stieg nicht zuletzt der Marktwert der Immobilien.

Innotec finanziert sich über eine Gewinnbeteiligung an den eingesparten Kosten. In einer Pilotphase sind das meist 75 Prozent der eingesparten Kosten, um die Anlagentechnik und zu Beginn sehr personalintensive Mieterberatung zu refinanzieren. Bei Fortführung des Projekts erhält Innotec noch 50 Prozent der erzielten Einsparungen.

Die Aufwendungen des Besitzers können als haushaltsnahe Dienstleistungen im Rahmen der Einkommensteuer geltend gemacht werden. Die Auswertung der Projekte ergab eine deutliche Verminderung des gesamten Hausmüllaufkommens und eine drastische Verminderung des Restabfalls.

Erneuerung statt NeuanschaffungBetrachtet man die physische Wirtschaft, so hat diese die Phase jugendlichen Wachstums bereits überschritten. Die Bestände an Gebäuden und Infrastrukturen wachsen längst nicht mehr so stark wie in den Aufbaujahren nach dem zweiten Weltkrieg, den Boomjahren der 1960er in Westdeutschland und der nachholenden Entwicklung in Ostdeutschland in den 1990ern. Das Straßennetz ist bereits flächendeckend ausgebaut. Die Wohnfläche pro Person strebt einer Sättigung zu. Die Bauwirtschaft macht längst ihre größten Geschäfte mit dem Umbau, der Renovation und der Instandsetzung von Gebäuden, Straßen, Brücken usw.

Ökonomisches Wachstum in der Bau- und Immobilienbranche ist daher nicht von einer zunehmenden Menge zusätzlicher Bauten, sondern vor allem über ein verbesserte Qualität bei verringerten Kosten zu erwarten. Damit steht die Funktionalität der Bauten für die Nutzer im Vordergrund, die Lebensqualität für Bewohner und Anwohner, die mit einem hohen Maß an Energie- und Materialeffizienz bereitzustellen ist.

Auch der Bestand an langlebigen Gütern wie Pkw hat mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das es erlaubt, die damit mögliche Mobilität nahezu jederzeit und überall in Anspruch zu nehmen, – selbst wenn man gar kein Auto besitzt.

Während das Auto früher als wichtiges Statussymbol diente, dreht sich heute kaum noch jemand selbst nach einer ausgefallenen Marke um. Angesichts verstopfter Straßen und mangelnder Parkplätze wird das eigene Auto zunehmend zum Zeitfresser. In Deutschland habe junge Menschen ebenso wie in den USA und den Niederlanden heutzutage ein deutlich vermindertes Interesse am eigenen Wagen. Trotzdem sind sie viel mobiler, als es ihre Eltern und Großeltern jemals waren. Sie nutzen Mitfahrzentralen, Carsharing und wechseln je nach Bedarf zu Bahn, Bus, Tram, Fahrrad und Flugzeug. Das alles wird nicht zuletzt wesentlich durch die Vermittlungs- und Serviceangebote im Internet ermöglicht.

Mieten statt Besitzen liegt im Trend. Neue Lebensstile im Sinne des Besitzminimalismus werden ausprobiert. Viele Start-ups machen sich das zu Nutze. Und auch die großen Firmen, die ihren Erfolg bislang mit den umgesetzten Stückzahlen gemessen haben, suchen im Bereich der produktbasierten Dienstleistung nach neuen Geschäftsmodellen.Was brauchen die Menschen?

Hält man nach neuen zukunftsträchtigen Geschäftsmodellen Ausschau, so lohnt es sich, der Frage nachzugehen, was die Kunden vermutlich brauchen. Die Antwort wird sehr stark vom Lebens- und Arbeitsumfeld der Betreffenden abhängen. Gleichwohl gibt es zwei wesentliche Voraussetzungen für erfolgreiche Angebote: sie müssen den Kunden eine größere Sicherheit im weiteren Sinne bieten und sie von einschränkenden Faktoren unabhängig machen.

Zur Sicherheit im weiteren Sinne gehören eine höhere Lebensqualität, eine lebenswertere Umwelt, sichere Versorgung, erhöhte Sicherheit gegenüber Kriminalität und Gewalt und finanzielle Stabilität. Erfolgreiche technische oder organisatorische Innovationen erweitern die „sichere Aktionsreichweite“ („safe operating range“) für Individuen, Gruppen, Firmen und Staaten, in räumlicher und zeitlicher Hinsicht. Das kann der Rollstuhl für Behinderte sein, das Flugzeug für die Touristik oder das Handy für jedermann, um zu jeder Zeit an jedem Ort der Welt mit anderen zu kommunizieren. Eine Schlüsselfrage bei der Suche nach potenziell aussichtsreichen Innovationen ist daher, welcher Faktor für die Kundengruppe die größte Einschränkung bedeutet. Wer hiervon Unabhängigkeit bieten kann, steht am Beginn einer vielversprechenden Entwicklung.

Welche Geschäftsfelder mittel- und langfristig erfolgreich sein werden, wird damit davon abhängen, inwieweit sie nicht nur die Kundenbedürfnisse besser bedienen, sondern sich auch vom Einsatz materieller Ressourcen unabhängig machen können. Auch werden eher jene Konzepte langfristig Erfolg haben, die den Trends in Richtung eines nachhaltigen sozio-industriellen Stoffwechsels nicht zuwiderlaufen: einer Wirtschaft, die im Wesentlichen auf einer energetisch wie stofflich erneuerbaren Basis beruht – durch Solar und Windenergie bzw. Recycling – und ihre weltweit aufgewendeten Ressourcen höchst effizient einsetzt.

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Stefan Bringezu leitet die Forschungsgruppe Stoffströme und Ressourcenmanagement am Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie. Seit 2011 ist er außerdem Professor für Nachhaltiges Ressourcenmanagement beim Center for Environmental Systems Research (CESR) an der Universität Kassel. Stefan Bringezu beschreibt in einer Artikelserie bei WiWo Green, welche Herausforderung im Bereich der Rohstoffversorgung auf uns warten und wie wir sie meistern können. 

Bisher ist von Stefan Bringezu auf WiWo Green erschienen:

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