Wenn der Winter naht, und der kalte Wind durch die Straßen pfeift, laufen die Heizungen auf Hochtouren. Runde um Runde drehen sich die Stromzähler in ihren Kästen, während über den Dächern der Häuser heller Rauch in die Höhe steigt.
Je kälter es wird, desto mehr leidet der Geldbeutel - die Stromkosten sind hoch und der Schock bei der nächsten Stromrechnung vorprogrammiert. Wie schön wäre es da, könnte man auf einen Blick erkennen, wie viel Wärme das eigene Haus verbraucht - und wie man seinen Energieverbrauch mit einfachen Mitteln herunterschrauben kann.
Genau diesem Wunsch hat sich die litauische Hauptstadt Wilna angenommen. Die flächenmäßig größte Stadt des Baltikums beherbergt rund eine halbe Million Menschen und fast 3.000 renovierungsbedürftige Häuser, die Unmengen Energie verschwenden. Gerade einmal 96 davon wurden in den vergangenen zehn Jahren energetisch saniert. Das muss sich ändern, predigte die Stadtregierung seit langem. Daher hat sie eine interaktive Stadtkarte entwickelt, auf der die Bewohner Wilnas erkennen, wie hoch der aktuelle Wärmeverbrauch ihrer Häuser ist und wie sie im Vergleich mit anderen Gebäuden dastehen.
Farben zeigen, wo Umweltsünder stehenDie Karte ist seit einem Jahr online und auch per Smartphone zugänglich. Sie listet rund 4800 Gebäude und unterteilt die Energieperformance der Häuser wie in einem Wettbewerb in 15 Effizienzkategorien. Effizienzklasse 1 steht für besonders umweltfreundliche Häuser, Effizienzklasse 15 für die größten Umweltsünder der Stadt. Die Effizienzklassen werden auf der interaktiven Karte wiederum in sechs Farbkategorien eingeteilt. Von grün für eine sehr gute Energienutzung, über gelb für eine durchschnittliche Energieeffizienz, bis zu dunkelrot: den renovierungsbedürftigen Häusern.
Der Blick auf die Karte zeigt: In Wilna gibt es einiges zu tun. Gerade einmal 349 der 4800 aufgeführten Häuser sind energieeffizient, weitere 1100 gehören zur durchschnittlichen Effizienzklasse. Die meisten Gebäude aber liegen weit darunter. 2700 Häuser fallen in die Kategorie „schlecht“, 512 in die Kategorie „sehr schlecht“ und 119 in die Kategorie „überaus schlecht“.
Kein Wunder, dass die Stadt nun zu Umweltbewusstsein aufruft. „Die Karte soll die Bewohner dazu anregen, ihr eigenes Energieverhalten zu überprüfen“, sagt Eglė Randytė, Leiter der städtischen Energiebehörde. Schließlich lasse sich damit nicht nur bares Geld sparen, sondern auch die Umwelt schonen. Darüber hinaus liefert die Karte konkrete Hinweise, wie sich Energie effizienter nutzen lasse, etwa durch Wärmedämmung, isolierte Fenster und Türen und moderne Heizungsanlagen.
Eine Präsentation der interaktiven Karte auf Youtube:
Sichtbarkeit und soziale Kontrolle, ein wenig erinnert das Konzept an George Orwells Roman 1984. Die Stadt jedenfalls hofft, dass etwa 240 Gebäude bis 2016 energetisch saniert werden könnten. Bis 2020, so der ehrgeizige Plan, sollen rund 600 Wohngebäude auf den neusten Stand sein. Rund 14.300 Tonnen Kohlendioxid könnten so gespart werden - nahezu soviel, wie ein Auto verbraucht, das zwei Mal die Erde umrundet.
Auch wenn Wilnas Karte noch keine Nachahmer gefunden hat, findet sie großen Zuspruch. So erhielt Wilna bei den Eurocities Awards in München diesen November den Innovations-Preis. Für den Award des größten europäischen Städtenetzwerks hatten sich 19 europäische Städte beworben. Neun davon wurden prämiert, darunter Dortmund mit dem „Masterplan Energiewende“.