Ziegel im Klo Dieser Stein spart Wasser

Der Ziegel im Spülkasten ist eine alte Hippie-Idee, die mit der Spartaste ausstarb - nun aber in Dürreregionen wie Kalifornien ein Revival feiert.

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Sie montierten Stollenreifen an alte Fahrräder und nannten es Mountainbike. Sie berauschten sich mit LSD und erfanden das Internet. Und sie gaben einer ganzen Generation ein Lebensgefühl, das bis heute seinesgleichen sucht: Hippies.

Zumindest waren einige Menschen, die in Jesuslatschen zu Folkmusik tanzten, auch gewiefte Tüftler. Eine dieser Erfindungen, eine zugegeben sehr simple, feiert gerade in den USA ihr Comeback: Der Backstein.

Einige Umweltenthusiasten aus Kalifornien holen den Ziegelstein für's Klo zurück. Er soll dabeihelfen, verschwenderische WCs in Öko-Wunder zu verwandeln, indem er Wasser verdrängt und dem Spülkasten vorgaukelt, er sei bereits randvoll gefüllt - so spült das Klo mit deutlich weniger Wasser. Eine Idee, die laut "Drop-A-Brick" auch heute noch Unmengen Trinkwasser sparen könnte - rund 100 Milliarden Liter in nur einem Jahr.

Das Modell der Non-Profit-Initiative aus San Francisco ist zugegebenermaßen etwas modifiziert. Statt eines schweren Ziegelsteins aus Lehm, der den Spülkasten beschädigen könnte, kommt „Drop-A-Brick“ im Ultraleicht-Format daher: 80 Gramm wiegt der „Ziegel“, der aus Umweltgründen aus Kautschuk gefertigt wird. Damit er trotz seines Fliegengewichts genug Wasser verdrängt, befindet sich im Inneren ein Hydro-Gel-Puder, das sich bei Kontakt mit Wasser in eine gallertartige Masse verwandelt und sich auf das 200-fache ihres ursprünglichen Volumens ausdehnt.

Einmal versenkt, spare das Ziegelimitat laut Initiatoren enorme Mengen Wasser. Nach ihren Schätzungen verschwenden die Bürger Kaliforniens jeden Tag rund 770 Millionen Liter Trinkwasser im Klo. Mit dem Ziegel im Spülkasten allerdings würde jeder Nutzer fast zwei Liter pro Spülung sparen - auf ein Jahr gesehen eine Ersparnis von rund 11.000 Liter pro Haushalt. Hochgerechnet auf Kalifornien könnten so rechnerisch 100 Milliarden Liter eingespart werden – das würde reichen, um die ganze Bevölkerung Japans ein Jahr lang mit Wasser zu versorgen.

Angst vor Mega-DürrenSo witzig die Idee des Ziegelsteins, so ernst ist der Hintergrund und die gegenwärtige Gefahr, die Kalifornien bedroht: Wie Wissenschaftler des renommierten US-Meeresforschungsinstituts Woods Hole und der University of Minnesota berichten, seien die vergangenen Jahre die trockensten seit 1200 Jahren. Die Folge: Der Grundwasserpegel sinkt dramatisch, viele Region zehren seit Jahren von ihren Wasserreserven.

Nach Angaben des Uno-Klimarats IPCC wird das Klima in Kalifornien in den kommenden Jahrzehnten heißer werden als alles, was der Bundesstaat bisher erlebt habe. Solche Extreme sind insbesondere für die Landwirtschaft bedrohlich: Sind die Pflanzen erst verdorrt, hilft auch kein Regenguss mehr.

Vorbild für Deutschland?Der Klimawandel allein ist logischerweise nicht der einzige Grund für die Misere. Viele amerikanische Toiletten haben keine Sparfunktion und verbrauchen deshalb – je nach Modell – bis zu 23 Liter Wasser pro Spülung. Wer oft auf Toilette verschwindet, kann sich also leicht ausrechnen, welche Maßen hier verschwendet werden.

In Deutschland ist es etwas anders. Ein herkömmlicher Spülkasten verbraucht hierzulande etwa neun Liter Wasser pro Spülung. Mit Sparfunktion, die inzwischen weit verbreitet ist, sogar nur noch sechs bis drei Liter. Ein Stein im Klo ist hier also nicht unbedingt erforderlich, zumal sonst sogar die Spülung behindert sein könnte.

Für Staaten, in denen die Spartaste noch nicht Einzug gehalten hat, ist Drop-A-Brick allemal eine pfiffige Idee. Nicht umsonst hat die Initiative durch ihre Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo umgerechnet rund 130.000 Euro eingesammelt. Bisher gibt es das Ziegelimitat aber nur in den USA, doch vielleicht versenkt eine neue Hippie-Generation den Stein schon bald in den Spülkästen der ganzen Welt.

Witzig trotz ernster Angelegenheit: Das Video zu Drop-A-Brick gibt's hier:

 

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