Grüne Pioniere Die Ideen-Maschine

Henning Zoz hat Technik für Raketen, Computer und Elektroroller entwickelt. Nun will er der Wasserstoffmobilität zum Durchbruch verhelfen. Schaffen könnte er es.

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Henning Zoz

Der Mann, der unsere Mobilität umweltfreundlicher machen will, nimmt für Kurzstrecken am liebsten den Lamborghini. Der erste Gang rastet ein, und Henning Zoz drückt aufs Gas. Von hinten aus dem Motor röhrt es, dann katapultieren 550 PS den kanariengelben Renner vom Hof der Zoz-Group im nordrhein-westfälischen Wenden. 16 Kilometer sind es bis Siegen in den „Mobility Store“, wo der Wagen wenig später hält.

Hier, im Erdgeschoss einer über 100 Jahre alten, braun verputzten Likörfabrik, beleuchten hinter einem großen Schaufenster Halogenstrahler einen nüchternen Verkaufsraum und ein Dutzend Elektroroller. Von hier aus will der 47-jährige Zoz der Wasserstoffmobilität zum Durchbruch verhelfen: Ab nächstem Jahr sollen seine Tretroller für rund 1000 Euro als Wasserstoffversion zu haben sein, 45 Kilometer pro Stunde schnell – mit einer Reichweite von 120 Kilometern.

Technologie für die US-Armee

„Selbst Carl Benz hat klein angefangen“, sagt Zoz und meint das nicht im Geringsten ironisch. Zoz will als Erster wasserstoffbetriebene Motoren in den Massenmarkt bringen und so das Zeitalter der schmutzigen, ölhungrigen Mobilität beenden.

Wenn einer wie Zoz solche Pläne hat, dann muss man es ernst nehmen. Denn es wäre nicht das erste Mal, dass seine Technik die Welt erobert: Die Ideen des Maschinenbauers und Nanoingenieurs aus Wenden stecken nicht nur als Mikropulver in Beschichtungen von fast allen Computer-Festplatten. Seine Technologie für Legierungen wird auch in den Atomraketen der US-Armee eingesetzt. Nun nimmt er sich die Autoindustrie vor.

Das graue Pulver

Zwar arbeiten auch Opel, Daimler, Audi und BMW an Wasserstoffautos. Marktreif sind die aber frühestens 2015. Zu teuer sei die Technik, und die Infrastruktur fehle, um die Fahrzeuge der neuesten Generation zu betanken, heißt es bei den Autobauern. Zoz’ Tretroller könnten der gesamten Industrie zeigen, wie es besser geht.

Den Antrieb seiner Roller übernehmen eine Brennstoffzelle und ein Tank aus Metall, der aussieht wie eine Mineralwasserflasche. Zoz’ eigentliche Erfindung ist das graue Pulver im Tank. Es saugt den Wasserstoff wie ein Schwamm auf und bindet ihn. Bislang übliche Technik speichert den Treibstoff als Gas. Zoz’ Pulver besteht aus winzigen Metallteilchen, sogenannten Nanopartikeln, die eine Million Mal kleiner sind als ein Sandkorn. Wird das Pulver warm, gibt es den Wasserstoff wieder frei.

Schafft Zoz den Einstieg in die Massenproduktion, wäre das ein Meilenstein. So weit war vor ihm kein anderer. Dabei sind die Hoffnungen in die Wasserstoffmobilität enorm: Das Gas, das künstlich hergestellt werden muss, wäre nach Schätzungen von Air Liquide, einem der größten Industriegashersteller in Europa, für Autofahrer nur halb so teuer wie Benzin. Außerdem ist Wasserstoff frei von Treibhausgasen, wenn man es mithilfe von Windkraft oder Sonnenstrom gewinnt. Angesichts dieser Vorteile werde bis 2050 jedes zweite Auto mit dem grünen Treibstoff fahren, prognostiziert die EU in einer Studie. Gute Aussichten für Zoz & Co.

Daher soll es nicht bei Rollern bleiben: Der Unternehmer, von dem seine sechs Kinder sagen, er sähe aus wie der Action-Star Bruce Willis, will demnächst sein Zweitauto, einen leichten Lotus-Sportwagen, mit 23 Wasserstoff-Kartuschen und Brennstoffzelle fahren. Der alte Verbrennungsmotor des Wagens landet dann im Metallschrott. Der Lotus wäre ein Testballon für den Umbau weiterer Fahrzeuge.

„Ich will etwas schaffen“

Bei dem was er tut, besonders ökologisch zu sein, darauf kommt es Zoz gar nicht an. „Ich will etwas schaffen“, sagt er, „was bisher keiner geschafft hat.“ Wenn sich damit Geld verdienen lässt: umso besser. Arbeiten müsste Zoz, der nach dem Abitur Schweißer und Dreher lernte, ohnehin nicht mehr. Allein seine Patente – unter anderem auf einen Kugelhahn, eine Art Ventil für Vakuumsysteme – spielen so viel Geld ein, dass er sich Vollzeit seiner Segel-Leidenschaft widmen könnte.

Volltanken für die Hälfte

Stattdessen managt Zoz von Wenden aus die sechs Geschäftsbereiche seiner Zoz-Group. 50 Mitarbeiter bauen Kugelmühlen, stellen Nanowerkstoffe her, malen Häuser an, betreiben eine Segelschule, bauen Batterien für Elektro-Vespas – und jetzt auch Wasserstofftanks. Die Zwergpartikel sind der rote Faden, der sich durch sein wollknäuelhaftes Unternehmen zieht: Sie stecken in den Batterien der Vespas, den Wasserstofftanks und bald auch in den Farben seiner Malersparte.

Durch Zufall ergänzt seit einigen Monaten noch die Likörfabrik in Siegen das Zoz-Imperium. In einer Villa auf dem Grundstück der Fabrik wollte der Unternehmer Geschäftsräume einrichten. Das Haus gab es aber nur im Paket mit der Destille. Also kaufte er beides. Und da Zoz für Kundengespräche oft in Brasilien ist, kam ihm gleich die nächste Geschäftsidee: In Siegen soll Guarana-Limonade hergestellt werden – eine Art Bio-Red-Bull aus Urwald-Lianen. Mit 50 Cent pro Dose soll das neue Getränk nur ein Drittel so viel kosten wie die Power-Brause aus Österreich.

„Er denkt schnell, redet schnell und handelt schnell“ sagt ein Bekannter von Zoz. Zoz sagt: „Stillstand ist verboten.“ Das war schon immer so.

Als der Maschinenbauer mit Ende 20 seine erste Million verdient hatte, stand sein Geschäft kurz vor dem Aus. Alle Labore deutscher Universitäten, die seine Kugelmühlen verwendeten, waren ausgestattet. Die Industrie hatte für das Gerät und die winzigen Metallteile, die es produzierte, keine Verwendung. Also entwickelte Zoz Legierungen, Lacke und Werkstoffe auf Nanopartikel-Basis. Da seine Kugelmühlen diese schnell und günstig herstellten, eroberten die Produkte den Markt. Nachdem er die Pulver erfand, erfand Zoz seine Absatzmärkte.

Professor für Werkstoffwissenschaften

Gerade hat die Ideenwerkstatt in Wenden ein Super-Metall mit Nanoröhren verlassen, das fester und leichter ist als Titan. Für Daimlers Radschrauben werden erste Tests mit dem Material gemacht. Außerdem arbeitet Zoz mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung an einem Superbeton, der 20 Mal stabiler ist als heutige Produkte. Die Stabilität bringen wiederum die Nanoteilchen. Das alles soll in Zukunft helfen, Rohstoffe zu sparen.

Man braucht eine Weile, bis man einen Mann verstanden hat, der „voll cool“ sagt, wenn er komplexe chemische Prozesse beschreibt, der ohne Studium Professor für Werkstoffwissenschaften an der renommierten japanischen Ritsumeikan-Universität ist und der selbst am Steuerknüppel seines Flugzeugs sitzt, wenn er zu Terminen fliegt. Ein Mann, der weiße Sportsocken zum feinen Anzug trägt und auf Messen gerne mal einen größeren Stand hat als Daimler und der Stromriese RWE. Understatement ist nicht sein Ding.

Bei Zoz mischen sich Ingenieurkunst und Große-Jungs-Syndrom, gute Einfälle und Testosteron wie in einer Kugelmühle. Ob die Ideen-Maschine bei der Wasserstoffmobilität Erfolg hat, wird sich zeigen.

Fragt man Experten wie Lars Röntzsch, fällt das Urteil zweigeteilt aus. Der Wissenschaftler forscht am Fraunhofer-Institut IFAM in Dresden zu Nanospeichern für Wasserstoff. Vor allem für Kleinfahrzeuge wie Roller, Vespas und Gabelstapler seien die Pulverspeicher geeignet, sagt er. Denn die Technik sei einfach und robust.

Die Autoindustrie arbeitet mit komplizierter – und deshalb auch teurer – Hochtechnologie, um den enormen Druck von 700 Bar in den Gastanks zu bändigen. Zoz’ Kartuschen haben nur 10 Bar.

Der Nachteil sei laut Röntzsch, dass sich Feststoffspeicher nur langsam betanken lassen, mitunter dauert es mehrere Stunden. Doch auch für das Tankproblem hat Zoz eine Lösung: Wie man heute in jedem Baumarkt Gasflaschen für den Campingkocher kaufen kann, soll es künftig überall Wasserstoffkartuschen für einen Euro geben. Sogar am Getränkeautomaten, wo sie als Tank to go Treibstoff liefern. Die leeren Kartuschen gibt man als Pfand zurück.

Hin zu mehr Nachhaltigkeit

Auf lokaler Ebene kann Zoz demnächst beweisen, ob die Menschen sein System praktikabel finden. Im bayrischen Bad Neustadt wird in den nächsten Jahren ein Elektromobilitätsnetz aufgebaut. Zoz will dort seine Wasserstoffroller ebenso einsetzen wie im Kreis Siegen und im Kreis Olpe, seinem Firmensitz. Wenn alles klappt, entsteht dort auch ein Windpark, der aus Strom Wasserstoff produziert, der dann in die Tanks abgefüllt wird.

Die Verantwortlichen in den Kommunen sind begeistert von den Plänen. Und was lokal funktioniert, könnte auch national erfolgreich sein, hofft Zoz.

Einen Imagewechsel hin zu mehr Nachhaltigkeit hat er auch schon geplant: Der gelbe Lamborghini soll einem Smart weichen. Wo dann der Bunte-Hund-Effekt bleibt? „Wenn ich drinnen sitze, fällt auch ein Smart auf.“ 

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