Hochgeschwindigkeitszüge Ferrari auf Schienen

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So setzt Alstom beim neuen AGV ab 2011 auf angetriebene Jakobsdrehgestelle, die direkt unter dem Übergang von zwei Waggons montiert werden. Der neue Superzug kommt dadurch mit weniger Achsen aus: Ein AGV mit drei Wagen benötigt nur vier Drehgestelle statt acht wie bei Siemens. Die Vorteile des AGV: weniger Gewicht, robuster, laufruhiger im Geradeausbetrieb. Die Nachteile: Die Zuglänge lässt sich nur mühsam variieren, da der Abbau der Jakobsdrehgestelle lange dauert. Außerdem passen weniger Passagiere in die Züge, weil die Waggons direkt über den Achsen enden und nicht überhängen können. „Es gibt keine beste Lösung“, sagt Experte Hecht, „sondern es hängt von den Bedingungen ab.“

Für die Deutsche Bahn sind solche Überlegungen besonders wichtig. Derzeit läuft eine Ausschreibung unter dem Titel „ICx“ für die Hochgeschwindigkeitsflotte der Zukunft. Der Milliardenauftrag soll Ende des Jahres vergeben werden.

So sollen 2013 rund 100 Intercity-Züge ersetzt werden. Die neuen Züge sollen für Geschwindigkeiten bis zu 230 Kilometer pro Stunde ausgelegt sein. 200 neue ICE-Züge der vierten Generation sollen dann im Jahr 2018 die erste und zweite ICE-Generation ablösen. Tempolimit: bis 280 Kilometer pro Stunde. Interessanterweise ähneln die Züge dann in ihrer Frontpartie wieder den bulligeren alten ICE-1-Zügen, da sie die neuen Crashtests, wie einen simulierten Aufprall auf einen Lkw bei geringer Geschwindigkeit, besser bestehen.

Transrapid vor dem Aus

Unter Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn war Geschwindigkeit das wichtigste Thema beim Ausbau des Schienennetzes. Das hat sich geändert. Und selbst der Magnetschwebezug Transrapid fällt als letzte Hoffnung der Tempo-Fans aus. Die revolutionäre Technik gilt als nicht mehr realisierbar. 30 Jahre wurde getestet, mehr als eine Milliarde Euro an Staatsgeldern wurden investiert. Doch Innovationen im Schienenverkehr stoßen auf „unüberwindbare Widerstände“, wenn sie „mit einem Netzwechsel verbunden“ sind, sagt Michael Beitelschmidt, Leiter des Instituts für Bahntechnik der Universität Dresden.

Befürworter der Magnetschwebebahn hoffen vor allem auf Brasilien: Angeblich existieren Pläne, zur Fußballweltmeisterschaft 2014 die Städte Rio de Janeiro und São Paulo mit einer Transrapid-Strecke zu verbinden. Doch wie ernst das Thema genommen wird, zeigt das Beispiel einer hochkarätigen brasilianischen Delegation, die sich für einen Besuch auf der Teststrecke im Emsland ankündigte: Sie sagte kurzfristig ab.

Chinesen wollen die Züge selbst bauen

Selbst China hat sich vom Transrapid verabschiedet. Die 30 Kilometer lange Verbindung in Shanghai dürfte die einzige Transrapidstrecke weltweit bleiben.

Stattdessen setzt China auf den Ausbau des Rad-Schiene-Systems. Davon profitieren auch ausländische Konzerne wie Bombardier und Siemens. Noch. Auf lange Sicht werden für sie tendenziell weniger Aufträge herausspringen. Beim Eisenbahnbau macht es China wie in allen anderen Schlüsselbranchen auch: Durch den Zwang zum Joint Venture sichern sich die chinesischen Partner die Technologie aus dem Ausland, irgendwann bauen sie die Züge selbst.

So liefern die Münchner 100 Velaro-Züge zusammen mit dem Partnerunternehmen Tangshan Locomotive im Norden Chinas, wo die Endmontage stattfindet. Als Siemens zur Eröffnung der Neubaustrecke von Peking nach Tianjin kurz vor den Olympischen Spielen im vergangenen Jahr ausländische Journalisten zu einer Fahrt im neuen Zug einladen wollte, war das Eisenbahnministerium verstimmt.

Nach außen, so die Vorgabe des Regimes, müsse es so aussehen, als seien die Züge chinesischer Bauart. Die Beamten machten bei Siemens Druck, bis der Konzern die Journalisten wieder auslud.

Hochgeschwindigkeitsverkehr ist eben auch ein hoch politisches Geschäft.

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