Hoffnung und Enttäuschung Wie Microsoft das Tablet erfand

Lange vor Apple stellte Microsoft einen Tablet-PC vor - doch blieb damit erfolgslos. Der Konzern stellte immer wieder tragbare Computer mit Touchscreen vor - Erst Apple verhalf Idee zum Durchbruch.

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Der damalige Microsoft-Chef Bill Gates mit dem Microsoft-Entwurf eines Tablet-PCs im September 2000. Die Windows-Modelle hatten keinen Erfolg - vor allem, weil die Software auf Maus und Tastatur ausgerichtet war. Quelle: Reuters

New York Jahrzehntelang stellte der Tablet-Computer eine Art Fata Morgana der IT-Industrie dar: eine großartige Idee, die zum Greifen nah am Horizont schillerte und dann hoffnungsvolle Unternehmen doch immer wieder enttäuschte. Microsoft hat diesen Kreislauf aus Hoffnung und Enttäuschung mehrfach durchlaufen, denn der kürzlich vorgestellte "Surface" ist nicht der erste Versuch des Konzerns, einem Tablet zum Durchbruch zu verhelfen.

Seit es den PC gibt, haben Microsoft-Ingenieure immer wieder versucht, den Einsatz von Computern neu zu erfinden. Die ersten PCs hatten Tastaturen, wie sie von Schreibmaschinen schon bekannt waren. Rasch stellte sich jedoch die Frage, ob die Eingabe mit einem Stift nicht bequemer wäre. So entwickelten mehrere Unternehmen Ende der 80er-Jahre stiftbasierte Eingaben. Microsoft sprang auf den Trend auf und stellte 1991 "Windows for Pen Computing" vor, ein Add-On für Windows 3.1, das Eingaben mit einem Touchpen ermöglichte.

Mehrere Geräte setzten die Software ein und lassen den Vorläufer der heutigen Tablets erkennen: tragbare, rechteckige Platten mit einem Bildschirm. Allerdings reagierten sie noch nicht auf Berührungen, denn schließlich stand die Idee eines Notizblocks mit Stift Pate. Pen-Computing verschwand in den 90er-Jahren. Zwar zogen die Windows-Tablets Aufmerksamkeit auf sich, die Masse der Nutzer blieb jedoch der Tastatur verbunden.

Hardware-Hersteller mit ins Boot geholt

Im Jahr 2002 bezeichnete Microsoft-Gründer Bill Gates die Erinnerungen an diese frühen Tablet-Versuche als "fast schmerzhaft", doch er gab nicht auf. Der Konzern präsentierte Windows for XP Tablet PC Edition und dieses Mal zogen auch Hardware-Hersteller wie Hewlett-Packard, Samsung, Toshiba und Acer mit. Sie stellten Tablet-PCs her, die äußerlich den heutigen Tablets ähnelten. Im Inneren allerdings waren sie weiterhin PCs. Im Vergleich zum iPad waren sie mit 1.500 Dollar teuer, schwer und verfügten nur über eine schwache Akku-Leistung. Die Käufer gaben also eine Menge Geld aus, nur um Eingaben mit dem Stift tätigen zu können.


Windows braucht Maus und Tastatur

Das weitaus größere Problem bestand allerdings darin, dass Windows ein Betriebssystem auf der Basis von Tastatur und Maus blieb. Viele Funktionen waren mit einem Stift schwer zu erreichen, Programme von anderen Herstellern wurden erst gar nicht für die Eingabe mit dem Touchpen überarbeitet. Zur Sicherheit verfügten einige dieser Tablets auch noch über eine Tastatur und unterschieden sich damit kaum noch von einem Laptop. Die Geräte setzten sich in einigen Unternehmen durch, blieben aber ein Nischenprodukt.

Parallel ermutige Microsoft Partner wie Fujitsu und ViewSonic, sogenannte Smart Displays zu entwickeln. Das waren große Tablets für den Einsatz zu Hause, die über Wi-Fi mit einem PC verbunden wurden. Sie waren im Grunde teure Monitore mit kurzer Reichweite. Während ein Smart-Display genutzt wurde, konnte am PC nicht gearbeitet werden. Nur wenige wurden 2003 verkauft und Microsoft stellte das Projekt noch im selben Jahr wieder ein.

Erster "Surface" war ein Tisch

Einen weiteren Versuch startete Microsoft 2006 mit "Projekt Origami". Dieses Mal sollten kleine PCs mit berührungsempfindlichen Bildschirmen entstehen. Wenige Unternehmen zogen mit, aber Samsung hatte dennoch Hoffnung für seinen "Q1". Das Kernproblem aber blieb: Windows war ohne Tastatur schwierig zu nutzen. Die "Ultra-Mobile PCs" waren teuer und litten unter einer kurzen Akku-Laufzeit. Mit dem "Q1" konnte der Nutzer gerade mal zwei Stunden im Web unterwegs sein. Allerdings stimmte dieses Mal zumindest das Gewicht: Der "Q1" wog nur wenig mehr als das erste iPad.


Erfolg mit Pocket PC

2008 stellte Microsoft dann den ersten Microsoft Surface vor - kein Tablet, sondern eher ein Tisch. Der Computer bestand aus einer riesigen Box, die auf dem Boden stand, mit einem horizontalen Display. Das Gerät sollte nicht im Privatbereich genutzt werden, sondern in Geschäften zum Einsatz kommen. Microsoft stellte die Hardware selbst her. Der erste Surface war als Nischenprodukt geplant und blieb eines.

Einen Erfolg auf dem Tablet-Markt konnte Windows dann aber doch erzielen: Das Betriebssystem Pocket PC lief ab etwa 2000 auf den neuen PDAs, den kleinen tragbaren Computern, die einen Farbbildschirm hatten und handschriftliche Eingaben erkennen konnten. Pocket PC wanderte schließlich zu den Smartphones über und wurde in Windows Mobile umbenannt, traf aber sogleich auf die scharfe Konkurrenz der BlackBerrys und später der iPhones.

Letztendlich verschaffte Apple dem Tablet 2010 den Durchbruch und nicht Microsoft. Apple reduzierte mit dem iPad nicht einen PC, sondern erweiterte die Möglichkeiten eines Handys. Das iPad war leicht, vergleichsweise günstig und trumpfte mit längerer Akku-Laufzeit auf - und die Software war von Anfang an auf die Eingabe per Berührung ausgelegt.

Microsofts neue Strategie ist ganz ähnlich: Windows 8 übernimmt Features von Windows Phone, dem neuen Smartphone-Betriebssystem. Nun bleibt abzuwarten, ob Microsoft mit dem neuen "Surface" seinen Tablet-Visionen umsetzen kann - oder ob alles wieder nur eine Fata Morgana bleibt.

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