Impfung Pflaster statt Spritze

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Eine Patientin beim Arzt. Für viele Versicherte letzte Chance zum Wechsel in den Basistarif Quelle: dpa

Das hat gegenüber der klassischen Spritze einen weiteren Vorteil: Es macht sie wirksamer. Während die Nadel den Impfstoff bis in die Unterhaut oder das Muskelgewebe transportiert, gibt das Pflaster die Substanz in die nur drei Millimeter dicke Haut ab, die Dermis. Wie Forscher seit einigen Jahren erkannt haben, „lässt sich hier ein besonders effektiver Impfschutz erreichen“, sagt Stephan Grabbe, Direktor der Universitäts-Hautklinik Mainz.

Der Grund: In dieser obersten Hautschicht kommen Immunzellen in sehr hoher Konzentration vor. Sie reagieren auf den Impfstoff und produzieren so eine Immunantwort. Zudem ist die Dermis extrem dicht gespickt mit einem Typ von Abwehrzellen, der besonders wichtig ist, um einen effektiven Immunschutz vor einer Ansteckung herzustellen – den dendritischen Zellen. Das ist auch bei älteren Menschen so, deren Immunsystem sonst im Alter eher schwächer wird.

„Die Oberhaut ist unser Schutzmantel gegen die Umwelt, hier ist die Barriere gegen Eindringlinge wie Viren und Bakterien besonders stark“, sagt Grabbe. Er entwickelt zusammen mit Sanofi Aventis MSD, dem zweiten großen Mitspieler auf dem weltweiten Impfstoffmarkt, ebenfalls eine Impfung, die nur in die Oberhaut gelangt, allerdings nicht mit einem Pflaster, sondern mit extrem kurzen Nadeln (siehe WirtschaftsWoche 27/2009).

Absatz und Umsatz steigern

Die Suche nach neuen und effektiven Wegen der Verabreichung von Impfstoffen treibt die gesamte Branche an. Das neue Pflaster könnte mehrere Dinge auf einmal bewirken: Weil der erreichte Impfschutz sehr effektiv ist, ließen sich damit in Zukunft die oft teuer herzustellenden oder in Notfällen knappen Impfstoffe extrem sparsam dosieren. Und weil das Aufkleben des Pflasters kinderleicht ist, könnte sich auf lange Sicht auch der Aufwand beim Impfen erheblich verringern.

Für die erste Generation des Produktes soll der Arzt beide Pflasterimpfungen aufkleben, so Intercell-Chef Zettlmeissl. Doch er hofft: „In der zweiten Generation könnte möglicherweise die erste Impfung vom Arzt und die zweite Impfung vom Impfling selbst vorgenommen werden.“

Gerade bei Reiseimpfungen, die wegen der Nachimpfung meist viele Wochen vor dem eigentlichen Reisetermin begonnen werden müssen, wäre das praktisch: Der Reisende könnte Pflaster Nummer zwei einfach mit ins Reisegepäck stecken und vor Ort aufkleben. Für Impfstoffhersteller wie GSK wäre eine so unkomplizierte Methode mithilfe des Schmerzlos-Pflasters per se hilfreich. Sie soll, so die Hoffnung der Manager, Absatz und Umsatz steigern.

Portfolio an neuen Impfstoffen

Ob das Pflaster auch im breiten Einsatz so reibungslos und gut funktioniert, wie Intercell es jetzt darstellt, bezweifeln manche Forscher allerdings. Tatsächlich gab es schon viele Versuche, Impfstoffe schmerzfrei – etwa mit kurzzeitig sehr hohem Luftdruck – in die Haut zu pusten. Bisher hat sich kein Verfahren bewährt.

Doch selbst wenn das Pflastern nur bei bestimmten Impfungen funktionieren sollte, GSK hat mit dem Intercell-Deal ein weiteres Problem gelöst. Der Konzern hat sein Portfolio an neuen Impfstoffen und Wirkverstärkern gegen Infektionskrankheiten erweitert, die in aller Welt Probleme bereiten: Denn dafür ist Intercell als eine der führenden Ideenschmieden bekannt – und als Kooperationspartner bereits mit Weltkonzernen wie Merck & Co., Novartis, Sanofi und Wyeth verbandelt.

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