
Alt zu werden ist auch heute noch kein Vergnügen. Künstliche Herzklappen, Hüften oder Knieprothesen sowie moderne Medikamente und Therapien lassen uns zwar spielend 80 oder 90 Jahr alt werden. Doch wer die biologische Verfallsgrenze von 40 bis 45 Jahren überschritten hat, verliert kontinuierlich an Vitalität und Lebensqualität. Denn viele Altersleiden lassen sich bestenfalls bremsen, heilen lassen sie sich nicht.
Das kann sich schon bald radikal ändern: Mithilfe der Stammzellen, die 2010 erstmals in größerem Maßstab zum Einsatz kommen, können viele zerstörerische Prozesse nicht nur verlangsamt, sondern gestoppt und umgekehrt werden. Regenerative Medizin heißt das Zauberwort.
Forscher haben Jahrzehnte gebraucht, um der Regenerationsfähigkeit des Körpers etwa bei der Wundheilung auf die Schliche zu kommen. Seit jedoch klar ist, dass Stammzellen dabei die tragende Rolle spielen, konnten Wissenschaftler deren Fähigkeiten gezielt für Therapie-Ansätze gegen nahezu jedes altersbedingte Leiden nutzen: Herzinfarkt, Hirnschlag, Krebs, Diabetes, Knorpel-, Knochen- und Nervenschäden sowie Demenz-Erkrankungen wie Alzheimer. Dabei hat sich gezeigt, dass nicht nur die umstrittenen embryonalen Stammzellen enorme Fähigkeiten besitzen, sondern auch die adulten Stammzellen, die im Knochenmark jedes Menschen zu finden sind.
Infarktpatienten mit Stammzellen behandeln
Mit ihnen hat der Herzchirurg Gustav Steinhoff an der Universitätsklinik Rostock eine Therapie entwickelt, um infarktgeschädigte Herzen wieder auf Touren zu bringen: Er spritzt Stammzellen in die kraftlosen Infarktbereiche, sodass sich neue Muskelmasse bildet. Bisher versuchen Ärzte mit Ersatzadern – den Bypässen, die sie rund um den geschädigten Bereich verlegen –, die Blutversorgung eher notdürftig wieder herzustellen.
Steinhoff ist natürlich nicht der Einzige, der mit Stammzellen altersbedingte Erkrankungen behandelt. Aber er ist mit seinen Kooperationspartnern in Hannover und Berlin sowie dem Industriepartner Miltenyi Biotec aus Bergisch Gladbach am weitesten, sogar im weltweiten Vergleich: Steinhoff hat seine Therapie schon durch zwei klinische Zulassungsphasen gebracht. Die letzte, etwa zwei Jahre dauernde Phase-III-Studie hat im Oktober begonnen, als der erste von 150 Patienten behandelt wurde.
Hoffen auf Plazenta-Zellen
Wenn die Ergebnisse überzeugen, könnte die neue Therapie nicht nur all jenen helfen, die einen Herzinfarkt überlebt haben – allein in Deutschland sind das 240.000 Menschen pro Jahr. Es würde auch den Aufbruch in ein neues medizinisches Zeitalter einläuten, in dem nicht mehr ausgebessert und gestopft, sondern ein jugendlicher, biologisch fitter Zustand wieder hergestellt wird.
Bisher stehen die Forscher aber noch vor einem logistischen Problem: Die adulten Stammzellen müssen für jeden Patienten individuell in einer Operation gewonnen werden. Das ist teuer und aufwendig. Eine geniale Lösung scheint nun das israelische Unternehmen Pluristem im Mutterkuchen, der Plazenta, gefunden zu haben. Als Nachgeburt landet sie meist im Klinikmüll. Doch die Planzenta-Stammzellen zeigten sich in ersten Versuchen als sehr potent – und sie werden von jedermann vertragen. Sie könnten als Massenware hergestellt werden.