Intelligente Netze Kampf um das Stromnetz 2.0

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Künftige Stromversorgung für das Ostallgäu Quelle: Illustration: Harvey Symons

Viele andere Regionalversorger stehen vor dem gleichen Problem. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft hat mehr als 470.000 Anlagen für erneuerbare Energien mit einer Leistung von gut 38.100 Megawatt gezählt. Das ist fast ein Drittel der aktuellen Kapazität klassischer Kraftwerke in Deutschland.

Um vor unangenehmen Überraschungen gefeit zu sein, setzen die Allgäunetz-Manager als eine Maßnahme auf den Einbau neuartiger Stromzähler. Die informieren sie künftig über den aktuellen Stromverbrauch der Pilotkunden und die Energieproduktion der Dachkraftwerke und Windräder. Zudem fassen die Stadtwerker die regenerativen Anlagen zu einem virtuellen Großkraftwerk zusammen, das sich einfacher steuern lässt als Dutzende Kleinerzeuger. Zusätzlich erproben sie, ob steigende Preise die Stromkunden dazu bewegen, den Wäschetrockner oder die bäuerliche Kühlanlage für die Milch erst anzuschalten, wenn ausreichend Strom im Netz ist und er billig zu haben ist.

Gläserne Stromkunden

Das entscheidende Problem jedoch ist, ob Großkonzern oder Regionalversorger: Bisher existieren die meisten Ideen nur als Gedankenspiele. Passen sich die Verbraucher tatsächlich dem jeweiligen Stromangebot an, und wie stark müssen die Preissignale sein? Wie viele Energiespeicher müssen vorgehalten werden? Wie bewältigen die Energieversorger die Datenflut, die künftig in ihre Rechner strömt. Bleiben Datenschutz und Privatsphäre gewahrt, wenn die Versorger mithilfe der intelligenten Schaltkästen nachvollziehen können, wann ein Kunde Geschirr spült und Fernsehen schaut? Lassen sich die Netze zuverlässig gegen Hacker schützen? Und vor allem: Wer kommt für die Kosten auf, die die Totalrenovierung der Strominfrastruktur verursacht?

Antworten sollen auch sechs Pilotprojekte liefern, die das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) – ähnlich dem im Allgäu – nun in Cuxhaven, im Ruhrgebiet, im Ostharz sowie in Aachen, Mannheim und Baden gestartet hat. 60 Millionen Euro stellt es dafür bereit. „Wir brauchen dringend Erfahrungen und handfeste Fakten, um die Idee des intelligenten Stromnetzes praxisreif zu bekommen“, sagt Ludwig Karg, Chef der Münchner Beratungsfirma Baum Consult, der die Projekte koordiniert.

Strom- und Datennetze wachsen zusammen

Auch private Konsortien versuchen mit ersten Praxistests Klarheit über Chancen und Risiken zu gewinnen. In Friedrichshafen am Bodensee etwa arbeiten die Deutsche Telekom und der Energietechnikspezialist ABB mit dem örtlichen Stadtwerk an einem Stromnetz der Zukunft. Erster Schritt war der Einbau von rund 2600 intelligenten Zählern. Für ABB-Vorstandschef Peter Smits ist das Zusammenwachsen von Strom- und Datennetzen nicht mehr aufzuhalten. „Das ist die Voraussetzung, um erneuerbare Energien wirtschaftlich und sicher in das Stromnetz zu integrieren.“

Weltweit fließen daher Milliarden in das Stromnetz 2.0. Die USA wollen dabei eine Führungsrolle übernehmen. Für Präsident Barack Obama haben der Aufbau des „Smart Grids“ – des intelligenten Netzes – und die Förderung erneuerbarer Energien höchste Priorität. Von den 36,7 Milliarden Dollar, die das Energieministerium aus dem im vergangenen Jahr verabschiedeten Konjunkturprogramm bekommen hat, fließen rund 3,4 Milliarden in Technologien und Pilotprojekte für den landesweiten Umbau des Stromnetzes.

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