Internet Online-Zensur in China: Die nächste Front

Pekings Schlacht gegen das Internet geht in eine neue Runde: Die Behörden wollen 10.000 Freiwillige rekrutieren, die das Netz von „schädlichen“ Inhalten säubern sollen. Doch es ist wie beim Hasen und beim Igel: Egal was die Regierung unternimmt – Chinas Blogger und Tech-Freaks sind immer einen Schritt schneller.

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Die Freude des jungen Chinesen Quelle: REUTERS

Internationale Computerhersteller wie Dell und Hewlett Packard rätseln noch, wie sie die neueste Vorschrift der chinesischen Regierung zur Zensur des Internet erfüllen sollen, da präsentiert Peking bereits die nächste Maßnahme zur Beschränkung des Informationsflusses im World Wide Web. Die Stadtverwaltung der chinesischen Hauptstadt will 10000 Freelance-Zensoren rekrutieren, die das Internet nach „ungesunden“ Inhalten durchsuchen und die Urheber den Behörden melden sollen.

Erst vor wenigen Tagen hatte die chinesische Regierung bekannt gegeben, dass alle in China vertriebenen Computer ab Anfang kommenden Monats mit einer speziellen Filtersoftware ausgestattet sein müssen. „Grüner Damm-Jugendbegleitung“, wie die Entwickler das Programm etwas umständlich getauft haben, soll Chinas junge Leute angeblich vor Pornografie schützen. Kaum jemand hat sich wirklich gewundert, als IT-Freaks schon nach wenigen Tests herausfanden, dass der Porno-Blocker noch viel mehr kann: Er filtert auch politisch heikle Inhalte, wie Einträge zum Massaker auf dem Tiananmen-Platz 1989 aus dem Netz. Internationale PC-Hersteller klagen, es sei logistisch unmöglich, ab 1. Juli alle Rechner in China mit dem neuen Programm auszustatten.

Mit ihrem neusten Schritt wollen die Behörden die „Umgebung im Internet reinigen“, wie Cai Fuchao, Vize-Bürgermeister von Peking es umschreibt. Die Mannschaft von 10.000 Freiwilligen soll Ende des Jahres an die Arbeit gehen. Gleichzeitig, so Cai, werde Peking eine Datenbank mit allen 370.000 in der Hauptstadt registrierten Webseiten erstellen. Außerdem wollen die Behörden dafür sorgen, dass sich die Ersteller von Internetportalen, deren Administratoren und Betreiber mit ihrem wirklichen Namen registrieren. Unklar ist noch, ob die 10.000 Internetpolizisten für ihre Tätigkeit bezahlt werden.

Google mit zu vielen Porno-Links?

An einer weiteren Front kämpfen Chinas Zensurbehörde und der Staatssender CCTV gegen das Internetportal Google. Google, heißt es in einem gemeinsamen Statement, habe überdurchschnittlich viele Links zu vulgär-pornografischen Inhalten im Programm.

Die jüngsten Aktivitäten der chinesischen Behörden zur Internetzensur zeigen nur eines: Der Regierung wird das Treiben im Netz allmählich zu bunt. In China, wo TV, Hörfunk und Printmedien streng zensiert sind, entlädt sich die Unzufriedenheit mit Regierung und Politikern hauptsächlich im Internet. Mit 300 Millionen Nutzern hat China die größte Webgemeinde der Welt. Proteste gegen korrupte Politiker, soziale Missstände, Landenteignungen – alles, was in den traditionellen Medien nicht stattfinden, darf wird in Blogs und Chatrooms diskutiert. Heißes Thema derzeit: Der Protest gegen die neue Filtersoftware „Grüner Damm“.

Mit Kreativität und Witz stellen die Chinesen die Regierung bloß. So haben einige Blogger ein „Grüner-Damm“-Girl entworfen: eine Frau, die einer Figur aus einem japanischen Porno-Comic nachempfunden ist. Die Blogger haben ihr eine Polizeimütze aufgesetzt und auf die Vorderseite einen Krebs gezeichnet: ein Wortspiel mit dem chinesischen Ausdruck „harmonisch“. Diesen führt die Regierung regelmäßig an, wenn sie ihre Bemühungen beschreibt, eine Gesellschaft ohne Kontroversen, Opposition und Unruhe zu schaffen.

Sperren einfach zu umgehen

Um die immer neuen technischen Barrieren, die die Regierung zu errichten versucht, findet Chinas Internetgemeinde problemlos Wege. So kursieren im chinesischen Web bereits Anleitungen, wie das Programm „Grüner Damm“ zerlegt und deaktiviert werden kann. Als um den 4. Juni dieses Jahres, dem 20. Jahrestages des Tiananmen-Massakers, zahlreiche ausländische Internetportale, unter anderem Twitter, gesperrt waren, half mir ein chinesischer Bekannter.

Als sei es das normalste der Welt, tippte er in die Adresszeile meines Browsers www.5uproxy.net. Innerhalb von Sekunden öffnete sich eine Suchmaske, in die ich die Twitter-Adresse eingeben konnte. Kurz darauf gelangte ich auf die Twitter-Homepage. „Die Regierung muss aufpassen, dass sie sich mit ihrem Zensur-Aktionismus nicht lächerlich macht“, spottet ein Pekinger Blogger.

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