Kernkraftwerke Nach dem Aus ist noch lange nicht Schluss

Wenn die Entscheidung zur Abschaltung von Kernkraftwerken fällt, wird ein langer Prozess angestoßen. Erst im nächsten Jahrzehnt sind dann die Anlagen endgültig abgebaut.

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Abklingbecken des Quelle: dpa

Wenn die sieben ältesten Kernkraftwerke in Deutschland jetzt abgeschaltet werden, produzieren sie zwar keinen Strom mehr. Richtig „aus“, wie etwa eine Glühlampe, der man den Strom entzieht, sind sie dann noch lange nicht. Die Spaltprodukte, also die Isotope, in die die Uran- und Plutoniumkerne zerfallen, geben durch radioaktive Strahlung weiterhin Wärme ab, anfangs bis zu zehn Prozent der Menge während des Normalbetriebs. Das sind bei Großanlagen leicht 400 Megawatt, etwa so viel wie 20000 Heizungsanlagen in großen Einfamilienhäusern, wenn sie im Volllastbetrieb laufen.

Wenn die so genannte Nachzerfallswärme, die vor allem durch Kobalt, Mangan und Tantal verursacht wird, nicht mit Hilfe von Kühlwasser kontinuierlich abtransportiert wird, werden die Brennstäbe so heiß, dass ihre metallischen Hüllen schmilzen und die radioaktiven Spaltprodukte freigesetzt werden. In den japanischen Reaktoren des Kraftwerks Fukushima ist die kontinuierliche Kühlung nicht gelungen, sodass ein Teil der Brennstäbe wohl geschmolzen ist. Noch hält das Containment, eine rund 1,6 Meter dicke Stahlbetonhülle, die die Reaktordruckbehälter umschließt, die Spaltprodukte zurück. Nur ein geringer Teil drang mit dem Dampf nach außen, der abgelassen werden musste, um den Innendruck zu senken, der das Containment zu zerstören drohte.

Gefahr hält noch lange an

Die Nachzerfallswärme reduziert sich sehr schnell. Nach einer Stunde ist sie bereits auf ein Viertel gesunken, nach einem Monat auf weniger als fünf Prozent. Das Dumme ist nur: Auch das reicht, um die Brennstäbe zu zerstören. Selbst nach drei Monaten ist die Gefahr noch nicht vorbei. Dann genügt weniger als eine wasserfreie Stunde, um die Stäbe schmilzen zu lassen.

Im Normalbetrieb werden die verbrauchten Brennelemente, die oft aus mehr als 200 Brennstäben bestehen, aus dem Reaktorkern herausgehievt und in das Abklingbecken gestellt, das ebenfalls kontinuierlich gekühlt werden muss. Hier bleiben die Brennelemente einige Jahre, bis ihre Temperatur und ihre Strahlung so weit gesunken sind, dass sie in Castorbehälter verpackt und in das Zwischenlager gebracht werden können, das sich auf dem Gelände eines jeden deutschen Kernkraftwerks befindet. In die Zwischenlager Gorleben und Ahaus werden nur Castorbehälter mit strahlendem Müll aus Wiederaufarbeitungsanlagen in Frankreich und Großbritannien geschafft.

Die Abklingbecken für Brennelemente aus Druckwasserreaktoren befinden sich innerhalb des Containments, die für Brennelemente aus Siedewasserreaktoren außerhalb.

Wenn ein Kernkraftwerk endgültig stillgelegt wird, wird der Kern entladen. Die Brennelemente mit einem Gewicht von manchmal mehr als 100 Tonnen finden zunächst Platz im Abklingbecken. Nach mehr als einem Jahr – die genaue Zeit hängt vom so genannten Abbrand ab, also der Zeit, die sie im Reaktorkern verbracht haben – können diese Brennelemente in Castorbehälter verpackt werden. Beim Kernkraftwerk Stade, das am 14. November 2003 abgeschaltet wurde, dauerte es bis Ende April 2005, bis das letzte Brennelement den Kraftwerksbereich verlassen konnte.

Seitdem wird das Kraftwerk Zug um Zug abgebaut. 2015 soll nichts mehr davon übrig sein, so die Planung des Betreibers E.On, der den Abriss auch selbst organisiert. Wenn es einen Beschluss gibt, einige der Anlagen, die jetzt abgeschaltet werden, oder alle sieben nicht mehr in Betrieb zu nehmen, werden sie frühestens Mitte des nächsten Jahrzehnts abgebaut sein. Wahrscheinlich dauert es deutlich länger, weil so viele Ingenieure und Facharbeiter, die für den so genannten Rückbau nötig sind, gar nicht zu finden sind.  

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