Kopfhörer Knopf im Ohr

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iPod Werbung: Leuchtrosa, Quelle: AP

Die Dellen im Frequenzgang und der verwaschene Sound verleiten viele Nutzer dazu, ihren MP3-Spieler lauter zu stellen als dem Ohr gut tut – es drohen dadurch dauerhafte Hörschäden. Schließlich „bewirken die Einsteckhörer direkt am Trommelfell verglichen mit Außenohr-Kopfhörern eine Verdoppelung der wahrgenommenen Lautstärke“, mahnen Mediziner wie Hasso von Wendel, Leiter der Abteilung Audiologie an der Uniklinik in Köln.

Hier allerdings können hochwertige In-Ohr-Hörer ihre Stärken ausspielen. „Top-Modelle haben einen so sauberen und ausgewogenen Klang, dass der Zuhörer auch bei geringer Lautstärke schon ein optimales Klangerlebnis hat“, sagt „Stereo“-Tester Wienforth. Mit gezieltem Ton-Tuning versuchen die Hersteller inzwischen sogar, den Klang dem Hörempfinden unterschiedlicher Zielgruppen anzupassen, erläutert Gunter Weidemann, Chef der Kopfhö-rersparte beim Heilbronner Audio-Spezialisten Beyerdynamic: „Fans von Rockmusik etwa greifen lieber zu Modellen mit einer leichten Akzentuierung der Bässe, Liebhaber von Klassik eher zu Kopfhörern mit möglichst linearem Frequenzgang.“

Großer Sound aus winzigen Hörern? Das klingt angesichts der Maße erstklassiger Wohnzimmer-Lautsprecher kaum vorstellbar. Schließlich lassen sich deren voluminöse Bass-Membranen, aber auch die Mittel- und Hochtöner beim besten Willen nicht auf Gehörgang-Größe schrumpfen.

„Brauchen wir auch nicht“, klärt Jürgen Schwörer auf, Produkt-Spezialist beim Kopfhörerhersteller Shure. „Um mit In-Ohr-Kopfhörern direkt am Trommelfell tollen Sound zu erzeugen, benötigt es viel weniger Energie, als wenn wir den gleichen Klang durch normale Boxen in einem freien Raum übertragen wollen.“ Das Geheimnis liegt auch in der Bauform der Klangstöpsel. Weil sie fest im Ohr sitzen und den Gehörgang nach außen hin abdichten, entstehe, so Shure-Spezialist Schwörer, „ein geschlossener Schallraum, in dem bereits geringste Schwingungen der Lautsprechermembranen die für tollen Sound nötigen Luftdruckschwankungen erzeugen – ohne Subwoofer oder Kalotten-Hochtöner in der High-End-Box“.

Voraussetzung für solche Klangerlebnisse ist allerdings, dass der Stöpsel das Ohr tatsächlich komplett von der Außenwelt abschließt. Das hält Beats oder Streicher im Ohr, dagegen lästige Nebengeräusche wie den Handy-Gockel auf dem Nebensitz im Zug oder das Düsenrauschen im Jet draußen. Viele Hersteller legen ihren Mini-Boxen daher ein mehr oder minder umfangreiches Sortiment an Kunststoffpfropfen verschiedener Größe bei, die auf die Plastik-Hörkapseln gesteckt werden. Die Form der Dichtungsstücke reicht von pilzförmigen Gummiläppchen bis zu zylindrischen Gebilden aus Weichschaumstoff, die sich der individuellen Ohrform anpassen.

„Die Auswahl der passenden Aufsätze ist für die Klangqualität entscheidend“, sagt Beyerdynamic-Experte Weidemann. „Fürs optimale Klangerlebnis sollte der Schall von In-Ohr-Hörern möglichst direkt aufs Trommelfell treffen. Sitzt der Hörer nicht richtig, gehen selbst bei hochwertigen Modellen plötzlich der Bass verloren oder die Höhen klingen dumpf.“

Nicht minder entscheidend ist die richtige Wahl des Stopfens für den Tragekomfort. Sound-Puristen schwören hier auf individuell angepasste Kopfhörer, ähnlich den Profimodellen, die Sänger und Musiker bei Konzerten tragen. Solche Einzelanfertigungen bieten Produzenten wie der lange vorwiegend im Profigeschäft aktive US-Hersteller UltimateEars oder der bisher vor allem im Hörgerätebau engagierte Hersteller ReSound mit seiner Realsound-Serie an. Auch Beyerdynamic wird im Mai mit der Hörgeräte-Akustik-Kette Kind eine 180 Euro teure, ohrangepasste Variante seines In-Ear-Hörers DTX 50 auf den Markt bringen.

Bei diesen Teilen wird – vergleichbar der Anpassung eines Hörgerätes – zunächst ein Kunststoffab-druck beider Gehörgänge genommen. Damit wird dann ein individueller Kopfhöreraufsatz gefertigt. 180 Euro zahlt der Musikfan für die exklusiven Einzelstücke von Beyerdynamic, knapp 200 Euro verlangt ReSound für seine Modelle mit einem integrierten Lautsprecher.

Auf der Preisskala gibt es viel Spielraum nach oben. Die individuell angepasste Realsound-Premium-Variante mit integriertem Zwei-Wege-Sound kostet knapp 500 Euro. Diese Preisklasse erreicht sonst nur Shures Spitzenmodell SE530. In die Hörer haben die Entwickler sogar drei Wandler und eine Frequenzweiche integriert. Klar jenseits der Grenze zum Profi-Equipment liegt der gut 1200 Euro teure UE 11 Pro, das handgefertigte Drei-Wege-Top-Modell von Ultimate Ears für eine perfekte Wiedergabe über den kompletten Frequenzbereich zwischen 10 und 16.500 Hertz.

Immerhin – das mag Musikliebhaber mit weniger dicker Geldbörse trösten – ordentlichen Klang gibt’s auch schon für deutlich weniger Geld: Bei Vergleichstests in Fachmagazinen schlugen sich die Standardversion des DTX 50 von Beyerdynamik für 60 Euro, der TriPort I-E von Bose (rund 100 Euro) oder der IE7 von Sennheiser (rund 200 Euro) durchaus wacker. Wegen der unterschiedlichen Auslegung der Modelle „führt an intensivem Probehören ohnehin kein Weg vorbei“, rät „Home-Vision“-Tester Isberner. „Nur so lässt sich die fürs individuelle Hörempfinden optimale Klangcharakteristik finden.“

Vorausgesetzt, der MP3-Player liefert hochwertige Signale. Beyerdynamik-Experte Weidemann rät dringend dazu, vor dem Umwandeln der Musik von der CD in MP3-Dateien in einschlägigen Musikprogrammen wie dem Microsoft Mediaplayer oder dem Realplayer am PC eine Audioqualität von 160, besser noch von 192 Kilobit pro Sekunde einzustellen, um die Dynamik der Aufnahmen nicht zu stark zu beschneiden. Auch das Programm iTunes, das Apple für den iPod entwickelt hat und zusammen mit diesem ausliefert, bietet diese Möglichkeit. Weidemann: „Wo ein mieses Signal reingeht, kommt auch beim besten Kopfhörer nur ein mieser Sound raus.“

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