Krebsrisiko Atomkraft Experten bestätigen Kinderkrebsstudie

Das Bundesamt für Strahlenschutz bewertet die jüngste Kinderkrebsstudie als fehlerfrei. Zurückhaltend geben sich die Experten allerdings, wenn es um die Ursachen für das ermittelte höhere Krebsrisiko von Kleinkindern in der Nähe von Atomkraftwerken geht.

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Laut der aktuellen Studie steigt das Krebsrisiko für Kinder mit zunehmende Nähe zu Atomkraftwerken.

BERLIN. Die jüngste Kinderkrebsstudie ist nach Ansicht unabhängiger Experten fehlerfrei. Der Studie zufolge nimmt das Risiko einer Leukämieerkrankung bei Kindern unter fünf Jahren zu, je näher ihr Wohnort an einem Atomkraftwerk liegt. Der Präsident des Bundesamts für Strahlenschutz, Wolfram König, erklärte am Montag in Berlin, die Ursachen seien weiter unbekannt. „Es gibt Hinweise auf Zusammenhänge, aber keine Beweise“, sagte König. Am Sonntag und Montag beriet laut König ein zwölfköpfiges externes Expertengremium über die Studie des Kinderkrebsregisters in Mainz unter Leitung von Professorin Maria Blettner, die das Strahlenschutzamt in Auftrag gegeben hatte. „Die Experten teilen alle wesentlichen Ergebnisse der Studie“, erklärte König. Alle seien sich aber einig, „dass diese Studie zur Kausalität der Erkrankungen keine Aussagen machen kann“. Strahlenschutzfachmann Thomas Jung erklärte, in den bahnbrechenden Studien nach den Atombombenabwürfen von Hiroshima und Nagasaki seien ein- bis fünfjährige Kinder nicht erfasst worden. Daher sei das Wissen über das Leukämierisiko bei Kleinkindern sehr begrenzt. Jung sagte, alle deutschen Kernkraftwerke hätten die Grenzwerte der internationalen Strahlenschutzkommission eingehalten. Amtspräsident König erklärte, die Wirkung der nicht messbaren Niedrigenergiestrahlung sei wissenschaftlich noch nicht erforscht. „Nach Überprüfung durch mein Haus kann ein kausaler Zusammenhang zwischen den erhöhten Leukämie-Erkrankungen und den tatsächlichen radioaktiven Emissionen aus den Reaktoren allein derzeit nicht nachgewiesen werden.“ Es gebe aber auch keine Hinweise auf andere Risikofaktoren. Während die Autoren der Studie eindeutig erklärt hatten, die radioaktive Strahlung scheide als Ursache für die höhere Krebsrate aus, wollte das Expertengremium dies nicht gelten lassen. Die Experten kritisierten darüber hinaus, dass nur die Region bis zu fünf Kilometer um die Standorte der Atomkraftwerke berücksichtigt wurden. Würden 50 Kilometer erfasst, gäbe es im Zeitraum 1980 bis 2003 statt der 29 zusätzlichen Krebsfällen bei Kindern unter fünf Jahren mindestens 121 bis 275 zusätzlichen Neuerkrankungen, heißt es in einer Erklärung des Expertengremiums. Die Grünen beantragten angesichts der neuen Ergebnisse eine aktuelle Stunde im Bundestag zum Thema erhöhtes Krebsrisiko für Kinder in der Nähe von Atomkraftwerken. Die Umweltschützer von Robin Wood forderten, die derzeitigen Strahlenschutz-Grenzwerte müssten auf den Prüfstand. „Offenbar wird die biologische Wirkung vor allem der so genannten Niedrigstrahlung auf Kinder bis heute völlig unterschätzt.“ Grüne, Robin Wood und der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) forderten, die deutschen Atomkraftwerke schneller als geplant vom Netz zu nehmen. Die Studie umfasste laut Bundesamt für Strahlenschutz 1592 an einem Krebs erkrankte Kinder und 4735 nicht erkrankte Kinder mit gleichen Lebensumständen als Kontrolle. Alle waren unter fünf Jahren alt. Untersucht wurden dabei 41 Landkreise in der Umgebung von 16 Standorten der insgesamt 22 Kernkraftwerke in Deutschland.

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