Top oder Flop? Wenn die Experten vom Stuttgarter Mobilfunkmagazin „Connect“ alljährlich im Dezember ihren Netztest publizieren, ist das für die Technikchefs von Deutscher Telekom, Vodafone, Telefónica O2 oder E-Plus immer ein wenig wie der Besuch vom Nikolaus: Wo die Netze schwächeln, setzt es verbale Haue – erst von „Connect“, dann vom Vorstand.
Für die Sieger aber gibt es Süßes, Lob für die Qualität, die sich erfolgreich bewerben lässt: „Deutschlands bestes Netz“ – der renommeeträchtige Titel, den die Deutsche Telekom in diesem Jahr zum dritten Mal in Folge erringt, zählt am Markt. Und doch ist das Urteil über alle Technikdisziplinen, von der Dauer beim Gesprächsaufbau von Telefonaten bis zur Zahl der Ruckler beim mobilen YouTube-Konsum, für viele Kunden weniger wichtig, als es scheint. Das gilt speziell für Geschäftsleute.
Deren Jobs sind heute ohne Handy zwar kaum mehr denkbar. Doch ob Managerin oder Monteur, Sozialarbeiterin oder Servicetechniker, alle haben ganz unterschiedliche Anforderungen ans Funknetz: Bester Klang, höchstes Tempo bei Daten, ein ausgewogener Mix oder ein optimales Preis-Leistungs-Verhältnis – was für den einen zählt, ist für den anderen Nebensache.
Fokus auf Geschäftskunden
Auch in diesem Jahr hat die WirtschaftsWoche daher auf Basis der von „Connect“ zur Verfügung gestellten Daten eine exklusive zweite Analyse erstellt und so die optimalen Business-Netze ermittelt – jeweils ausgerichtet an den Bedürfnissen von vier typischen Geschäftskunden: Denn das im Durchschnitt beste Netz ist nicht für jeden Nutzertyp die beste Wahl. Für manchen passt das Angebot der Konkurrenz besser.
Basis der Bewertung sind 16.000 Testanrufe, 100.000 Web-Seiten-Abrufe und 40.000 Dateiübertragungen via Handy oder Tablet. Die Experten des „Connect“-Messpartners P3 Communications haben die Daten auf Tausenden Kilometern Testfahrten durch die Republik erfasst – von Aachen bis Dresden und von München bis Kiel.
Das sind die Stärken und Schwächen der Mobilfunkanbieter
Stärken-und-Schwächen-Profil der deutschen Netzbetreiber, gemessen in Prozent der optimalen Versorgungsqualität
Telekom: 89%
Vodafone: 60%
O2: 73%
E-Plus: 86%
Quelle: Connect, P3 Communications, eigene Berechnungen
Stärken-und-Schwächen-Profil der deutschen Netzbetreiber, gemessen in Prozent der optimalen Versorgungsqualität
Telekom: 81%
Vodafone: 56%
O2: 59%
E-Plus: 65%
Stärken-und-Schwächen-Profil der deutschen Netzbetreiber, gemessen in Prozent der optimalen Versorgungsqualität
Telekom: 96%
Vodafone: 88%
O2: 81%
E-Plus: 66%
Stärken-und-Schwächen-Profil der deutschen Netzbetreiber, gemessen in Prozent der optimalen Versorgungsqualität
Telekom: 90%
Vodafone: 81%
O2: 41%
E-Plus: 49%
Stärken-und-Schwächen-Profil der deutschen Netzbetreiber, gemessen in Prozent der optimalen Versorgungsqualität
Telekom: 91%
Vodafone: 77%
O2: 70%
E-Plus: 68%
Viele Gigabyte an Messwerten zur Stabilität und Leistungsfähigkeit der Sprach- und Datenverbindungen fließen so in die Stärke-und-Schwäche-Profile der vier deutschen Mobilfunknetze ein. Sie bestimmen die Empfehlungen auf den folgenden Seiten. Und sie fallen für einzelne Business-Bedürfnisse zum Teil ganz anders aus als das in dieser Woche parallel veröffentlichte Universalurteil aus Stuttgart.
Radikaler Wandel
Dabei steckt die Branche mitten im radikalen Wandel. Denn der anhaltende Smartphone-Boom zwingt die Mobilfunker, ihre Netze komplett umzustellen. Die etablierte GSM- und UMTS-Technik stößt angesichts der explosionsartig wachsenden Datenmengen an ihre Grenzen. Telekom, Vodafone und O2 rüsten ihre Sendestationen daher schon mit der neuen ultraschnellen LTE-Technik auf. E-Plus will im kommenden Jahr nachziehen.
Tücken im Turbo
Doch der Umbau hat Tücken: LTE ist zwar in der Lage, immense Datenmengen zu übertragen; teils schneller als viele DSL-Festnetzanschlüsse. Zugleich aber ist der Übertragungsstandard Voice over LTE (VoLTE) für Telefonate über die neue Netztechnik weder etabliert, noch beherrschen die aktuellen Smartphones die Technik.
Bessere Netzabdeckung für Kunden
Und so müssen die Telefone bei Anrufen immer erst den Datenturbo kappen, um dann Sprachverbindungen über die ältere GSM- oder UMTS-Technik aufzubauen. Unerwünschter Nebeneffekt: „Speziell bei Vodafone und O2 geht der LTE-Tempogewinn bei Daten zulasten von Geschwindigkeit und Erfolgsquote beim Aufbau von Sprachverbindungen“, erklärt „Connect“-Cheftester Bernd Theiss die, verglichen mit dem Vorjahr, teils merklich schlechteren Ergebnisse einiger Anbieter.
Wie sich das in den vier Nutzerszenarien bemerkbar macht, welches Netz sich für welchen Mobilfunkbedarf am besten eignet und auch, wie Handyasketen glücklich werden, das lesen Sie auf den folgenden Seiten.
Manager
Wenn Julian Riedlbauer mal den Anschluss verliert, könnte das richtig teuer werden. Denn der 39-Jährige, Partner bei der Investmentbank GP Bullhound, steckt als Experte für Unternehmenszukäufe und -zusammenschlüsse von Technologieunternehmen regelmäßig Stunden in Telefonkonferenzen, um die Gespräche potenzieller Geschäftspartner zu moderieren.
Vielfach vom Handy aus, weil Riedlbauer pro Woche oft mehr Zeit unterwegs als an seinem Berliner Schreibtisch verbringt. „Erstklassige Sprachqualität und ein schneller Verbindungsaufbau“ sind für den M&A-Berater daher Top-Kriterien bei der Wahl des Handynetzes. Für Mobilfunkkunden wie ihn, bei denen das Smartphone zum mobilen Büro mutiert, sind Wartezeiten bei der Anwahl, Abbrüche, Störgeräusche oder Silben, die im Funknetz verloren gehen, schlicht inakzeptabel. „Bei den Gesprächen kommt es auf jedes Wort an“, sagt Riedlbauer, „da ist die zuverlässige Handyverbindung ein absolutes Muss.“
Ein paar Euro mehr oder weniger für den Mobilfunktarif zählen nicht, wenn es um Millionendeals geht. Kunden wie er setzen stattdessen auf modernste Übertragungstechnik und beste Netzabdeckung, auch abseits der Ballungsräume.
Die Stabilität der Internet-Verbindungen ist eher nachrangig. Klar, E-Mails und Anhänge müssen zügig ankommen, aber höchstes Tempo bei Versand oder Download der Nachrichten fällt – im Vergleich mit Verlässlichkeit und Verständlichkeit der Sprachverbindungen – weniger ins Gewicht.
Klarer Sieger dieses Business-Szenarios ist die Deutsche Telekom. Ihr Netz liefert nicht nur in den besser ausgebauten Ballungsräumen Bestwerte, sondern auch auf den Strecken dazwischen, die durch ländliche Regionen führen. Mit 98 Prozent Erfolgsrate beim Verbindungsaufbau, 99,6 Prozent durchgehend akzeptablen Verbindungen und nur 6,3 Sekunden Wartezeit beim Rufaufbau setzen die Bonner Standards. Umso mehr, als die Telekom bereits in Teilen des Netzes die hochwertige HD-Voice-Technik einsetzt, was eine deutlich hörbar bessere Klangqualität ermöglicht.
Netz-Tipp für Manager: Deutsche Telekom
- Zehn Stunden Sprachtelefonie im Monat, Gesprächsverteilung Festnetz/Mobil: 2/3 zu 1/3
- zwei Gigabyte Datenvolumen
- mittlere Datengeschwindigkeit
Kein Netz baut Telefonate in Städten und Umland so schnell und so verlässlich auf wie das der Telekom – und das trotz des potenziell zeitaufwendigen Wechsels von LTE zu GSM/UMTS. Auch fern der Städte auf den Autobahnen ist die Telekom nicht zu schlagen.
Schnelle und verlässliche Anwahl, stabile Verbindungen, das bietet E-Plus in Stadt und Umland für weniger Geld als die Telekom. Auf dem Land wird der Abstand zum Gesamtsieger größer – aber nicht markant.
Auf HD-Voice müssen Kunden von E-Plus zwar verzichten. Doch bei dem in diesem Szenario Zweitplatzierten, der lange unter Qualitätsproblemen litt, zahlen sich nun die massiven Investitionen ins Netz aus. Zwar hat E-Plus als einziger Anbieter noch nicht mit dem LTE-Ausbau begonnen. Doch wer primär telefoniert, und das auch noch bevorzugt in städtischen Gebieten, bekommt sehr gute Sprachverbindungen auch in diesem Netz – und das für weniger Geld.
Selbstständige
Netz-Tipp für Selbstständige: E-Plus
- Vier Stunden Sprachtelefonie, Gesprächsverteilung Festnetz/Mobil: 1/3 zu 2/3
- 500 Megabyte Datenvolumen, niedrige Datengeschwindigkeit
Lange der abgeschlagene letzte unter den vier Netzbetreibern, hat E-Plus deutlich aufgeholt und sich zum attraktivsten Angebot für preissensible Telefonkunden ohne große Ansprüche bei mobilen Internet-Zugriffen gemausert.
Ebenfalls preiswerter als die beiden D-Netze und – dank der teils schon installierten LTE-Infrastruktur – bei Datenübertragungen leistungsstärker, empfiehlt sich O2 für Preisbewusste mit etwas höheren Ansprüchen an mobile Datenübertragungen
Im Grunde genommen könnte Emine Ortac ihr Bürotelefon auch abmelden. Schließlich sei sie „ohnehin fast den ganzen Tag unterwegs“, sagt die vom Gericht bestellte gesetzliche Berufsbetreuerin, die im Düsseldorfer Umland für seelisch Kranke tätig ist.
Nicht nur für ihre Klienten ist die 50-Jährige fast ausschließlich über ihr Mobiltelefon erreichbar. Auch die täglich hohe zweistellige Zahl von Telefonaten mit Behörden, Gerichten, Krankenhäusern, Banken oder Sozialarbeitern erledigt die examinierte Krankenschwester per Handy. „Wenn ich abends ins Büro komme, ist es für Rückrufe eh zu spät“, sagt sie, die am Schreibtisch stattdessen Papierkram und E-Mail-Verkehr erledigt.
Gute Erreichbarkeit, aber zu vertretbaren Preisen, das ist für kostenbewusste Selbstständige wie Emine Ortac das entscheidende Kriterium. Wenn es dafür bei der Anwahl des Gesprächspartners mal etwas länger dauert, dann nehmen sie das im Tausch gegen ein merklich niedrigeres Mobilfunkbudget gern in Kauf. Und auch beim mobilen Zugriff aufs Internet oder dem Austausch von E-Mails spielt Schnelligkeit zumeist eine geringere Rolle. Erst recht, wenn die Masse der Schreibarbeiten ohnehin am Büro-PC anfällt.
Dass der „Connect“-Gesamtsieger Deutsche Telekom beispielsweise Daten mehr als fünf-, der Zweitplatzierte Vodafone immerhin noch knapp dreimal schneller durch den Äther schiebt als der – mangels LTE-Infrastruktur – langsamste Netzbetreiber E-Plus, fällt in diesem Nutzerszenario folglich nicht ins Gewicht. Hier bieten die Düsseldorfer Mobilfunker für Kunden wie Betreuerin Ortac das passende Angebot.
Umso mehr, als E-Plus-Kunden umgekehrt durch sehr kurze Rufaufbauzeiten sogar davon profitieren, dass der potenziell zeitraubende Wechsel der Funktechnik – noch – wegfällt. Das könnte sich durch den LTE-Ausbau ab nächstem Jahr ändern, muss aber nicht. Denn die Netztechniker der Telekom beweisen mit extrem schnellen Verbindungen, dass sich die Umschalt-Gedenksekunden dem Netz auch abtrainieren lassen.
Netzwerker
Manchmal sagt ein Bild eben mehr als alle Worte, um Kunden eine Idee zu vermitteln. Dann ist Michael Herling gefragt, die Vorstellungen zu visualisieren. „Da hilft es, schnell ein Foto oder Video einer Location zu machen und per Handy zu verschicken“, sagt der Grafikdesigner und Videokünstler, der in Brühl bei Köln mit seiner Frau die Agentur für Design und Gestaltung Digitale Frische betreibt.
Netz-Tipp für Netzwerker: Vodafone
- Sechs Stunden Sprachtelefonie
- Gesprächsverteilung Festnetz/Mobil: 3/4 zu 1/4
- drei Gigabyte Datenvolumen mit hoher Geschwindigkeit auch beim Upload
Wer Wert auf hohe Sprachqualität legt und bereit ist, für schnellere Uploads etwas weniger Tempo beim Download (gemessen an den herausragend hohen Geschwindigkeiten der Telekom) in Kauf zu nehmen, der ist bei Vodafone gut aufgehoben, das O2 und E-Plus beim mobilen Internet klar hinter sich lässt.
Deutlich mehr Tempo beim Gesprächsaufbau und speziell beim Laden großer Daten aus dem Netz bietet die Telekom. Einen etwas verlässlicheren Verbindungsaufbau als Vodafone bietet O2, das preisgünstiger, aber bei Daten auch merklich langsamer ist.
Längst dient das Smartphone dabei für den 45-Jährigen als kommunikatives Allzweckwerkzeug. „Ich bin oft unterwegs, bearbeite Mails und lade oder verschicke Präsentationsvideos.“ VimeoPlus-Account und Dropbox-App zum Austausch großer Dateien fordern das Funknetz zusätzlich.
Kein Wunder, dass Herling kürzlich einen Nachschlag aufs Telefon- und Datenvolumen dazugebucht hat. Denn zuletzt hielt das Inklusivvolumen mit dem wachsenden Kommunikationsbedarf nicht mehr mit.
Ob Web-Zugriff oder Telefonkonferenz, das erfordere eine gute Netzleistung – sowohl bei der Gesprächsqualität als auch beim Datenverkehr, sagt der Designer, der auch beim Versand von E-Mails und Dateien Wert auf möglichst hohe Geschwindigkeiten legt. Für Kunden mit einem solchen Nutzerprofil gibt es aktuell keine ernsthafte Alternative zu den beiden großen Netzbetreibern. Wer auf besonders schnelle Uploads angewiesen ist, kommt bei Vodafone etwas besser weg.
Onliner
Netz-Tipp für Onliner: Telekom
- Sprachtelefonie ist hier irrelevant
- sechs Gigabyte Datenvolumen bei höchster Übertragungsgeschwindigkeit
So schnell wie die Telekom funkt im Test kein Anbieter die Daten vom Netz zum Endgerät. Und auch die Erfolgsrate beim Datenabruf ist fast durchweg besser als bei der Konkurrenz.
Außerhalb der Ballungsräume reicht Vodafone bei Download und Verbindungsqualität fast an die Telekom heran. Wer dort unterwegs ist, wird auch in diesem Netz gut versorgt – umso mehr, als Vodafone beim Upload fast durchweg etwas bessere Werte liefert als die Telekom.
„Updates mit neuen Funktionen oder zur Anpassung von Druckern und Multifunktionsgeräten an die IT der Kunden sind unser Tagesgeschäft“, sagt der Büromaschinenexperte aus Meerbusch. „Oft genug sind die Updates viele Megabyte groß.“
Der einfachste Weg aber, die Daten über den Netzzugang der Kunden einzuspielen, ist oft verbaut. „Vielfach kollidiert das mit IT-Sicherheitsvorgaben“, erklärt Sattler, zu dessen Kunden Banken, Sparkassen, Versicherungen und Krankenhäuser gehören. „Die erlauben es Externen nicht, sich ans interne Netz anzudocken.“
Für Geschäftsleute wie Sattler und sein elf Köpfe starkes Team ist der mobile Internet-Zugang daher Pflicht. Und hohe Datengeschwindigkeit ist ebenso wichtig wie Verfügbarkeit in abgelegenen Regionen, wo mancher Kunde seinen Sitz hat. Und während der Techniker zum Telefonieren notfalls noch vor die Tür treten kann, geht beim Update der großen Drucksysteme ohne In-Haus-Funkversorgung gar nichts.
Für solche Nutzerszenarien bietet erneut die Telekom dank des gut ausgebauten LTE-Netzes das beste Angebot. Sie ist je nach Übertragstyp bis zu zwei Mal schneller als Konkurrent Vodafone – und bietet bis zu fünf Mal mehr Tempo als E-Plus.