Medizin Die Babymacher

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wege zum wunschkind

Trotz modernster Technik nisten sich aber noch immer nur knapp 40 Prozent der künstlich erzeugten Embryonen in der Gebärmutter ein. Hans van der Ven schätzt, dass rund 70 Prozent dieser Fehlgeburten genetische Ursachen wie überzählige oder fehlende Chromosomen haben. Van der Ven leitet die Abteilung für Reproduktionsmedizin an der Universitätsklinik Bonn, die mit Düsseldorf zu den beiden größten Fachkliniken in Deutschland zählt.

Der Embryo selbst darf genetisch in Deutschland nicht untersucht werden. Hierzulande steht alles, was an Selektion und Zuchtwahl erinnert, seit dem Nazi-Terror gegen alles „unwerte“ Leben unter besonderer Beobachtung. Für Ärzte wie Jan-Steffen Krüssel, den Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Chef des Kinderwunschzentrums der Universität Düsseldorf, ist es dennoch ein Unding, dass Frauen die Tortur, die Fehlversuche bedeuten, zugemutet wird: „Das ist 60 Jahre her, doch keiner will in Deutschland an dieses Thema ran.“ Auch das neue Gendiagnostik-Gesetz, das vor wenigen Tagen in Kraft getreten ist, ändert daran nichts. Alle Hoffnungen, die Menschen mit Fruchtbarkeitsproblemen daran geknüpft hatten, wurden enttäuscht. Noch immer sind vorgeburtliche Untersuchungen des Embryos außerhalb des Mutterleibs verboten. Der Effekt der Vogel-Strauß-Politik laut Krüssel: „Weit über tausend deutsche Paare reisen jedes Jahr zur Fruchtbarkeitsbehandlung ins Ausland.“ Und es würden ständig mehr.

In Belgien oder Tschechien etwa werden nicht nur Eizellen getestet, sondern auch Embryonen. Große Kliniken und private Institute überprüfen jedes Jahr Tausende Embryonen, so hat beispielsweise der österreichische Reproduktionsmediziner Herbert Zech eine ganze Reihe von Kliniken in Österreich und den Nachbarländern aufgebaut. Hält er bei Paaren, in deren Familie etwa schwere Erbkrankheiten vorkommen, eine genetische Untersuchung wie die sogenannte Prä-Implantationsdiagnostik (PID) für notwendig, kann er seine Patienten auf die eigene Klinik in Tschechien verweisen, die diese Untersuchung machen darf.

Viele Techniken sind in Deutschland verboten

Alle Kliniken im Ausland locken ganz gezielt deutsche Paare mit dieser Technik an und verweisen auf ihre höheren Erfolgsraten. Diese werden international inzwischen nicht mehr in Form von erfolgreichen Schwangerschaften gemessen, sondern den tatsächlich geborenen Kindern, der sogenannten „Baby-Take-Home--Rate“.

Van der Ven kennt diese Zahlen. Skeptisch blickt er aus seinem Zimmer auf dem Bonner Venusberg, in dem sich gerade jede Menge Fachliteratur auf Stuhl, Schreibtisch und Regal türmt. Doch nach einer Weile des Überlegens sagt er: „Die Methode bringt keinen Fortschritt für die Frauen.“ Nach neuesten Untersuchungen schadet die PID dem Embryo sogar, er nistet sich nicht so gut ein und entwickelt sich schlechter.

Der Bonner Mediziner glaubt stattdessen, dass ein Blick durch das Mikroskop mehr aussagt. Damit lässt sich beurteilen, ob der Embryo gleichmäßig geformt ist und im richtigen Tempo wächst. Dieser sogenannte morphologische Test ist in skandinavischen Ländern, Belgien und Österreich längst Routine – in Deutschland ist er jedoch verboten.

Verboten ist hier auch der sogenannte Blastozystentransfer, dem die Wasmers in Österreich ihr Kind verdanken. Normalerweise werden die Embryonen, nachdem im Labor Eizelle und Spermium zusammengeführt wurden, am zweiten Tag nach der Eizellentnahme in die Gebärmutter verpflanzt. Beim Blastozystentransfer, wie er beispielsweise in Österreich praktiziert wird, werden Embryonen so lange in Nährlösungen kultiviert, bis sie etwa am fünften Tag das Stadium erlangen, an dem sie auch natürlicherweise die Gebärmutter erreichen und sich dort einnisten würden.

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