Medizin Die Babymacher

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Eine Mutter mit ihrem drei Quelle: dpa

Wie empfindlich die Technik ist, zeigt eine weitere Beobachtung: Verbleiben die Embryonen zu lange in der Petrischale, nisten sie sich weniger gut in die Gebärmutter ein. „Am besten wäre wohl eine Auswahl am dritten Tag“, sagt van der Ven. Aber die Selektion der Embryonen, die die besten Chancen haben, sich einzunisten, ist in Deutschland verboten.

Mehr wissenschaftliche Klarheit, wann der ideale Zeitpunkt für das Verpflanzen ist, wäre vor allem im Interesse der Frauen nötig: „Ich hoffe darauf, dass man im Ausland wissenschaftlich untersucht, ob der Blastozystentransfer die Chancen auf eine Schwangerschaft wirklich erhöht. Aber bislang hat das leider niemand gemacht“, bedauert van der Ven.

Weil der Blastozystentransfer in Deutschland nicht erlaubt ist, stürzen sich die Ärzte und Forscher auf andere Methoden und feilen umso akribischer daran, dass diese den Patienten wirklich zu einem Kind verhelfen. Dazu gehört auch das sogenannte Assisted Hatching, die Schlüpfhilfe für die Eizelle. Denn die weibliche Eizelle ist von einer festen Schutzhülle umgeben, der Glashaut, die der Biologe Montag schon zu Beginn ihrer Entwicklung untersucht. Direkt nach der Befruchtung teilen sich die Zellen des Embyros innerhalb dieser Hülle. Doch ab etwa dem fünften Tag wird es zu eng für den Embryo, er muss die Hülle verlassen, um sich in der Gebärmutterwand einzunisten. Um ihm das Schlüpfen zu erleichtern, ritzt Montag die Hülle mit einem Laser ganz vorsichtig an. Ritzt er zu wenig, kann der Embryo steckenbleiben, ritzt er zu viel, verlässt der Embryo die Hülle zu früh und würde sich in beiden Fällen nicht einnisten.

Lange war umstritten, ob die Methode wirklich häufiger zu Schwangerschaften führt. Vor wenigen Wochen jedoch hat eine Analyse der Cochrane Collaboration, die die Qualität wissenschaftlicher Arbeiten und damit den Erfolg medizinischer Therapien misst, die Vorteile des Hatchings belegt.

Jetzt gehen Forscher in Brüssel, Kopenhagen und Erlangen noch einen Schritt weiter. Mit den bei krebskranken Frauen erprobten Techniken eröffnen sich neue Chancen: beispielsweise das Einfrieren von Eierstockgewebe. Jede Frau verfügt über rund Hundert Eizellen pro Quadratmillimeter Eierstock. Dieses Fruchtbarkeitsdepot anzuzapfen und damit die biologische Uhr der Frau zu stoppen ist das Ziel von Ärzten und Forschern weltweit.

Dazu wird der Frau in einem weitgehend schmerzfreien Eingriff mit einer dünnen Hohlnadel Eierstockgewebe entnommen. Im Vergleich zur normalerweise üblichen Hormonkur gilt die Methode als verträglicher. Das Ziel: Jahre später wird das Eierstockgewebe aufgetaut, die Eizellen reifen im Labor heran, werden mit Spermien befruchtet und in die Gebärmutter verpflanzt.

Klappt die Methode, hätte das weitreichende Auswirkungen auf Lebens- und Kinderplanung: Eine 25-jährige Frau entscheidet, dass sie noch 10 oder 15 Jahre arbeiten und erst mit 40 Kinder bekommen will. Dann wäre sie aber nicht mehr sehr fruchtbar, also lässt sie mit 25 Jahren ihr Eierstockgewebe einfrieren – damit sie mit 40 schwanger werden kann.

Noch ist das Verfahren eher experimentell. „Zunächst geht es darum, die Technik zu perfektionieren“, zügelt van der Ven die Visionen. Er schätzt, dass es weltweit nur etwa zehn Schwangerschaften gibt, beispielsweise in den USA, Dänemark und Belgien, die aus gefrorenem Eierstockgewebe zustande kamen. Doch die Chance, die biologische Uhr ohne größere gesundheitliche Risiken zu stoppen und die Kinder dann zu zeugen, wenn der richtige Partner da ist und es ins Leben passt, ist verlockend.

Noch einen Schritt weiter gehen Forscher wie Professor Hans Schöler, Direktor am Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. Schöler lässt im Labor aus Nervenstammzellen sogenannte pluripotente Stammzellen entstehen. Diese Alleskönner entwicklen sich zu jedem gewünschten Körpergewebe, auch zu Eizellen und Spermien. „Bei der Maus können wir das schon“, sagt Schöler. Das weist die Richtung in die schöne neue Welt der Fortpflanzungsmedizin.

In Zukunft könnte der Vorgang der Reifung der Keimzellen, die Befruchtung und das Heranwachsen des Embryos komplett im Labor stattfinden. Das Alter der Eltern würde zumindest für den Embryo keine negativen gesundheitlichen Auswirkungen mehr haben. 

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