Medizin Erster echter Erfolg bei AIDS-Impfstoffen

UN-Organisationen und Hersteller melden einen ersten echten Erfolg bei der Entwicklung von Aids-Impfstoffen. Eine Studie mit 16.000 Teilnehmern belegt erstmals, dass ein Impfstoff eine HIV-Infektion bei Erwachsenen verhindern kann.

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Ein an AIDS erkrankter Patient Quelle: AP

Das Aidsvirus ist ein mächtiger, tückischer Gegner. Weit mehr als 25 Millionen Menschen hat es bereits getötet. Einen Impfstoff dagegen gibt es derzeit nicht - die klassischen Methoden der Entwicklung versagen. Denn im Blut entstehen rasch immer wieder neue Varianten des Erregers, die das Immunsystem des Menschen überrennen. Neue Resultate eines weit fortgeschrittenen Impftests in Thailand machen nun aber zumindest Hoffnung, dass Hilfe im Prinzip möglich ist. Von einer Zulassung ist das Präparat indes weit entfernt und ein medizinischer „Durchbruch“ sind die Resultate auch nicht.

„Moderat“, so schätzt der Hersteller Sanofi-Pasteur die Wirkung selbst ein. HIV dringt in Immunzellen ein, vermehrt sich darin und zerstört seinen Wirt dabei. Damit fällt die Steuerzentrale des Immunsystems aus - Bakterien und andere Viren überschwemmen den zunehmend wehrlosen Körper.

Strategie: Organismus kennt das Virus bereits vor einer Infektion

Die Strategie von Aventis-Pasteur: Das Immunsystem soll HIV kennen, lange bevor es zur Infektion kommt. Ein für den menschlichen Körper ungefährliches Vogelvirus wird dafür mit der genetischen Informationen für einige Proteine von HIV beladen. Dieses Gentaxi wird den Probanden gespritzt, und deren Körper produziert daraufhin Teile des Virus, aber nicht den ganzen Erreger. Das Immunsystem erkennt die fremden Bruchstücke und soll seine „Killerzellen“ aktivieren. Diese derart trainierten Zellen, so lautet die Strategie, sollen im Fall der Fälle die tatsächlich von HIV befallenen Zellen des Körpers aufspüren, eliminieren und dem Virus so die Chance zur Vermehrung nehmen. Dieses Viren-System trägt den Namen Alvac.

Die nun getesteten Thailänder erhielten indes noch einen zweiten Wirkstoff, nämlich große Mengen eines gereinigten HIV-Proteins. Diese sogenannte Aidsvax-Komponente soll einen weiteren Zweig des Immunsystems alarmieren. Dies Doppelschlag-Verfahren nennt sich „prime-boost“, ein erster Wirkstoff soll durch den zweiten verstärkt werden.

Rund 16.000 Menschen wurden in den vergangenen Jahren auf diese Weise behandelt. Nach Angaben des Herstellers gab es mit Impfstoff 31,2 Prozent weniger HIV-Infektionen als mit einem Scheinimpfstoff (Placebo). Andere Impfstoffe für andere Krankheiten schützen weitaus besser.

HIV bleibt bedrohlicher Gegner

Tatsächlich gab es vor dem Beginn des Tests warnenden Stimmen: Die Untersuchung habe nur geringe Aussichten auf Erfolg, monierten Forscher von 18 hochrangigen US-Instituten 2004 im Journal „Science“ (Band 393, Nummer 5656). Im schlimmsten Fall würde ein wenig aussichtsreiches Resultat das Vertrauen der Menschen in die Forschung erschüttern, warnten sie. Das Präparat wecke Hoffnungen für die Impfstoffforschung, schreiben nun jedoch die WHO und UNAIDS.

Beide Organisationen haben vielfältige Erfahrungen damit, schlechte Nachrichten über den Erreger zu vermelden. Nun meinen sie, dass ein sicherer und hocheffektiver HIV-Impfstoff Wirklichkeit werden könne - trotz der „mäßigen“ Wirksamkeit von rund 30 Prozent.

Die wissenschaftlichen Details werden erst Ende Oktober vorgestellt.

HIV bleibt aber weiter ein bedrohlicher Gegner, denn wenn es sich vermehrt, baut es ungewöhnlich viele Fehler in seine neue Erbsubstanz ein und wandelt sich damit stark. Ein „Durchbruch“ ließe sich vermelden, wenn die trainierten Immunzellen extrem viele HIV-Varianten erkennen, auch die stark abgewandelten und die von Patientengruppen aus vielen Teilen der Welt. Ein solcher Erfolg zeichnet sich derzeit nicht ab. Viele Wissenschaftler haben sich wieder der Grundlagenforschung zugewandt, um ihren Gegner noch besser kennenzulernen. Der hat auch im Licht der Daten aus Thailand nichts von seinem Schrecken verloren. Derzeit sind etwa 33 Millionen Menschen mit HIV infiziert, jährlich sterben rund zwei Millionen Patienten.

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