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Mobilfunk Vom eigenen Handy ausspioniert

Was wir tun, wo wir einkaufen, wen wir kennen: Über iPhone und Blackberry wollen Unternehmen die letzten Winkel unseres Lebens ausleuchten. Ihr Ziel: die perfekte Werbung – jederzeit und überall. Widerstand ist zwecklos.

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Ein Mann macht mit seinem Quelle: Reuters

Stellen Sie sich vor, Sie radeln durch den Stadtpark. Das Thermometer zeigt 30 Grad. Sie stoppen, ziehen ihr Smartphone aus der Tasche und öffnen eines der Miniprogramme, um nach dem Weg zu schauen. Da erscheint eine kleine Anzeige auf dem Display, Werbung für ein neues Sportgetränk. Daneben ist Ihre Position im örtlichen Stadtplan markiert. Und ein roter Punkt, ganz im Norden des Parks: Hier steht ein Kiosk, an dem es das Getränk zu kaufen gibt.

Was Sie nicht wissen: Sie werden auf Schritt und Tritt überwacht. Ihr Telefon hat per Satellitennavigation seinen Standort bestimmt. Weil Sie schneller unterwegs sind als ein Fußgänger und weil Sie in dem Park lokalisiert werden, schlussfolgert die Software auf einem weit entfernten Server, dass Sie mit dem Fahrrad unterwegs sind. Der Server sucht die Temperaturdaten des Standorts heraus und erkennt: Es ist heiß. Der Nutzer könnte durstig sein.

Noch ist diese zwischen Big Brother und treffsicherem Marketing angesiedelte Szene eine Vision. Doch schon in ein paar Monaten werden immer mehr Handynutzer von solchen Erlebnissen berichten. Denn was lange ein Traum der Werbewirtschaft und ein Albtraum der Datenschützer war, wird Realität: die höchstpersönliche, auf individuelle Interessen- und Bewegungsprofile sowie den Standort angepasste Werbebotschaft auf dem Handy. Die Weichen dafür werden jetzt gestellt.

Goldmine Geotargeting

Diese Positionsdaten sind eine Goldmine. Denn das sogenannte Geotargeting schafft einen streuverlustfreien Zugang zu Zielgruppen. So könnte ein Werbevermarkter wie Google etwa gezielt Reklame für American-Express-Kreditkarten an alle Blackberry-Nutzer schicken, die sich wochentags am Flughafen Tegel aufhalten. Schließlich handelt es sich bei ihnen sehr wahrscheinlich um viel reisende Geschäftsleute, die oft mit Kreditkarte zahlen.

Anderswo sind Handypositionsdaten längst Geschäftsmodell: Der Mobilfunker Vodafone etwa liefert anonymisierte Positionsdaten von Millionen Kunden an den Navi-Hersteller Tom Tom. Der spielt sie in seine Software ein, um genaue Informationen über den Verkehrsfluss liefern zu können. In Estland bestimmten Wissenschaftler durch Handydaten, wie sich ausländische Touristen durchs Land bewegten.

Was alles möglich ist, überraschte vor einigen Monaten sogar Apple selbst. Das US-Analyseunternehmen Flurry hatte einige Entwickler von Handyprogrammen überredet, eine kleine Software in ihre iPhone-Programme zu integrieren. Mithilfe dieser Software entdeckte Flurry im Januar Geräte auf dem Apple-Gelände, die ein noch unveröffentlichtes Betriebssystem nutzten und mutmaßlich Tablet-Rechner waren. Apple wollte das iPad erst Monate später ankündigen, zeigte sich also arg verschnupft über die Enthüllung.

Möglich macht diese neue, allgegenwärtige Analytik ein grundlegender Technologiewandel, der die Art verändert, wie Menschen Mobiltelefone nutzen. Neue, preiswerte Smartphones mit großen Displays im iPhone-Stil machen das Internet mobil. Dank dieser Technik, schnellerer Mobilfunknetze und sinkender Preise für mobile Datenflatrates sind komfortable Online-Zugriffe inzwischen für alle Kunden jederzeit und überall möglich. Laut dem US-Marktforscher IDC wurden allein im ersten Quartal 2010 weltweit 55 Millionen solcher Smartphones verkauft. Die Menschen scheinen die mobilen Spione zu lieben.

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