
Schnell noch am Smartphone die E-Mails gecheckt oder am Auto-Navi ein neues Ziel eingegeben: Der Fahrer schaut auf den Monitor statt auf die Straße, er konzentriert sich eher auf die komplizierten Menüs statt auf die nächste Kreuzung. Die Autobauer preisen ihre Systeme zur Sprachsteuerung, die den Fahrer deutlich weniger ablenken sollen. Doch das ist oft nicht der Fall, wie jetzt eine aktuelle Studie aus den USA zeigt.
Die gemeinnützige AAA Foundation for Traffic Safety und die Universität Utah haben herausgefunden, dass die Aufmerksamkeit des Fahrers bei der Sprachsteuerung von Navi und Radio ebenfalls voll gefordert wird. Das lenkt viele genauso stark vom Verkehrsgeschehen ab, wie ein Telefonat oder das Gespräch mit dem Beifahrer. Die beiden Studienpartner führen die hohe Ablenkung vor allem auf die Komplexität der Systeme und die Fehleranfälligkeit bei der Spracherkennung zurück.
Einen Anruf zu tätigen oder einen anderen Radiosender per Sprachkommando zu wählen, lenkte bei dem „MyLink“-System von Chevrolet am meisten ab. Besser, aber immer noch mit einer stärkeren Ablenkung als bei einem intensiven Gespräch mit dem Beifahrer stuften die Forscher die Systeme „MyFord Touch“ und „UConnect“ von Chrysler ein. Am geringsten war die Ablenkung bei „Entune“ von Toyota, auf Platz zwei folgte „Blue Link“ von Hyundai.
Mercedes als einziger deutscher Hersteller dabei
Als einziges System eines deutschen Premium-Herstellers wurde das „Comand“-System von Mercedes untersucht, das „iDrive“ von BMW und „MMI“ von Audi wurden bei der Studie hingegen nicht berücksichtigt. Mit einer Wertung von 3,1 kommt das „Comand“-System aber auch nur knapp hinter Ford (3,0) auf den vorletzten Platz. Zum Vergleich: Das Toyota-System wurde mit der Bestnote 1,7 bewertet.
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Das Problem der meisten Systeme: Entweder erkannte der Computer die gesprochenen Befehle nicht korrekt oder es musste die richtige Kommandoreihenfolge eingehalten werden, damit das System die Befehle erkennt und auch richtig ausführt. Dies binde die Konzentration der Fahrer und lenke sie stark vom Verkehr ab.
Die AAA (American Automobile Association) und die Universität Utah rufen die Fahrer dazu auf, ablenkende Technologie wenig zu nutzen. Mit dem Empfehlungen aus ihrer Studie sollten die Autobauer die sprachgesteuerten Systeme „einfacher und akkurater“ machen, fordert David Strayer, Professor an der Uni Utah und einer der Studienautoren.
„Wir sind besorgt, dass die Ablenkung mit sprachgesteuerten Systemen eher schlimmer wird, vor allem, wenn sie schwer zu nutzen sind“, sagt Strayer. „Da diese Systeme aber weiter im Auto bleiben werden, müssen wir diese Technologie so sicher wie möglich machen, so dass sie irgendwann nicht mehr ablenkt, als Radio zu hören.“
Allerdings wurde bei Siri nicht die Version Siri Eyes Free beziehungsweise CarPlay probiert. Im Test verwendete der Fahrer nur ein Mikro, während ein Forscher auf dem Rücksitz das Telefon selbst bediente. Im Rahmen der Untersuchung sollte nur der mentale Aufwand gemessen werden und nicht etwa die Ablenkung, wenn der Fahrer zudem auf das Display schaut.





Zumindest in Deutschland haben die Autobauer das Verbesserungspotenzial bei der Sprachsteuerung erkannt. Statt exakter Kommandos in der richtigen Reihenfolge geht etwa BMW in die Natürlichsprachigkeit. „Es reicht etwa ein Satz wie "Navigiere mich nach München zum Petuelring 130" und das Navi übernimmt die Zieleingabe“, sagt Elmar Frickenstein, BMW-Entwickler und Leiter Elektrik/Elektronik und Fahrerlebnisplatz im Gespräch mit der WirtschaftsWoche.
Kürzlich hatte auch der ADAC Sprachsteuerungssysteme in sieben Mittelklasse-Fahrzeugen getestet. Dabei schlossen alle Fahrzeuge zwischen gut und befriedigend ab. Das beste System im Test hatte der Audi A4 Avant mit einer sehr guten Befehlsübersicht und Hilfestellung, guter Erkennungsleistung und gutem Funktionsumfang. Abzüge gab es zum Beispiel beim VW Passat, da hier der Nutzer fast durchgehend jeden Befehl bestätigen muss – was zulasten von Handhabung und Ablenkung geht.
Insgesamt, so folgerte der ADAC, hätten alle Sprachsteuerungssysteme im Test dennoch dazu beitragen, dass Autofahrer weniger abgelenkt werden als durch die händische Bedienung der Zusatzfunktionen. Weiterentwicklungsbedarf gibt es noch bei der Verarbeitung von Dialekten und der Benutzerfreundlichkeit.