Akkus für Elektroautos Deutschland hat das Reichweiten-Rennen verloren

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Jahrzehntelang geschlafen

Die gibt es hierzulande aber nicht. Dabei sollte Deutschland „bis 2020 zum Leitmarkt und Leitanbieter der E-Mobilität“ werden. So steht es im von der Bundesregierung 2009 verabschiedeten „Nationalen Entwicklungsplan Elektromobilität“. Doch den milliardenschweren Weltmarkt für Akkus im E-Auto haben asiatische Hersteller komplett unter sich aufgeteilt; dabei ist die Batterietechnik das Zentrale und Teuerste im E-Auto. Ende 2016 stand Japans Panasonic bei der LIB-Technik mit 38 Prozent vor BYD aus China mit 18 Prozent Marktanteil auf dem Siegertreppchen. Der Dritte, LG Chem aus Südkorea, kam auf elf Prozent.

Panasonic kann die Zellen zudem mit Abstand am schnellsten bauen; es liefert in 88 E-Automodellen diverser Hersteller den Strom – Tendenz steigend. Noch mehr Auftrieb haben die Japaner durch den US-Aufsteiger Tesla erhalten. In dessen Model S stecken über 7100 Panasonic-Zellen. Durch Teslas Gigafactory in Nevada, die seit Januar produziert, wird sich die Kapazität der Japaner in zwei Jahren verfünffachen, auf dann 44 Gigawattstunden (GWh). Die Panasonic-Bänder in der Wüste Nevadas spucken dann jede Sekunde 75 Zellen aus. Laut Marktforscher Benchmark Mineral Intelligence werden derzeit in Asien zudem 15 weitere Gigafactory-ähnliche LIB-Werke für Zellen mit insgesamt 230 GWh errichtet. Das reicht für 3,5 Millionen Elektroautos jährlich.

Und Deutschland forscht. Wie konnten die Asiaten die Autonation nur so abhängen? Die Gewinner – Panasonic, LG und Samsung – sind allesamt keine klassischen Autozulieferer und auch keine Elektrochemiekonzerne. Sie stammen aus der Unterhaltungselektronik – das ist ihr Vorteil: Für die Branche war der Akku schon immer Kern der Entwicklungsarbeit, weil für leichte, tragbare Geräte wie den Walkman und später das Handy kleine, oft wieder aufladbare Akkus benötigt wurden. Amerika und Europa gaben diese Industrie in den Achtzigern weitgehend auf: zu kapitalintensiv, zu Lowtech.

Batterien wie aus dem Walkman

Es war die asiatische Unterhaltungselektronik, die so 1990 die bisher größte Innovation in der Speicherung elektrischer Energie schuf: den LIB-Akku. Gegenüber früheren Batterietypen hat er viele Vorteile: „Nur Lithium-Ionen wandern beim Be- und Entladen von Kathode zur Anode und zurück, es bilden sich keine neuen kristallinen Strukturen, um den Strom zu speichern“, erläutert Alexander Schmidt, Forscher am Karlsruher Institut für Technologie (KIT). Die LIB lasse sich daher sehr oft aufladen, „da an der Struktur der Zellen nichts umgebaut wird“, so Schmidt.

Teslas Ingenieure erkannten das Potenzial der LIB-Technologie für das Auto früh. Sie schlossen eine Partnerschaft mit Panasonic und brachten die ersten mit LIB betriebenen Wagen schon 2008 auf die Straße. Den stolzen deutschen Herstellern erschien die Technik aus Asien da noch viel zu minderwertig, um sie in ihre Autos zu bauen. Lieber spotteten sie über Tesla, unter der Haube der Wunderautos befänden sich nur aneinandergeschweißte Laptop-Batterien. Was stimmt – wenn man die elegante Leistungselektronik und Steuersoftware der Kalifornier unterschlägt. Aber es funktioniert.

Akkukosten fallen dramatisch: Dank besserer Produktionsmethoden und der beginnenden Massenfertigung werden Lithium-Ionen-Akkus immer günstiger. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Es ist diese Arroganz, die den Aufbruch versperrte. VW-, Daimler- und BMW-Ingenieure redeten sich zu lange ein, das E-Auto für den Massenmarkt werde schon nicht so schnell kommen, weil die LIB-Technik zu schlecht sei. Der damalige VW-Chefaufseher Ferdinand Piëch erteilte noch Ende 2010 dem E-Auto eine pauschale Absage: Benziner mit einem Liter Verbrauch würden schneller am Markt sein als ein reichweitenstarkes, erschwingliches Elektroauto; es fehle an der geeigneten Batterie. Zwei Jahre später wiederholte der Patriarch seine Aussage. Diesmal unterschätzte er die Lebensdauer der Batteriezellen: „Ich sehe nicht, dass in absehbarer Zeit Batterien mit ausreichender Haltbarkeit für ein Auto zur Verfügung stehen werden.“

Ähnlich wie der VW-Vordenker äußerten sich die Chefs von Daimler oder BMW – und leisteten sich damit eine fatale Fehleinschätzung nach der anderen. Untersuchungen des AAA, dem US-Pendant zum ADAC, ergaben jüngst, dass bei Tausenden von Teslas nach mehr als 320 000 gefahrenen Kilometern im Schnitt noch über 91 Prozent der Batteriekapazität vorhanden sind. Als für ein E-Auto unbrauchbar gelten Akkus mit weniger als 80 Prozent der ursprünglichen Kapazität. Tesla hat angekündigt, die Lebensdauer bis 2020 zu verdoppeln.

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