Auto Dem Elektroantrieb gehört die Zukunft

Der hohe Ölpreis treibt die Autoindustrie in eine Revolution: Dem Elektroantrieb gehört die Zukunft. Er wird schon in wenigen Jahren Mobilität neu definieren. Und über Zehntausende Jobs entscheiden. Ein Report über den Weg vom polternden Verbrennungsmotor zum Big Bizzzzzzzzzness mit dem summenden Elektromotor.

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Mitsubishi i-EV

Autobatterien als Wahlkampfthema? Es gibt Wichtigeres, möchte man meinen. Doch der republikanische Präsidentschaftskandidat John McCain weiß genau, was er tut, wenn er mitten im US-Präsidentschaftswahlkampf als generöser Förderer eines unsexy erscheinenden Energiespeichers auftritt. McCain will dem Elektroauto zum Durchbruch verhelfen. 300 Millionen Dollar, so ließ McCain am Montag verlauten, will der 71-Jährige demjenigen zahlen, dem es gelingt, eine kleinere, leistungsfähigere und billigere Batterie für den Antrieb von Autos zu entwickeln. McCains Antrieb ist klar: Ein erschwingliches Auto soll es sein, das Mobilität wieder bezahlbar und Amerikas Autofahrer unabhängig vom Öl macht, wenn sie von A nach B wollen.

Damit dürfte der in Umfragen bislang abgeschlagene Präsidentschaftskandidat den Nerv vieler Amerikaner treffen. Denn die an billigen Sprit gewohnten US-Verbraucher verlieren bei Preisen von bis zu 4,60 Dollar je Gallone (umgerechnet 64 Euro-Cent pro Liter) allmählich die Lust am Autofahren. Die US-Autoindustrie erhält die Quittung: Der Absatz der einst so beliebten, spritschluckenden Geländewagen ist in den vergangenen Monaten eingebrochen. Rick Wagoner, Chef des nach Stückzahlen weltgrößten Autokonzerns General Motors (GM), hat bereits die Schließung von Werken angekündigt, die überwiegend schwere Geländewagen und Pick-up-Trucks produzieren. Für GMs Geländewagenmarke Hummer prüft Wagoner „alle Optionen“. Also auch einen Verkauf der Marke.

Entschieden ist hingegen die Serienfertigung des Chevy Volt. Ein Elektroauto, das mit Batteriekraft rund 60 Kilometer weit fahren soll und mit einem kleinen Benzinmotor, der die Batterie zwischendurch wieder auflädt, sogar über 500 Kilometer weit. „Dieses Auto“, sagt der deutsche Ingenieur Frank Weber, der in den USA die Entwicklung des Volt leitet, „genießt im Konzern die höchste Priorität.“

Zu Recht. Denn die Autoindustrie steht vor dem Eintritt in eine neue Zeitrechnung, die von zwei Fakten geprägt sein wird:

Erstens: Das Elektroauto kommt nicht nur schneller als die meisten geglaubt haben. Es wird zugleich dank neuer Technologien auch viel mehr können als noch vor wenigen Jahren möglich schien. Schon in zwei Jahren sollen die ersten Elektroautos von Großserienherstellern auf den Markt rollen, deren Batterien an jeder Steckdose aufgeladen werden können und die obendrein Fahrspaß, Platz, Komfort bieten. Für das Jahr 2020 erwartet Bundesumweltminister Sigmar Gabriel auf deutschen Straßen bereits eine Million Autos mit elektrischem Antrieb. Nach Einschätzung der Experten der Unternehmensberatung Roland Berger könnten die E-Autos im selben Jahr bereits ein Viertel der Neuzulassungen in Europa ausmachen. Zweitens: Die Autoindustrie muss ihre gesamte Wertschöpfungskette überdenken und ihre Kernkompetenzen neu definieren. Die Bedeutung des Verbrennungsmotors und der dazugehörigen Peripherie wie etwa des Getriebes wird Stück für Stück abnehmen und schließlich ganz verschwinden.

Verbrennungsmotor noch für 20 Jahre?

Zwar gibt Daimler-Konzernchef Dieter Zetsche dem Verbrennungsmotor noch mindestens 20 Jahre. Doch in der Autoindustrie sind das gerade einmal drei Produktlebenszyklen. Im Klartext: Noch drei Generationen der Mercedes C-Klasse – dann ist die Zukunft da. „Das künftige Herz der Autos wird die Hochvoltbatterie und die zugehörige Leistungselektronik sein“, sagt Jens Hadler, Leiter Aggregateentwicklung bei Volkswagen.

Die Autokonzerne müssen deshalb neue Kompetenzen aufbauen, zukaufen und Allianzen eingehen, während neue Akteure den Markt betreten. Und nicht nur das: Der Ausgang dieses Wettbewerbs entscheidet weltweit über Hunderttausende Jobs. Nicht alle werden zu retten sein.

Für die Etablierten, das hat man in den Führungsetagen der Konzerne erkannt, ist jetzt die Zeit gekommen, zu handeln. Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber stellt für 2010 neben dem Elektro-Smart auch E-Versionen der aktuellen A- und B-Klasse in Aussicht. „Schon 2015 wird die automobile Welt ganz anders aussehen“, sagt Weber. Bei VW wird hinter verschlossenen Türen an einer serienreifen Elektroversion des neuen Kleinwagens Up!, der schon 2010 startklar sein soll, und an einer Plugin-Hybridversion des Bestsellers Golf mit einem kombinierten Verbrennungs- und Elektromotor gearbeitet, dessen Akku an der Steckdose geladen werden kann. „Die Zukunft gehört dem Elektroauto“ verkündet VW-Konzernchef Martin Winterkorn vor wenigen Tagen in der „Bild“-Zeitung. Opel-Chef Hans Demant kündigt derweil für 2011 einen Opel mit Elektroantrieb an. BMW will in der zweiten Jahreshälfte bekanntgeben, ob der Hersteller ebenfalls ein Elektroauto als Vehikel für die Großstadt baut. Burkhard Göschel, Ex-BMW-Entwicklungsvorstand und heute Chief Technical Officer (CTO) beim kanadischen Zulieferer Magna International, ist überzeugt: „Das Elektroauto hat das Potenzial, das gesamte Geschäftsmodell der Autoindustrie zu verändern.“

Politik macht Druck

Ganz von allein kommt die Erkenntnis indes nicht: Auch die Politik macht immer mehr Druck. Der Oberbürgermeister der Stadt Paris, Bertrand Delanoë, will den Bewohnern der Elf-Millionen-Metropole bereits im kommenden Jahr 4000 Elektroautos günstig in einem Carsharing-System anbieten. In Kalifornien müssen die großen Autobauer ab 2012 mindestens ein Elektroauto im Programm haben. Am Donnerstag startete VW gemeinsam mit dem Bundesumweltministerium einen Flottenversuch mit 20 VW-Golf mit Plugin-Hybridantrieb, die im Stadtverkehr 50 Kilometer rein elektrisch fahren und an der Steckdose aufgeladen werden.

Doch die stille Revolution wird mehr Bereiche erfassen als allein die Autoindustrie – denn wenn Elektromotoren die Zukunft sind, wer wird dann die Oberhand behalten, wenn aus dem flächendeckenden Netz von Tankstellen ein Netz von Batterieauflade- oder Austauschstationen wird– die Mineralölkonzerne, wie gehabt? Oder werden die Elektrotankstellen der Zukunft von den großen Energieversorgern betrieben, gibt es dann die RWE- oder E.On-Tanke? Schon deuten sich Kooperationen zwischen Autoherstellern und Stromversorgern an. So wird der VW-Flottenversuch von E.On als Partner begleitet. Und RWE spricht mit Volkswagen über mögliche Sondertarife für Elektromobile.

Auf ein großes Stück vom Elektro-Kuchen hat es auch Shai Agassi abgesehen. Der Mann kommt eigentlich aus der Softwareindustrie, ist als Vorstandsmitglied des Softwarekonzerns SAP vor einem Jahr ausgeschieden. Vor wenigen Monaten tauchte er wieder auf mit einem Konzept für ein Elektroauto – und Hunderten Millionen Dollar, die er dafür bereits bei Investoren eingesammelt hatte.

Autowelt verkehrt: Einem Branchenfremden gehören die Schlagzeilen. Agassi hat sich von den Mobilfunkanbietern inspirieren lassen und will Autos künftig verschenken – und anschließend an den Stromladungen für die E-Auto-Flotte verdienen. Achtungserfolge sind ihm bereits gelungen. So hat er eine Kooperation mit Renault-Nissan-Chef Carlos Ghosn vereinbart und will gemeinsam mit Ghosn und weiteren Partnern in Israel und Dänemark eine Elektroauto-Flotte und ein Netz von Ladestationen hochziehen. 2009 sollen 500 Autos und mehr als 10.000 Ladestationen im Einsatz sein.

Roboter, so das Szenario, sollen an einigen Stationen sogar im Schnellverfahren leere Akkus tauschen und gegen aufgeladene ersetzen. Was von der Idee einmal übrig bleiben wird und ob sich Agassi noch andere Autohersteller anschließen, steht freilich in den Sternen. „Warum sollte ein Hersteller seinen direkten Kundenkontakt abgeben und einen Mediär einsetzen, wenn er das Geschäft selber in der Hand halten und daran verdienen kann?“, fragt Wolfgang Bernhart. Autoexperte bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Schon jetzt sprechen Daimler, VW und Co. direkt mit den deutschen Energieversorgern, die auch Willens sind, eine geeignete Infrastruktur für Elektroautos hochzuziehen. Magna-Cheftechniker Göschel sieht auch große technische Herausforderungen, die gegen Agassis Batterie-Tauschidee sprechen: „Das Konzept würde eine Normierung des Fahrzeugs bedeuten, alle Autos müssten mehr oder weniger die gleiche Grundstruktur haben – das klappt nie!“

Toyota Prius II

Dennoch ist auch der ehemalige BMW-Technik-Vorstand wie elektrisiert von den Perspektiven, die sich Autoherstellern und Zulieferern eröffnen. Göschel: „Es liegt eine Menge Geschäft auf der Straße.“ Sein eigenes Unternehmen arbeitet mit Hochdruck an der Entwicklung eines Elektroautos. Das dafür nötige Know-how wird zusammengekauft. 2010, spätestens 2011 soll das E-Mobil fertig sein und Autoherstellern in aller Welt komplett oder in Teilen zur Verfügung stehen. Göschel: „Nicht jeder Autohersteller wird es sich leisten können, den elektrischen Antriebsstrang selbst zu entwickeln.“ In Graz soll dafür eine komplett neue Fertigung aufgezogen werden. Genau wie Magna setzt auch Continental darauf, möglichst viel Kompetenz für die neuen Antriebe ins eigene Haus zu holen. „Wir müssen den kompletten elektrischen Antriebsstrang verstehen und liefern können, selbst wenn unsere Kunden aus dem Baukasten nur Teile kaufen“, sagt Technologievorstand Karl-Thomas Neumann.

Sie alle haben erkannt: Das Ende des Erdölzeitalters naht schneller als gedacht. Die Ressourcen an leicht zu förderndem Öl könnten laut Expertenschätzungen schon im nächsten Jahrzehnt erschöpft sein. Und die Vorstellung, den gesamten globalen Verkehr auf Biokraftstoff umzustellen, scheint immer utopischer.

Dabei spricht keineswegs nur der offenkundige Ölschwund für die Elektrifizierung der Autowelt. Seit dem vergangenen Jahr leben weltweit erstmals mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Und obwohl Städte nur etwa zwei Prozent des Festlandes bedecken, sind sie für rund 80 Prozent des globalen Ausstoßes an Treibhausgasen verantwortlich. Besondere Aufmerksamkeit gilt den sogenannten Megacitys, den Metropolen mit mehr als zehn Millionen Einwohnern. Vor allem in Asien wachsen die gigantischen Stadtkomplexe schier unaufhaltsam. Smog ist die häufige Folge. Kein Wunder, wenn sich nach einer aktuellen Studie von Continental fast 75 Prozent der chinesischen Autofahrer vorstellen können, ein Elektroauto zu kaufen.

Die Unternehmensberatung Arthur D. Little zieht in einer aktuellen Studie bereits Parallelen zur ersten Ölkrise Ende der Siebzigerjahre und prognostiziert einen deutlichen Rückgang der Autoverkäufe bis 2012: „Die Städte werden mit ihren Restriktionen das Käuferverhalten in den nächsten Jahren massiv beeinflussen“, sagt Stefan Lippautz, einer der Verfasser der Studie „CO2 2012“.

Schon vor Jahrzehnten stand Siegeszug der Elektroautos an

Dass das Elektroauto hier für Abhilfe sorgen könnte, dämmerte Politikern bereits vor Jahren: Vor gut einem Jahrzehnt schien es schon einmal so, als stünde der Siegeszug des elektrischen Autos kurz bevor. In den USA brachte GM 1996 den EV1 – der Name stand für Electric Vehicle, zu Deutsch Elektrofahrzeug – in einer Kleinserie auf den Markt. GM verkaufte das Auto nicht, sondern verleaste es nur an ausgewählte Kunden, unter ihnen zahlreiche Prominente wie der US-Schauspieler Tom Hanks.

Doch das Projekt scheiterte. Schuld waren am Ende die wenig leistungsfähigen Batterien, aber auch der fehlende Ehrgeiz der Autolobby, die Entwicklung besserer Speicher voranzutreiben. „Man hat an dem Thema geforscht, um bei den amerikanischen Politikern gut auszusehen, aber nicht mit Leib und Seele“, erinnert sich Magna-CTO Göschel. Dazu kam, dass Sprit damals zu billig war, um Strom als Alternative in Betracht zu ziehen. 9,55 Dollar kostete das Fass Rohöl der Nordseesorte Brent noch im Dezember 1998. Heute kann der Ölpreis innerhalb einer Woche um zehn Dollar steigen und verharrt seit Wochen oberhalb von 130 Dollar.

Wolfsburg. Der goldbraune VW Touran, der nahezu lautlos über das VW-Werksgelände surrt, fährt nur mit Batteriekraft – und das ziemlich hurtig. Bei einem Tritt aufs Gas springt die Familienkutsche nach vorn. Ein kleiner Computer auf dem Armaturenbrett zeigt den Energieverbrauch, wie viel Kraft der Elektromotor gerade an die Räder liefert, den Ladestand und die Temperatur der Batterie. 25 Grad steht da neben dem grünen Balken. Auf den kühlen Energiespeicher im Unterboden des Autos sind die VW-Ingenieure besonders stolz. Die Kraft für den E-Motor spendet ein sogenannter Lithium-Ionen-Akku, wie man ihn sonst aus Mobiltelefonen oder Laptops kennt, bloß um ein Vielfaches größer und komplexer. „Die jüngsten Fortschritte bei der Batterietechnik haben uns erst in die Lage versetzt, Autos mit einer entsprechenden Reichweite und Leistungsfähigkeit zu bauen“, sagt Hanno Jelden, Leiter Antriebselektronik bei Volkswagen.

Die Lithium-Ionen-Batterie ist der Wunderspeicher, der das elektrische Autofahren überhaupt in greifbare Nähe rückt – und mit dem Autokonzerne noch sehr wenig Erfahrung haben. Hier lauern viele Probleme: Der Akku darf zum einen auch bei einem Unfall niemals explodieren oder brennen, zum anderen, und das ist noch schwieriger, muss er viel länger halten als seine Handy-Geschwister, mindestens zehn Jahre. Sonst rechnet sich die Technik weder für die Kunden noch für den Hersteller.

Kein Wunder also, dass vor allem Batteriehersteller umworben werden wie nie, weil die Autokonzerne zwar viel von Technik, aber wenig von Chemie verstehen. Und auf die kommt es bei der Batterie ganz wesentlich an. „Jetzt hat die Stunde der Chemiker geschlagen“, sagt Roland-Berger-Berater Bernhart: „Und die sind bei den Autoherstellern noch so gut wie gar nicht vertreten.“ Erst kürzlich tat sich Bosch mit Samsung zusammen, VW kooperiert mit Sanyo. Toyota hat sich bereits vor Jahren bei Panasonic (Batterien) eingekauft und hat auch über die Tochter Denso (Schaltelemente) Zugang zu wichtigen Schlüsseltechnologien. Nur zu gerne, so mutmaßen BMW-Konzerninsider, würden die BMW-Großaktionäre Susanne Klatten und Stefan Quandt die Entscheidung der Familie rückgängig machen, die Mehrheit an dem Batteriehersteller Varta zu verkaufen – das Unternehmen ist heute im Besitz des US-Konzerns Johnson Controls.

Fiat Phylla

Selbst mit Startups und Bastelbuden schließen sich gestandene Konzerne plötzlich zusammen, wie man es eigentlich nur aus den wilden Dotcom-Zeiten kannte. Daimler verhandelt mit dem winzigen amerikanischen Batterieauto-Hersteller Tesla über Batterien für einen Elektro-Smart-Prototyp. Konkurrent Continental erwarb erst kürzlich eine 50-prozentige Beteiligung an dem britischen Unternehmen Zytek, das an der Entwicklung jenes batteriebetriebenen Smart beteiligt war, mit dem Daimler im Londoner Stadtverkehr Erfahrungen für die spätere Serienproduktion sammeln will. Darüber hinaus kaufte sich Conti mit 16 Prozent bei dem japanischen Batteriehersteller Enax ein. „Wir wollen nicht nur bei der Elektronik, sondern auch beim Design der Batteriezellen vorne mitspielen“, sagt Conti-Technologievorstand Neumann: „Das Thema Elektrifizierung des Antriebs wird für uns mittel- bis langfristig ein Milliardengeschäft, da bin ich mir sicher.“ Damit steht er nicht alleine da. Es herrscht eine kreativ-diffuse Mischung aus Verunsicherung und Goldgräberstimmung, in der alle Beteiligten versuchen, ihren Claim abzustecken.

Und die kommen aus den unterschiedlichsten Branchen – hinter Tesla etwa stecken prominente Finanziers wie die Google-Gründer Sergey Brin und Larry Page. In aller Munde ist auch die norwegische Batterieauto-Firma Think, die bereits seit diesem Sommer in Skandinavien einen Kleinwagen mit Elektroantrieb und einer Lithium-Ionen-Batterie im Heck anbietet. Rund 20.000 Euro kostet das Minigefährt, das im Idealfall bis zu 170 Kilometer weit fahren soll. Was wenig klingt, ist nahe an der Wirklichkeit: „In Europa fahren fast drei Viertel der Autofahrer weniger als 40 Kilometer am Tag“, sagt Jan Traenckner, ein auf Elektroautos spezialisierter Unternehmensberater und Investor: „Warum also nicht elektrisch zur Arbeit und zum Einkaufen fahren und für die Urlaubsreise einen Diesel oder ein Hybridauto mieten?“

Wo aber stehen die deutschen Autokonzerne bei den neuen Technologien im Vergleich zu ihren Konkurrenten? Auch, wenn es für eine exakte Einschätzung noch zu früh ist: Ganz vorne sieht Elektroauto-Experte Traenckner die deutschen Hersteller derzeit nicht: „Die asiatische Konkurrenz scheint da im Moment schon ein Stück weiter zu sein.“

So ist etwa der japanische Autobauer Mitsu-bishi mit seiner Tochter GS Yuasa seit Jahren selbst als Batteriehersteller aktiv. Der Hersteller, der sich zeitweise selbst mit Qualitätsproblemen und Absatzschwäche ins Abseits der Autoindustrie manövrierte, könnte durch die Elektro-Revolution also regelrecht aufblühen. Das Konzeptauto i-EV soll bereits 160 Kilometer rein elektrisch fahren und 2010 in Japan in Serie gehen. Erst vor wenigen Wochen haben Mitsubishi und der französische Konkurrent Peugeot eine Kooperation zum Bau eines elektrischen Stadtautos verkündet.

Daimler und BMW dagegen haben noch überhaupt keinen großen Partner, auch wenn Daimler-Entwicklungsvorstand Thomas Weber sich gelassen gibt. Die Münchner Konkurrenten haben zwar eigens ein sogenanntes I-Car Projekt gegründet, das sich auch mit dem Elektroauto beschäftigt. Doch die Indizien sprechen dafür, dass die Bayern sich beeilen müssen, um nicht den Anschluss zu verlieren. Denn während Daimler und Opel über Jahre mit Brennstoffzellenautos experimentiert haben, die ja im Grunde auch nichts anderes als Elektroautos mit einem anderen Energiespeicher sind, und während VW sich mit den sogenannten „Citystromern“ mehrfach an Elektroauto-Kleinserien versucht hat, verfolgte BMW sein Elektroauto-Projekt E1 Anfang der Neunziger wegen der unbefriedigenden Leistung der damals verwendeten Natrium-Schwefel-Batterie nicht weiter.

Mythen rund um das Elektroauto

Die Entscheidung fiel damals mutmaßlich auch, weil eine andere wichtige Frage noch nicht beantwortet werden konnte: Wollen die Autofahrer wirklich elektrisch fahren? Frank Weber, der Mann hinter dem Chevy Volt, ist davon überzeugt: „Das hat nichts mit Nische zu tun. Für 10.000 Autos im Jahr würden wir den Aufwand nicht treiben. Wenn die Leute zum ersten mal ein Elektroauto fahren, werden sie begeistert sein.“

Noch allerdings ranken sich diverse Mythen um die Elektroautos, die der Begeisterung Abbruch tun könnten.

Mythos 1: Es gibt Alternativen zum Elektroantrieb. Stimmt nicht, jedenfalls nicht auf lange Sicht. Der Energieaufwand, um 100 Kilometer weit zu fahren, ist bei keinem Antriebskonzept geringer als bei einem batteriegetriebenen Elektroauto. Dazu kommt: Nur ein Elektroauto mit Batterie oder einer zusätzlichen, sogenannten Brennstoffzelle, die aus Wasserstoff Strom erzeugt, stößt auf der Straße selbst keinerlei schädliche Abgase aus. „Das Thema emissionsfreies Fahren in Innenstädten kommt, daran gibt es keinen Zweifel“, sagt Volkswagens Chef-Aggregateentwickler Hadler: „Ob wir dann alle nur noch rein elektrisch fahren oder ob es speziell für lange Strecken auch andere Konzepte gibt, steht auf einem anderen Blatt.“

Als größte Herausforderung betrachten die Entwickler derzeit noch die Reichweite der rein elektrischen Fahrzeuge. 100 Kilometer wären schon gut, maximal 200 Kilometer im rein elektrischen Betrieb halten die meisten derzeit für ein realistisches Ziel bis zum Jahr 2020. Aufgrund der geringen Energiedichte selbst von Lithium-Ionen-Akkus sind die Batterien entsprechend schwer. Zwischen 150 und 180 Kilo rechnen die Entwickler derzeit. Deshalb wird es noch einige Jahre lang einen Wettlauf unterschiedlichster Antriebssysteme geben. Neben Autos mit immer kleineren, hocheffizienten Verbrennungsmotoren und Elektroautos mit sogenannten Range-Extendern, kleinen Verbrennungsmotoren, die während der Fahrt die Batterie aufladen, können das zum Beispiel auch sogenannte leistungsverzweigte Hybride sein, wie sie derzeit etwa Toyota einsetzt und bei denen E- und Verbrennungsmotor sich die Antriebsarbeit teilen. Vorteil der Technik: Sie ist deutlich leichter und derzeit auch noch billiger als das Batterieauto mit Range-Extender, weil die Batterie nicht so groß sein muss. Mit sinkenden Batteriepreisen könnte sich das freilich ändern.

Mythos 2: Elektroautos sind träge. Das ist falsch. Elektroautos sind potenziell wahre Raketen. Der amerikanische Tüftler Scotty Pollacheck hat ein Elektromotorrad gebaut, das in 0,7 Sekunden auf Tempo 100 beschleunigt, fast viermal so schnell wie ein 1000 PS starker Bugatti Veyron. Der Grund für die überragenden Fahrleistungen ist, dass Elektromotoren schon von der ersten Umdrehung an ihre ganze Kraft aufbringen. Der auf dem Lotus-Sportwagen Elise basierende Tesla-Roadster beschleunigt so in weniger als vier Sekunden auf Tempo 100 – so schnell wie ein Porsche 911 Turbo. „Ich habe eine normale Elise und den Tesla gefahren, und ich würde den Tesla kaufen“, schwärmt Conti-Technologievorstand Neumann. „Damit fahren Sie in einer ganz eigenen Liga.“ Wenn auch zum Preis von 100.000 Dollar.

Mythos 3: Elektroautos sind teuer. Stimmt nur bedingt. Teuer sind die Batterien. Derzeit kostet eine Lithium-Ionen-Batterie bis zu 1000 Euro je Kilowattstunde Leistung. Um einen Kleinwagen 100 Kilometer rein elektrisch zu bewegen, sind etwa 18 bis 20 Kilowattstunden Batteriekapazität erforderlich. Doch der Preis für die Batterien dürfte mit fortschreitender Massenfertigung rasant sinken. Entwickler halten eine Halbierung der Batteriepreise schon binnen zwei Jahren für realistisch. Der Elektromotor selbst ist sogar günstiger als ein vergleichbar starker Verbrennungsmotor. Auch das teure, mehrstufige Getriebe fällt vollständig weg. Elektroauto-Experte Traenckner schätzt den Mehrpreis für Elektrofahrzeuge der ersten Generation gegenüber konventionellen Autos für einen Kleinwagen auf „etwa 5000 bis 6000 Euro“.

Die Gesamtbetrachtung der Betriebskosten lässt die Rechnung ohnehin schon jetzt ganz anders aussehen. Dem Elektroauto genügt für 100 Kilometer Fahrt Strom im Wert von etwa zwei Euro. Auch die Wartungskosten sind niedriger. Beim französischen Hersteller Renault ist man sich sicher, dass Elektroautos in der Gesamtkostenbilanz mehr als nur konkurrenzfähig sind. Die Franzosen wollen gemeinsam mit ihrem japanischen Allianzpartner Nissan das Elektroauto für jedermann, wie der verantwortliche Renault-Manager Serge Yoccoz beteuert.

Mythos 4: Elektroautos haben keine bessere Umweltbilanz als moderne Benziner oder Diesel. Doch, haben sie. Selbst, wenn der Strom künftig ausschließlich in modernen Kohlekraftwerken erzeugt würde, fiele die Bilanz zugunsten des Elektroautos aus. Ideal wären Elektroautos, die ausschließlich mit Ökostrom aus Windkraft oder Solaranlagen betankt werden. Auch die Batterien ziehen die Umweltbilanz nicht runter: Die Entsorgung der modernen Energiespeicher nach etwa zehn Jahren stellt aus Sicht der Experten keine Gefahr für die Umwelt dar. Sie lassen sich „genauso umweltschonend entsorgen wie das restliche Auto“, sagt Manfred Herrmann, bei General Motors Europa zuständig für Energiespeicher.

Mythos 5: Elektroautos erfordern den Wiedereinstieg in die Atomkraft. Nicht zwingend. Aktuelle Szenarien gehen für Deutschland mit derzeit rund 50 Millionen zugelassenen Autos von einem Strom-Mehrbedarf zwischen 6 und 20 Prozent aus, wenn alle Autos elektrisch fahren. Für die ersten Jahre der E-Auto-Einführung jedenfalls dürfte sich die Frage, ob der gesetzlich festgeschriebene Atomausstieg noch einmal gekippt werden muss, definitiv nicht stellen. Im Gegenteil: Elektroautos würden den Stromkonzernen sogar helfen, gerade Ökostrom-Kapazitäten besser zu nutzen.

Der Grund: Derzeit kann beispielsweise an windreichen Tagen ein Großteil des erzeugten Stromes überhaupt nicht genutzt werden, weil die Versorger den überschüssigen Strom nicht speichern können. „Im Stromhandel an der Leipziger Energiebörse gibt es Momente, da fällt der Strompreis kurzfristig auf null“, sagt ein RWE-Sprecher. Sinnvoll wäre es deshalb, ihn preiswert an geparkte Elektroautos abzugeben. „Man bräuchte dafür eine intelligente Infrastruktur, die dem Auto mitteilt, wann der Strom besonders billig ist, und ein geeignetes Abrechnungssystem. Aber damit beschäftigen wir uns“, heißt es bei RWE.

Öffentliche Ladestationen?

In ferner Zukunft könnte das Ganze sogar umgekehrt funktionieren: Wenn die Stromversorger zu Stoßzeiten besonders viel Energie benötigen, könnten sie kleine Mengen Strom aus den geparkten Batterieautos ziehen, die dem Besitzer anschließend gutgeschrieben werden – natürlich nicht so viel, dass die Kiste schließlich liegen bleibt.

So wird die Infrastruktur einer der Prüfsteine sein, an dem sich die Zukunft der E-Mobile entscheidet. Ungelöst ist etwa noch die Frage, wo Elektroautos am besten geladen werden. Die Haushaltssteckdose reicht zwar theoretisch aus, um so ein Auto aufzuladen – aber das dauert einige Stunden. Dazu kommt, dass viele Autos unter der Laterne oder in der Tiefgarage parken und entsprechend gar keinen Zugang zu Strom haben.

Lieb wären den Entwicklern deshalb Stromtankstellen, an denen E-Chauffeure ihre Gefährte aufladen könnten. „Wir würden es begrüßen, wenn es in Zukunft öffentliche Ladestationen gibt“, sagt GM-Entwickler Weber. Sogar das Schnell-Laden der Akkus an entsprechend stark dimensionierten Steckdosen halten Entwickler für machbar.

Was wird aus Arbeitsplätzen

Weitaus drängender noch ist die Frage, was aus den Arbeitsplätzen wird, die heute in der Produktion von Verbrennungsmotoren oder konventionellen Getrieben angesiedelt sind? Allein das VW-Werk Kassel, in dem überwiegend Getriebe gefertigt werden, hat über 15.000 Mitarbeiter. Von geradezu weiser Voraussicht zeugt es da, dass sich besagtes Werk just intern für die künftige Produktion von Elektroantriebskomponenten beworben hat. „Die Hersteller müssen sich dringend überlegen, welches ihre künftigen Kernkompetenzen sind und wo es sinnvoll ist, eigene Forschungs- und Produktionskapazitäten aufzubauen“, sagt Berater Traenckner. Deutsche Autobauer als Batterie- und Elektromotorenhersteller? Laut Traenckner ist das nicht nur möglich, sondern „ziemlich wahrscheinlich“. Dass die Produktion von Elektromotoren und Batterien in Eigenregie die in anderen Bereichen wegfallenden Jobs vollständig kompensieren kann, glaubt er allerdings nicht. „Ein elektrischer Antriebsstrang ist prinzipiell weniger komplex in der Fertigung und dürfte langfristig weniger Arbeitskräfte erfordern als ein konventioneller.“ Massiv ansteigen dürfte allerdings die Nachfrage nach Elektro-Ingenieuren.

Kurioserweise müssen die Konzerne sich auch noch über eine an sich sehr positive Eigenschaft der E-Autos Gedanken machen, damit die neue Technik nicht mehr Opfer, wenn nicht gar Menschenleben fordert: Die Stromer sind flüsterleise. Was für stressgeplagte Großstädter nach Verheißung klingt, hat für manche Verkehrsteilnehmer gefährliche Folgen: Radfahrer, Blinde und alte Menschen, aber auch Kinder sind durch die praktisch lautlosen Autos gefährdet. „Die Frage, wie ein Elektroauto klingen sollte, ist ein Riesenthema, mit dem wir uns beschäftigen“, heißt es bei VW. Denn ein surrender Elektromotor ist auch bei Weitem nicht so sexy wie ein bollernder Achtzylinder-Benziner.

Vielleicht sollten sich die VW-Entwickler einmal die kleine US-Autoschmiede Fisker anschauen. Die arbeitet ebenfalls an einem Hybridauto und hat eine einfache Lösung parat. Lautsprecher im Innern und außen am Fahrzeug verbreiten während der Fahrt ein Geräusch, das an eine Jet-Turbine erinnern soll. Möglicherweise lauert da sogar schon die nächste Geschäftsidee: Motorsounds zum Download.

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