Auto-Industrie Chinas Benzindurst ist bald nicht mehr zu stillen

Mit steigendem Motorisierungsgrad ist die Volksrepublik auf E-Mobilität angewiesen. Dafür werden derzeit verschiedene Konzepte entwickelt, bei denen auch deutsche Hersteller kräftig mitmischen.

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Denza Quelle: dpa

Ashvin Chotai hat richtig daran getan, eine halbe Stunde früher einzutreffen. „Ich wollte einen guten Platz haben“, sagt der Geschäftsführende Direktor der Londoner Unternehmensberatung „Intelligence Automotive Asia“. Kurze Zeit später sind am futuristischen Messestand der neuen Elektroautomarke Denza alle Stühle besetzt, in mehreren Reihen drängeln sich hinter ihm die Zuschauer. Auch Daimler-Chef Dieter Zetsche sitzt in der ersten Reihe, die Stuttgarter Autobauer haben gemeinsam mit dem chinesischen Auto- und Batteriehersteller BYD („Build Your Dreams“) das neue Konzeptauto von Denza entwickelt. „Dies ist der erste ernst zu nehmende E-Launch in China“, erklärt Ashvin Chotai den großen Zuspruch, „dieses Auto gibt eine Richtung vor.“

Diese Autos sollen die Chinesen begeistern
So ist es auch kein Wunder, dass die Volkswagen-Konzern bzw. Audi-Tochter Lamborghini ausgerechnet Peking wählt, um erstmals ein Concept Cars ihres neuen Luxus-SUV vorzustellen, das Urus heißt, benannt nach einer spanischen. Kampfstierrasse ... Quelle: dpa
Lamborghini-Chef Stefan Winkelmann mit dem Urus Concept SUV. Bis zu 3.000 Fahrzeuge jährlich könnten produziert werden, heißt es. Unter der Motorhaube kommt ein Zwölfzylinder zum Einsatz, der den Viertürer mit der coupeartigen Dachlinie mit 600 Pferdestärken antreibt. Ob es bis zur Serienfertigung bei den kleinsten Außenspiegeln der Welt bleibt, darf allerdings bezweifelt werden ... Quelle: dpa
Medienansturm auf den Lambirghini Urus am ersten Pressetag der Messe Auto China. Quelle: dpa
Lamborghini Urus Concept SUV: Die Automesse in Peking begann mit einer Rekordausstellungsfläche, 990 Autos sind 220.000 Quadratmetern zu sehen, von den Herstellern wurden 120 Modell-Weltpremieren angekündigt. China gilt als äußerst wichtiger Wachstumsmarkt für die Autohersteller der Welt. Allerdings haben sich die Zuwachsraten beim Absatz deutlich verlangsamt, seit die Regierung Förderprogamme für den Autokauf zusammenstrich. Zudem haben einige Metropolen strenge Fahrauflagen erlassen, um der Umweltverschmutzung und den ständig wachsenden Staus auf den Straßen Herr zu werden. Die „Auto China“ findet abwechselnd in Peking und Shanghai statt. 2010 waren in der Hauptstadt 785.000 Menschen zu der Messe gekommen. Quelle: dpa
Kurz vor dem Publikumsansturm: Letzte Aufräumarbeiten auf dem Volkswagen-Stand. Noch immer sind mehr als drei Viertel der chinesischen Autokunden Erstkäufer. Rund 100 Millionen Pkw waren zuletzt in dem Riesenreich mit rund 1,4 Milliarden Menschen registriert. Zum Vergleich: In Deutschland kommen auf fast 82 Millionen Bürger knapp 43 Millionen Autos. So niedrig wie heute in China war die Pkw-Dichte in der Bundesrepublik in den 1950er Jahren. Die damalige Situation in Deutschland ähnelt in manchen Punkten der heutigen in China: Der Wohlstand wächst quer durch die Bevölkerung rasant. Und der Hunger nach Mobilität sowie nach technisch hochwertigen und optisch ansprechenden Besitztümern ist schier unersättlich. Quelle: dpa
Wenn es um Luxus-SUV und China geht, darf Maserati natürlich nicht fehlen. Die Nobeltochter des italienischen Fiat-Konzerns hatte mit der Ankündigung des Kubang zunächst überrascht, weil sie bislang ausschließlich flache Sportwagen baut. Aber seit dem Riesenerfolg des Porsche Cayenne suchen eben alle nach ähnlichen Modellen, um sportliches Markenimage auf neue Produkte zu übertragen. Der Neue wurde vom Maserati Style Center entworfen und ist auf den ersten Blick als ein Werk der Italiener zu erkennen. Das liegt vor allem an dem typischen Kühlergrill mit den Längslamellen und dem großen Dreizack in der Mitte. Die restliche Karosserie ist eine Mischung aus SUV und Coupé mit mächtiger Front und vehement nach hinten abfallender Dachlinie ... Quelle: dpa
Viele Details verrät der italienische Hersteller mit dem Dreizack im Logo jedoch noch nicht über seinen neuen Viertürer. Lediglich, dass die Gänge über eine Achtstufenautomatik gewechselt werden, die exklusiv für den Kubang in Modena entwickelt wurde. Aus Sicht von Traditionalisten wird der Kubang nicht Maseratis einziger Stilbruch beiben: Auch Dieselmotoren wurden bereits angekündigt ... Quelle: dpa

Zumindest auf der „Auto China 2012“ in Peking ist das Interesse an der Elektromobilität noch nicht abgeklungen. Fast jeder Aussteller bietet ein Modell mit alternativem Antrieb an, sei es mit Hybrid-, Plug-In-Hybridantrieb oder mit Elektromotor. Über das erste in China entwickelte Elektrokonzeptauto von Denza gehen die Meinungen auseinander. Ein Autoexperte findet, dass es zumindest technisch kein neues Kapitel aufschlage. Ashvin Chotai gefällt das futuristische Design des blauen Mittelklassewagens. Und Daimler-Chef Dieter Zetsche sieht das, naturgemäß, am positivsten: „Die Zukunft von China ist ohne Elektromobilität nicht denkbar – und das hier ist die Speerspitze dafür.“

Ausbleibende Begeisterung

Doch die Zukunft lässt noch ein bisschen auf sich warten. Eigentlich wollte China schon viel weiter sein, was die Elektromobilität betrifft. Das Land solle zum Zentrum für die Fertigung von Elektroautos werden, hatte die Regierung vor drei Jahren verkündet. Doch zuletzt ist China in einem von der Unternehmensberatung McKinsey veröffentlichten Ranking, das die Bereitschaft eines Landes für E-Mobilität misst, von Platz drei auf Rang fünf zurückgefallen. Die Automobilhersteller sollten 2011 in China eine halbe Million Elektroautos produziert haben, hatte die chinesische Regierung gefordert. Tatsächlich waren es laut einer aktuellen McKinsey-Studie nur 6000 Stück – und die ließen sich nur schwer verkaufen.

Eines der größten Probleme sind neben den hohen Preisen die Ladestationen. Im Jahr 2015 soll es nach Plänen der chinesischen Regierung 400 000 Stationen geben. Tatsächlich existieren im riesigen Reich der Mitte bislang nur 16 000. Am schlimmsten bekam Denza-Miteigentümer BYD die ausbleibende Begeisterung der Chinesen für Elektrofahrzeuge zu spüren. Sein „E6“ geriet zum Flop, bisher sind nur einige hundert Exemplare als Taxen in der BYD-Heimatstadt Shenzhen unterwegs.

Regulierung fördert Elektromobilität

Fahrräder auf dem Pekinger Tian'anmen-Platz Quelle: AP

„Der Hype der Regierung um die Elektromobilität hat sich ein bisschen gelegt“, stellt auch Porsches Chinachef Helmut Bröker fest. Trotzdem wird auch der schwäbische Sportwagenhersteller in den nächsten Jahren mit dem Porsche 918 Plug-in Hybrid auf den chinesischen Markt gehen. Denn die Fakten sprechen für alternative Antriebsarten. Würde China (58 Autos pro 1000 Einwohner) im Jahr 2020 die gleiche Quote wie die USA (840 Autos pro 1000 Einwohner) auf die Straßen bringen wollen, dann würde China mehr Öl benötigen als weltweit produziert wird. „Das ist nicht der richtige Weg, da müssen neue Konzepte her“, sagt Helmut Bröker. Die immense Luftverschmutzung in den chinesischen Großstädten wie Peking und Schanghai spricht ebenfalls für die Förderung von alternativen Fortbewegungsmitteln mit geringerem CO2-Ausstoß.

Die chinesische Regierung gibt Käufern von Elektroautos großzügige Zuschüsse. Wer im Jahr 2013 den neuen Denza kauft, dürfte in den Genuss von Zuschüssen in Höhe von mehr als einem Viertel des Kaufpreises kommen. Dieser wird allerdings nach Spekulationen chinesischer Medien mit 48 000 Euro weiterhin hoch ausfallen. Auch soll die chinesische Regierung ausländische Automobilkonzerne indirekt dazu zwingen, ein Elektroauto und eine eigene chinesische Marke auf den Markt zu bringen. Sonst drohen Probleme bei der Genehmigung neuer Fabriken. Daimler und VW lösen das Problem, indem die jeweils neue Marke als erstes ein Elektroauto auf den Markt bringt.

Tendenz zur E-Mobilität

Dass die Regularien der chinesischen Regierung die Elektromobilität vorantreiben können, zeigt das Beispiel der Elektrofahrräder und Elektroroller. Weil in den 90 größten chinesischen Städten Mopeds und Motorräder nur eingeschränkt benutzt werden dürfen, haben sich die Elektrofahrräder und vor allem E-Roller schnell durchgesetzt. Inzwischen gibt es in China 140 Millionen E-Mobilitätsnutzer auf zwei Rädern, die mit einer Batterieladung bis zu 60 Kilometer weit fahren können.

Dieses Beispiel zeige, dass die Elektroautos trotz der aktuellen Schwierigkeiten eine gute Chance haben, in China ins Rollen zu kommen, findet Ashvin Chotai. „Die Gesellschaft hier ist für Neuerungen offener als die westliche“, sagt der Unternehmensberater, „wenn es einmal losgeht, dann wird es eine schnelle Entwicklung geben.“

Die wachsende Tendenz in China zur E-Mobilität dürfte Umweltschützer trotzdem nicht zufrieden stellen. Denn die Fahrzeuge stoßen zwar kein CO2 aus, sind aber dennoch nur so umweltfreundlich wie der Strom, mit dem sie gespeist werden. Dieser wird in China zu 70 Prozent in Kohlekraftwerken produziert. Die ihrerseits CO2 in die Luft pusten. Und bis zum Jahr 2020, das sagt der aktuelle Fünfjahresplan, soll sich an diesem umweltunfreundlichen Anteil im chinesischen Energiemix auch nicht viel ändern.

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