Mobi sieht aus wie ein Eiswagen. Klein, weiß, kantig. Tatsächlich liefert er keine süßen Erfrischungen, sondern Energie satt: Er ist eine Ladestation auf Rädern für Elektroautos, entwickelt vom US-Start-up FreeWire. Der Kunde ordert den Mobi per App, ein Mitarbeiter rollt ihn heran und lädt dessen Wagen wo immer erforderlich, etwa auf dem Parkplatz vor dem Einkaufcenter oder Büro. Das Besondere: Mobi steckt voller gebrauchter Batterien aus Elektroautos. Was eine clevere Idee ist.
Denn die Speicher verlieren im Alltag laufend an Kapazität, damit schrumpft die eh schon knappe Reichweite – in drei Jahren um ein Sechstel, wie der österreichische Automobilclub ÖAMTC ermittelt hat. Doch schwächelnde Lithium-Ionen-Akkus im Rahmen des Leasingvertrages oder der Garantie zu tauschen und dann zu verschrotten ist Verschwendung. Auch weil sich noch immer nicht alle verbauten Materialien wiederaufbereiten lassen, vor allem nicht energieneutral. Dann doch lieber die verbleibende Speicherkraft für ein zweites Leben nutzen.
Mit welchen Hindernissen Elektroautos kämpfen
Noch sind die reinen E-Autos deutlich teurer als ihre Benzin-Pendants. Ein Beispiel: Der E-Golf von Volkswagen ist ab 35 000 Euro zu haben. Ein Golf mit vergleichbarer Ausstattung kostet nur 24 150 Euro. Doch das könnte sich ändern. Laut Berechnungen des Ingenieurbüros P3 sind Elektrofahrzeuge ab dem Jahr 2018 beim Preis wettbewerbsfähig, wenn nicht sogar im Vorteil. Dabei werden neue Batterien zu Grunde gelegt, die einen höheren Nickelanteil vorweisen.
Die Batterietechnologie, die für den Preis verantwortlich ist, ist auch der Grund für einen weiteren Knackpunkt: Für den E-Golf gibt Volkswagen eine Reichweite zwischen 130 und 190 Kilometern an. Für eine Fahrt in den Urlaub dürfte das kaum reichen, zumal die Zahl der Ladepunkte in Deutschland im Vergleich zu den herkömmlichen Tankstellen noch klein ist. Auch das dürfte sich aber mit der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ändern.
Vor allem auf dem Land kann die geringe Reichweite zum Problem werden. Deutschland liegt laut der Nationalen Plattform Elektromobilität mit 4800 Ladepunkten an 2400 Standorten im internationalen Mittelfeld. Nach dem Willen der EU Kommission sollen bis 2020 in Deutschland 150 000 öffentlich zugängliche Ladestationen entstehen. Zum Vergleich: Laut ADAC lag die Zahl der herkömmlichen Tankstellen 2013 bei 14 328.
Smart-Chefin Annette Winkler spricht sich schon lange offen für eine Förderung von E-Autos aus. Das müssen nicht unbedingt finanzielle Anreize sein: Der Bundestag erlaubte jüngst Städten und Gemeinden, kostenlose Parkplätze für E-Autos zu reservieren und ihnen die Nutzung von Busspuren zu erlauben. Ob das ausreicht, zweifelt unter anderem VDA-Präsident Matthias Wissmann an. Er fordert finanzielle Impulse - wie zum Beispiel Sonderabschreibungsregeln für Firmenwagen. In anderen Ländern wie den USA, China oder Frankreich bekommen Käufer Cash vom Staat beim Kauf eines E-Autos.
Nach Zahlen des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) rollten Ende 2014 knapp 19 000 reine E-Autos auf deutschen Straßen. Die Zahl der sogenannten Plug-In-Hybride, die die Bundesregierung zu den E-Autos zählt und die sowohl an der klassischen Tankstelle als auch an der Steckdose betankt werden, lag bei 108 000. Insgesamt waren 44,4 Millionen Pkw in Deutschland unterwegs. Das Ziel der Bundesregierung von einer Million elektrisch betriebenen E-Autos bis 2020 liegt damit noch in weiter Ferne. An der Auswahl kann es nicht liegen: Im vergangenen Jahr kamen laut Verband der Automobilindustrie (VDA) 17 neue Serienmodelle mit Elektroantrieb auf den Markt. 2015 sollen noch einmal zwölf weitere hinzukommen. Selbst der elektroskeptische Porsche-Chef plant offenbar mit einem E-Auto: Zuletzt schloss Müller nicht mehr aus, dass das bis Ende des Jahrzehnts geplante nächste Porsche-Modell rein elektrisch betrieben wird.
Daher haben wie FreeWire auch Recycler und Autohersteller Lösungen entwickelt, um die Altakkus weiterzuverwenden, etwa als Zwischenspeicher für überschüssigen Sonnen- und Windstrom in Eigenheimen, Firmengebäuden oder speziellen Großanlagen. Das ist weitsichtig, denn die Zahl der E-Autos wächst in Deutschland – von 2300 im Jahr 2011 auf heute 20.000. Weltweit sind es mittlerweile 740.000. Nicht zu vergessen: Europaweit kaufen Radler jährlich geschätzt eine Million Elektrofahrräder. Auch deren Akkus wollen irgendwann weiter genutzt werden.
Eines der pfiffigsten Konzepte ist sicher der mobile Stromspender Mobi. Mit seinen 48 Kilowattstunden Kapazität kann er etwa acht Autos am Tag teilladen und soll fünf jahrelang halten. Da FreeWire die Altakkus günstig bekommt, sollte sich das Geschäft schnell lohnen. Derzeit zahlt das Start-up nach eigenen Angaben für Batterien von Nissans Leaf-Modellen rund ein Sechstel des Neupreises, etwa 95 Euro pro Kilowattstunde. Solch mobile Speicher können auch den Mangel an festen Ladestationen für E-Mobile in vielen Ländern ausgleichen. Marketingchef Jawann Swislow will nicht weniger, als mit dem Mobi „die Abhängigkeit der USA vom Öl beenden“ helfen.
Gebraucht-Speicher-Batterie
Für den stationären Einsatz im Eigenheim hat wiederum die deutsche ReeVolt aus Schwerin einen Speicher entwickelt – und zwar mit Altakkus aus Elektrorädern. 16 von ihnen halten zusammen immerhin fünf Kilowattstunden vor, ein sparsamer Haushalt kommt damit einen Tag lang aus. Das System speichert etwa gerade nicht genutzten Solarstrom vom Dach für die Nacht.
Dieselbe Idee, aber gleich drei Nummern größer, verfolgt Daimler mit Akkus aus dem Elektro-Smart. Gemeinsam mit Partnern baut der Konzern im westfälischen Lünen den größten Gebraucht-Batterie-Speicher der Welt. Mit seinen 13 Megawattstunden Kapazität soll er ab Anfang 2016 Leistungsschwankungen im Energienetz ausgleichen. Die treten immer häufiger auf, weil sich die Produktion von Wind- und Sonnenstrom nur schwer planen lässt. Daher bezahlen die Netzbetreiber gutes Geld für Regelenergie, mit der sie die Stromversorgung stabilisieren.
Auch andere Autohersteller arbeiten an Vergleichbarem: Nissan will etwa alte Batterien als Speicher für Firmengebäude einsetzen. Mitsubishi startet ein ähnliches Projekt in Paris, BMW hat gemeinsam mit Vattenfall und Bosch zwei Batteriespeicher in der Hamburger Hafencity aufgestellt.
Die Ideen erschienen auf den ersten Blick „natürlich attraktiv“, sagt Dirk Uwe Sauer, Professor für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik an der RWTH Aachen. Doch Altbatterien ließen sich nicht überall einsetzen. Wie lange ein Akku noch durchhalte, sei schwer vorherzusagen – ein Glücksspiel für Käufer. Auch wisse niemand, wie sicher die Altspeicher seien. Doch genau das wollen die Anbieter in ihren Projekten herausfinden.
Immerhin haben Forscher vom US-National Renewable Energy Laboratory ermittelt, dass Akkus nach ihrem Ausbau aus Leasingautos noch zehn Jahre funktionieren können. Vielleicht ist es dann sogar zu früh, sie anderweitig einzusetzen – stattdessen könnten sie weiter in Fahrzeugen werkeln. Etwa in Autos, deren Besitzer „eine Ersatzbatterie brauchen, aber nicht mehr in eine neue investieren möchten“, schlägt Sauer vor. Die Idee: Wer nur 30 Kilometer am Tag fährt, ist mit einem preiswerten Akkus, der noch 60 Kilometer schafft, gut bedient.