Blick ins Archiv: Hajeks High Voltage #1

Nachgerechnet: Wann Elektroautos sauberer sind als Verbrenner

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Ab wann genau hilft das E-Auto dem Klima?

Im Durchschnitt aller E-Autos liegt der Energieverbrauch bei (am Zähler gemessenen) 16,3 Kilowattstunden (KWh) pro 100 Kilometer. Erfasst haben die Datensammler von Spritmonitor bisher 1039 E-Autos. Der empirisch ermittelte, reale Durchschnittsverbrauch aller Diesel liegt bei 6,36 Litern je 100 Kilometer, der aller Benziner bei 7,88 [3]. 

Wie viel ist das in CO2? Beim Verbrennen eines Liters Diesel entstehen 2,6 Kilo CO2; bei Benzin sind es 2,37 Kilo [4]. Beim deutschen Durchschnittsstrom sind es aktuell etwa 0,465 Kilogramm pro KWh. Noch vor 30 Jahren war dieser Wert übrigens fast doppelt so hoch. Das liegt am Ausbau der Erneuerbaren. Zwar wird in Deutschland immer zum Teil noch Strom aus Braun- und Steinkohle gewonnen, doch der Anteil der Erneuerbaren, wie Wind, Biogas und Solar, lag im ersten Halbjahr 2019 bereits bei 47,5 Prozent [1]. Der Durchschnittsstrom ist also „grüner“ geworden. Somit ergeben sich an CO2-Emissionen beim Fahren von jeweils100 Kilometern:

Diesel: 6,36 * 2,65 = 16,9 Kilogramm
Benziner: 7,88 * 2,37 = 18,7 Kilogramm
E-Auto: 16,31 * 0,47 = 7,6 Kilogramm.

Elf Tonnen weniger CO2 in fünf Jahren

Wer also seinen Benziner gegen ein E-Auto austauscht und damit 20.000 Kilometer pro Jahr zurücklegt, spart in fünf Jahren 11,1 Tonnen CO2 ein - auch, wenn es nur mit dem deutschen Durchschnittsstrom und nicht etwa mit Ökostrom geladen wird.  Das ist eine Menge: pro Jahr verursachen wir insgesamt rund 9,5 Tonnen pro Kopf – das beinhaltet Essen, Kleidung, Heizen, Haushaltsgeräte, Licht, Mobilität und Konsum. Ein Flug München – Los Angeles schlägt hin und zurück mit 3,2 Tonnen zu Buche [5].

Dabei sind die Gesamtemissionen bei Benziner und Diesel hier noch geschönt.

Denn für Ölförderung, Raffinade und Transport auf Tankern, in Pipelines und Lkws wurden 44 kWh Energie für unsere 6,4 Liter Diesel verbraucht [6]. In anderen Worten: Mit dieser Energie wäre ein E-Auto bereits 250 Kilometer gefahren, ehe der Diesel-Kraftstoff auch nur den Tank erreicht.

Übrigens: Auch Befürworter der Elektromobilität, wie Greenpeace oder Scientists for Future behaupten gerne, nur kleine E-Autos seien ein Beitrag zum Klimaschutz, große weniger. [7, 8] Auch das ist so pauschal nicht ganz korrekt. Die Effizienz des Antriebsstrangs (grob bestehend aus: Batterie, Leistungselektronik, Software zum Leistungs- und Lademanagement, Getriebe und Motor) ist viel relevanter für den Verbrauch als schiere Größe und Gewicht des Autos. Dabei gibt es enorme Effizienzunterschiede: Manche großen E-Autos, wie der Jaguar iPace, verbrauchen tatsächlich viel Strom. Andere, wie der genau so große Tesla Model S, bis zu 45 Prozent weniger. Und kleine Autos sind nicht per se sparsamer, wie die Kleinwagen E.Go Life oder der VW eUp beweisen [3, 9]. Beide verbrauchen mehr Strom als ein Tesla Model 3, das gut doppelt so groß und schwer ist.

Die Herstellung des Autos: Wie groß ist der Rucksack?

Unbestritten ist auch: Beim Bau von Elektroautos wird mehr CO2 freigesetzt als bei der Herstellung eines etwa gleich großen Verbrenners. Bei der Produktion eines Benziners oder Diesels in der Massenfertigung fallen (inklusive Vorprodukte und Zulieferteile) 7 bis 9 Tonnen CO2 an [10, 11], vor allem für Stahl, Alu, Gummi, Glas und Kunststoff. Beim Elektroauto ist es mehr, obwohl es einige große Bauteile nicht benötigt, etwa Kühler, Katalysator, Auspuff, Getriebe.  Das liegt am Akku, dessen Herstellung einige energieintensive Prozesse enthält: das Mischen, Pressen, und Trocknen der Kathoden (des Pluspols der Batterie) etwa.

Man spricht dabei vom CO2-Rucksack des E-Autos, den es aus der Produktion im Vergleich zum Diesel oder Benziner mitbringt. Da das E-Auto beim Betrieb nur etwa halb so viel klimaschädliches CO2 freisetzt wie ein Benziner oder Diesel, ist klar: je länger das E-Auto fährt, desto besser wird seine Klimabilanz relativ zum Diesel. Und je geringer der CO2-Abdruck aus der Herstellung, desto besser. Aber ab wann genau hilft das E-Auto dem Klima?

Manche Autoren rechnen mit bis zu 17 Tonnen CO2 aus der Herstellung eines E-Autos [12, 14]. Ein großes E-Auto müsste dann bis zu 170.000 Kilometer fahren, um seinen Nachteil aus der Herstellung wett zu machen. So viel ist es aber sicher nicht.

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