BMW 02 Vom Halbstarken zum Premium-Oldtimer

Der „02“ bereitet dank der DNA klassischer bayrischer Sportlimousinen auch heute noch ursprünglichen Fahrspaß. Zwischen 15.000 und über 100.000 Euro ist für jeden Geldbeutel was dabei.

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Sehr original und gut dokumentiert: Für diesen über Classic Trader angebotenen 2002 turbo mit 170 PS ruft ChromeCars aus Jena 115.000 Euro auf. Quelle: Classic Trader

Berlin Auf der Rhön, dem Aufstieg zur Wasserkuppe, lassen wir es fliegen. Lange Graden bringen den 130 PS starken BMW 2002 tii an die Grenze der Legalität, bevor das knackige Getriebe das runter schalten zum Vergnügen macht, die kräftig getretene Bremse den Vorderwagen einknicken lässt, und der zügig Gas annehmende 4-Zylinder dank Kugelfischer-Einspritzung das nicht mal 1000 Kilogramm schwere Auto behände aus der scharfen Kurve beschleunigt. Das ist Freude am Fahren pur. Und unfair.

Denn unser legendärer „02“ ist gerade mal zehn Jahre alt und wurde von BMW Classic auf einer noch vorhandenen Rohkarosse neu aufgebaut. Das merkt man im Vergleich mit wirklich 50 Jahre alten 02ern, die ein wenig Spiel im Lenkrad haben und Zwischengas beim Schalten nicht schlecht finden.

Beim Oldtimer-Händler „Classic Trader“ wird ein vollrestaurierter tii für 85.000 Euro angeboten, die Preisspanne reicht aber auch bis unter 30.000 Euro für augenscheinlich ganz gut erhaltene Exemplare. Offensichtlich hat sich ein echter Marktpreis noch nicht gebildet.

Der „02“ ist der DNA-Spender der sportlichen Marke BMW und der Urahn aller sportlichen „Premium-Kompakten“ vom Audi A4 über den 3er-BMW, die Mercedes C-Klasse über den Maserati Ghibli bis hin zum Jaguar XE. Sein Erfinder war BMW-Vertriebsvorstand Paul Hahnemann, dem man den Spitznamen „Nischen-Paule“ gab.

Noch heute sucht der Münchner Hersteller jede noch so kleine Marktnische, um für eine noch kleinere Zielgruppe ein entsprechendes Modell vom GT über den Active Tourer bis hin zum X4 zu bauen, nach dem vorher keiner gefragt hat. Das war beim 02 noch ganz anders. Die Gleichung war ganz einfach. Leichtes Auto, starker Motor: Die kompakte Sportlimousine war erfunden.

Der erste „02“ hieß 1966 noch gar nicht so: Die Bezeichnung stand nämlich zunächst für „Zweitürer“ Zunächst lief der Wagen als „1600“ vom Band und hieß wie sein großer Bruder, der Neuen Klasse, die BMW vor der Pleite ein paar Jahre früher bewahrt hatte.

Selbst Händler fragten sich, wem sie diesen 1,6 Liter-85 PS Boliden verkaufen sollten. Doch die Sorge hatte sich schnell erledigt, am Ende sollten vom „02“ über 800.000 Stück zwischen 1966 und 1977 verkauft werden.

Schon bald gab es Leistungszuwachs und die stärkere Variante hieß nun 1602 Ti. Satte 105 PS versetzten manchen Porsche-Fahrer in Schrecken. Von den das Straßenbild beherrschenden VW Käfer ganz zu schweigen. Manch Vertreter im damals prestigeträchtigen Opel Kapitän fühlte sich förmlich überfahren.

Kein Wunder, dass sich der 02 auf den Rennstrecken als optimales Breitensportgerät bewährte. Für die Überlebensquote hatte das allerdings schwerwiegende Konsequenzen. Viele Autos wurden förmlich verheizt.

Gerade mal rund 5.000 Stück sind heute noch in Deutschland zugelassen. Viele davon tragen furchtbare Zeugnisse der Vergangenheit: Feiste Frontspoiler, dicke Gummilippen und fette Kotflügelverbreiterungen in den Radhäusern. Oft schleifen die viel zu dicken Reifen trotzdem, weil der Wagen viel zu hart gefedert und tiefer gelegt wurde.

Natürlich legte man auch an der Leistung Hand an. Ein fetter Auspuff musste es mindestens sein. Früher hieß Tuning eben noch Frisieren. Kaum jemand gab sich mit den serienmäßigen Leistungsdaten zufrieden und oftmals überstiegen die Fahrleistungen dann das Können des Fahrers. Statt an den Dorfbrunnen zurückzukehren, zerschellte die amorphe Masse aus GfK und Blech allzu oft an einem niederbayerischen oder niedersächsischen Alleebaum.


Nischen-Paule war der Zeit voraus

Hahnemann setzte seine Mission fort. Schnell gab es von Baur ein Cabrio auf der Basis des 1600, das letzte Vollcabrio der Firma bis 1985. Trotz Verstärkungen fährt sich das Cabrio auch heute schon als 1600 sehr kommod und man hat nie das Gefühl untermotorisiert zu sein.

Die meisten Cabrios fielen dem Rost zum Opfer, in Deutschland sind derzeit rund 400 2002 und 1602 Vollcabrios zugelassen. Bei Classic Trader werden bis zu 75.000 Euro verlangt. Noch seltener sind die von 1971 angebotenen Modelle mit Targabügel. Aber nicht so beliebt.

 

Nischen-Paule konnte es nicht lassen. Und der 02 erschien als 1971 Touring. Das Auto nahm die Heckklappe der Kompaktklasse vorweg. Und hatte als erster Kombi überhaupt eine asymmetrisch geteilt umklappbare Heckbank.

Obwohl damals Golfbags eher in Jaguars oder Aston Martin Shooting Brakes transportiert wurden. Die Schräghecklimousine entstammte der Feder des französischen Designers Paul Braque, der von Mercedes-Benz zu BMW gewechselt war. Nischen-Paule war der Zeit voraus: Der Touring war ein Flop.

 

Neben Cabrio und Touring gab es den Wagen in einer Vielzahl von Motorvarianten: 1502, 1602, 1802, 2002, 2002, 2002 ti, der 1971 vom tii abgelöst wurde. Von 75 bis 130 PS, mit Vergaser und Einspritzung. Als Krönung wurde der Motor zwangsbelüftet und auf der Höhe der Energiekrise als 2002 turbo präsentiert.

Das Auto war genauso martialisch wie die Tuning-Umbauten aus den Hinterhof-Garagen. Genietete Kotflügel, deutliche Front- und Heckflügel. Zuviel für den Zeitgeist in der Ölkrise war die Spiegelschrift, in der der Typenschriftzug 2002 Turbo auf den Frontspoiler geklebt war. Was als Autobahnräumer gedacht war, war  zuviel.

 

Das erste Serienauto mit Turbomotor aus deutscher Produktion wurde nur ein Jahr gebaut und erreichte gerade mal eine Stückzahl von 1674 Autos. Der Wagen ist so kompliziert, dass man wahre Fachleute braucht, um ihn in Betrieb zu halten. Der Turbo ist bei unverändert knapp einer Tonne und 170 PS trotzdem auch nach heutigen Maßstäben ein Ausbund an Fahrdynamik.

Wenn er denn fährt. Und wer ein echtes Exemplar bekommt, muss wohl deutlich über 80.000 Euro dafür ausgeben. Solche Preise reizen natürlich auch zu Nachbauten. Wer einen echten will, sollte also auf eine lückenlos dokumentierte Historie achten.


Zweiter Frühling erst als Oldtimer

Das stärkste Jahr, das ausgewogenste Modell und die beste Motorisierung erreichte 1974 vor der Ablösung durch den 3er mehr als 100.000 Stück: Der 2002, 100 Vergaser-PS hatten leichtes Spiel und ließen so ziemlich jedes Alltagsfahrzeug hinter sich.

Der Zweitürer prägte das BMW-Image als Aufsteiger-Marke und kann als die DNA der sportlichen Kompakt-Limousine gelten, die BMW über Jahrzehnte als Premium-Marke prägen sollte. Der Dreier übersetzte diese Werte moderat in die Neuzeit, aber der schwere Wagen brauchte schon einen Sechszylinder, um die dynamischen Ansprüche der Kunden zu befriedigen.

 

Neben einem Elektro-02, der zur Olympiade 1972 als Einzelstück zum Einsatz kam, erlebte der 02 mit 75 PS bis 1977 keinen zweiten Frühling und keine 100.000 Käufer. Aber er sorgte als Einsteigermodell unterhalb des frisch eingeführten Dreier für Konkurrenz zum 1974 präsentierten VW Golf.

 

Kaum zu glauben, dass der hier zahme Motor schon 1968 mit mehr als 200 PS als Formel 2 Triebwerk dienen sollte und es als Turbo-Triebwerk in der Formel 1 auf mehr als 1300 PS brachte, was BMW 1983 den Weltmeistertitel einbrachte. Damals ließ Motorenpapst Paul Rosche angeblich alte Vierzylinder vom Schrott holen, um darauf den Rennmotor aufzubauen. Aber das ist eine andere Geschichte ...

 

Fazit: Für den Oldtimer-Liebhaber macht gerade die geringe Überlebensrate den „02“ zu einer sicheren Bank. Die einfacheren Vergaser-Varianten eignen sich sogar noch zur Restauration für begabte Bastler. Die Kugelfischer-Einspritzung des 2002 tii ist dann doch eher was für Spezialisten.

Nötig ist sicher eine komplette Dokumentation gerade der teureren Spezialversionen, damit man nicht einem späten Nachbau auf dem Leim geht. Die Rennversionen bieten mit Preisen zwischen 20- und 50.000 Euo einen konkurrenzfähigen Einstieg in den historischen Rennsport.

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