CES-Ausblick Deutsche Autobauer stehen unter Zugzwang

Der Zauber der CES ist zurück und wichtiger denn je für die deutschen Autobauer. Quelle: AP

An diesem Donnerstag beginnt die weltweit größte Technologiemesse CES. Für die Autoindustrie ist sie inzwischen wichtiger als klassische Automessen. Schaffen die deutschen Hersteller dieses Jahr dort endlich den Schritt in die mobile Zukunft?

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Endlich wieder Drängeln und Köpfe recken: Nach einer Coronapause 2021 und einer deutlich abgespeckten Veranstaltung 2022 findet die weltweit größte Elektronik- und Computermesse CES in Las Vegas von diesem Donnerstag an erstmals wieder mit Hunderttausenden Besuchern statt. Sie ist das mit Abstand wichtigste Schaufenster für globale Technologietrends: Auf der CES wurden schon Neuerungen wie der Videorekorder oder die Spielekonsole XBox erstmals der Weltöffentlichkeit präsentiert. 

Seit einigen Jahren versuchen auch die Autohersteller der Welt, sich auf der CES als innovative Technologiefirmen zu inszenieren. Schließlich wird auch im Auto die IT immer wichtiger. Der CES-Veranstalter, die einflussreiche US Consumer Technology Association, hält die Autobauer inzwischen für mindestens ebenso wichtig wie US-Softwarekonzerne oder asiatische TV- und Chiphersteller. Gleich zwei der unter den Ausstellerfirmen hoch begehrten drei Einzel-Key Notes – lange Präsentationen auf der großen Bühne der Haupthalle – hat sie für die Autobranche reserviert: Nach AMD-Chefin Lisa Su sprechen BMW-Boss Oliver Zipse am Donnerstag und Carlos Tavares, Chef des drittgrößten Autobauers der Welt, Stellantis. Solche Keynotes zu Beginn der Messe sind in Las Vegas sonst traditionell den CEOs der IT-Giganten wie Microsoft, Intel oder Samsung vorbehalten. Nicht so in diesem Jahr – der Autobranche gehört die große Bühne.

Zwar war die Zahl der Aussteller aus der Automobilbranche und deren Zulieferindustrien schon einmal größer. Inhaltlich aber dürfte es in Las Vegas selten spannender gewesen sein. Neben einigen Start-ups und eher überraschenden E-Autos wie voll-elektrischen Pick-ups, unter anderem von der GM-Marke Dodge RAM, wird VW ein neues Auto seiner rein elektrischen ID-Reihe präsentieren.

Die 8 spannendsten neuen Elektro-Modelle
Aiways U6 Quelle: Aiways
Audi Q6 e-Tron: Quelle: Audi
Ford E-Crossover Quelle: Peter Zillig
Maserati Grecale Folgore Quelle: imago images
Nio ET5, ET7 und EL7 Quelle: Nio
Opel Astra Electric Quelle: Opel
Smart #1 Quelle: Smart

Der ID.7 ist das bisher größte und luxuriöseste reine Batterieauto der Wolfsburger. Auf der ID-Plattform fahren bisher der Kompaktwagen ID.3 (Golf-Größe) und der Mittelklassewagen ID.4. Mit dem rein elektrischen Passat-Pendant ID.7 zielt VW klar auf den US- und chinesischen Markt. Ein kritischer Testfall ist der ID.7 nicht zuletzt, weil er die erste Neuvorstellung nach dem Abgang des klaren Elektrobefürworters Herbert Diess ist.

Über den künftigen Kurs in Sachen Antriebsart der Wolfsburger war zuletzt wild spekuliert worden. „Mit dem ID.7 auf der CES setzt Nachfolger Oliver Blume immerhin ein Symbol, dass der keine 180-Grad-Wende vom Kurs Diess' vorhat, wie einige Medien schon spekuliert hatten“, kommentiert Ferdinand Dudenhöffer, emeritierter Professor für Automobilwirtschaft und Gründer des Marktforschers CAR Research.

In Las Vegas steigt die Vorab-Premiere der elektrischen Passat-Schwester
Mit einem getarnten Prototypen gibt VW einen weiteren Ausblick auf den kommenden ID.7. Gezeigt wird die mit leuchtender Camouflage-Lackierung maskierte Limousine nun auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas (5. bis 8. Januar), die echte Premiere soll im Frühjahr erfolgen. Quelle: Volkswagen
Optisch bleibt das elektrische Schwestermodell des Passat der im vergangenen Jahr gezeigten Studie ID.Aero treu. Mit kurzen Überhängen und langem Radstand gibt er sich als Kind des modularen Elektro-Baukastens (MEB) zu erkennen, der auch viele andere E-Modelle des Konzerns trägt. Die Karosserie ist dabei besonders flach und windschlüpfig gehalten, was der Langstreckentauglichkeit zugutekommen soll. VW kündigt eine Reichweite von rund 700 Kilometern an. Quelle: Volkswagen
Die Karosserie ist dabei besonders flach und windschlüpfig gehalten, was der Langstreckentauglichkeit zugutekommen soll. VW kündigt eine Reichweite von rund 700 Kilometern an. Quelle: imago images
Die Norddeutschen streichen Verbesserungen am Bedienkonzept heraus – einer der Kritikpunkte an den bisherigen ID-Modellen. So versteckt sich die Klimaanlagen-Bedienung im Infotainmentsystem nun nicht mehr hinter mehreren Menü-Schichten. Quelle: imago images
Die Norddeutschen streichen Verbesserungen am Bedienkonzept heraus – einer der Kritikpunkte an den bisherigen ID-Modellen. So versteckt sich die Klimaanlagen-Bedienung im Infotainmentsystem nun nicht mehr hinter mehreren Menü-Schichten und die weiterhin verwendeten Touch-Slider sind nun für bessere Sichtbarkeit bei Nacht beleuchtet. Die Klimaanlage arbeitet mit intelligenten Düsen, die Fahrer oder Fahrerin erkennen und schon vor dem Einstieg Kühlung oder Heizung aktivieren. Quelle: Volkswagen
Das ungetarnte Serienfahrzeug dürfte im April präsentiert werden, der Marktstart ist für die zweite Jahreshälfte vorgesehen. Wie schon das Kompakt-SUV ID.4 soll der ID.7 weltweit verkauft werden. Dabei tritt er außer gegen den künftig bei Skoda gebauten Passat unter anderem gegen das Tesla Model 3 an. Quelle: imago images

Joint Ventures von Autobauern mit IT-Giganten sind die Zukunft

Ebenfalls spannend dürften in Las Vegas die Ankündigungen neuer Kooperationen zwischen klassischen Autobauern und Partnern aus der IT-Industrie werden. Der japanische Elektronikkonzern Sony etwa hatte im Januar 2020 in Las Vegas mit einem voll ausgestatteten Prototypen eines Elektroautos für Aufsehen gesorgt. Anfang 2022 dann gründete Sony ein Joint Venture mit dem Autohersteller Honda. Das erste gemeinsame E-Auto soll es 2026 geben.

Neben der Elektrifizierung wird es in Las Vegas dieses Mal verstärkt Ankündigungen und Neuheiten aus dem Bereich des vernetzten und autonomen Fahrens geben. Zwar lassen sich die Aussteller nur ungern vor ihren aufwendigen Presseshows, die Millionen Dollar kosten, in die Karten schauen. Aber einiges zeichnet sich durchaus ab. Besonders die beiden Key Notes der CEOs von BMW und Stellantis haben es in sich.

BMW will die gesamte Windschutzscheibe von Autos zum Breitwand-Display machen. Auf der US-Messe CES in Las Vegas präsentiert der Autobauer die futuristische Limousine „BMW i Vision Dee“ mit nacktem Armaturenbrett.

BMW stellt auf der CES zwar kein neues Serienfahrzeug vor, aber eine schon recht realitätsnahe Vision eines voll vernetzten Autos der Zukunft. Die künftige Modellreihe heißt bei BMW „neue Klasse“ und sorgt seit Monaten für Spekulationen. Mal hieß es, sie werde BMWs erste rein elektrische Plattform, bei der die gesamte Fahrzeugarchitektur rund um den Nukleus Batterie herum designt und konstruiert wird, so wie das auch Tesla oder VW in seiner ID-Reihe machen. Dann wieder sollte sie auch technologieoffen sein für Alternativen zur Batterie, wie Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe. „BMW wird sich da alle Optionen so lange wie möglich offen halten“, meint Dudenhöffer, „mit einem ersten Serienauto sollte man da aber eh nicht vor 2025 rechnen.“

Auf der CES dürfte aber erstmals eine Reihe technischer Details zu technologischen Konzepten für die „neue Klasse“ BMWs sichtbar werden. Etwa Bedienkonzepte. So stellt BMW in Las Vegas unter anderem eine Augmented-Reality-Windschutzscheibe vor: Die im Fachjargon Head Up Display genannten Scheiben integrieren nahtlos virtuelle, digitale Inhalte wie Navi-Landkarten oder Bedienmenüs in das Glas am unteren Rand des Sichtfelds. Viele Hersteller und Zulieferer experimentieren mit dieser Technologie. Daneben wird BMW auf der CES neueste Entwicklungen in der Sprachsteuerung präsentieren. Eine Technologie, die für das vernetzte und tendenziell selbstfahrende Auto ziemlich wichtig werden wird.

Was planen BMW und Stellantis mit Amazon?

Spannend sind gerade BMW und Stellantis aber vor allem wegen eines großen Dritten: Beide Autohersteller wollen künftig als bisher einzige Autobauer mit Amazon kooperieren. Der US-Techkonzern versucht derzeit, sich mit seiner künstlichen Intelligenz und Software rund um den Sprachassistenten Alexa als dritter IT-Konzern nach Google und Apple in der Autowelt zu etablieren. Amazon will dafür eine Softwareplattform für Autos aufbauen, ähnlich Googles Android Auto oder Apples CarPlay.

BMW müsse auf der CES auch einiges bieten, sagt Stefan Bratzel, Chef des Center für Automotive Research an der FH Bergisch Gladbach. Nach ein paar eher lieblosen Vorstellungen deutscher Hersteller in den vergangenen Jahren sei die Erwartungshaltung an den Konzern nun hoch: „BMW war bis etwa 2013 einer der absoluten Vorreiter bei Zukunftsthemen wie der Elektrifizierung“, sagt Bratzel, „ist in den vergangenen neun Jahren aber hinter die Konkurrenz aus den USA und China zurück gefallen.“

Das könnte sich nun wieder ändern. Immerhin seien die Bayern bei Software und Vernetzung weiter als der Rest der deutschen Konkurrenz. „BMW ist nach Tesla bis dato der einzige Hersteller, der Softwareupdates übers mobile Internet zustande bringt“, sagt Bratzel. Also ohne, dass die Kunden dafür in die Werkstatt fahren müssen, wo ein altertümlicher CAN-Bus-Stecker eingestöpselt und stundenlang Code übertragen wird.

Baidu, AutoX und PonyAI: Gefahr aus China

Ob das genügt, um sich der technisch enteilten US-Konkurrenz von Waymo oder GM Cruise und besonders den ambitionierten Chinesen zu stellen, steht auf einem anderen Blatt. Mario Herger, Trendforscher im Silicon Valley und langjähriger Entwicklungschef bei SAP USA, ist skeptisch: „China entwickelt mit staatlicher Unterstützung das autonome Fahren mit Volldampf weiter, während deutsche Hersteller ihre Projekte zusammenstreichen“, sagt Herger. „In China kann man zudem bereits in den drei Metropolen Peking, Shanghai und Shenzen auf Level 4 mit dem autonomen Taxi fahren, während deutsche Medien vom Aus der Technologie schwadronieren.“

Neben den US-Pionieren Cruise, das GM gehört, und Waymo (Google) drohten auch die Chinesen die deutschen Hersteller im vernetzten, autonomen Fahren abzuhängen, fürchten einige. Die Regierung in Peking fördert die Technologie mit Geld und guten Rahmenbedingungen. Chinesische Hersteller wie Baidu, AutoX und PonyAI hätten sich entsprechend gut entwickelt, betont auch Autoexperte Stefan Bratzel.

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In Las Vegas wird sich in den kommenden Tagen zeigen, ob die europäische Autoindustrie das Rennen schon aufgegeben hat – oder ob sie doch noch zur Aufholjagd bläst.

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