Diesel-Skandal Der schmutzige Adblue-Trick der Autobauer

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Weniger Abgasreinigung statt größerer Tanks

So heißt es in der Erwiderung des VW-Konzerns vom 29. Februar auf eine Schadensersatzklage beim Landgericht Braunschweig: Adblue-Mengen „in Höhe von fünf Prozent des eingesetzten Dieselkraftstoffes“ müssten für eine „effektive Abgasreinigung“ eingespritzt werden. Folglich müsste ein VW Passat über einen Adblue-Tank von mehr als 70 Litern verfügen, um es bis zum nächsten Service-Intervall zu schaffen. Einen solchen Tank hat VW nie eingebaut, obwohl – wie der Konzern einräumt – der US-Gesetzgeber ein Nachtanken zwischen den Serviceintervallen verbietet.

Statt den Tank zu vergrößern, regelten wohl auch andere Hersteller die Abgasreinigung herunter. Tests zeigen: Fast immer, wenn die modernen Dieselmotoren aus dem Labor auf die Straßen fuhren, stieg der Stickoxidwert. In der öffentlichen Version der TNO-Studie sind die untersuchten Fahrzeugmarken codiert. Der WirtschaftsWoche liegen jedoch die Klarnamen vor. So wurde etwa der Van Opel Zafira 1.6 CDTI ecoflex untersucht. Auf der Straße überstieg er den Grenzwert des Zulassungstests um mehr als das Achtfache. Der Adblue-Tank im Zafira ist mit acht Liter Inhalt wesentlich kleiner als bei allen Wettbewerbern. Ähnlich verhält es sich bei der Mercedes-Limousine C220 CDI oder dem Geländewagen Audi Q7 TDI.

Die Abgas-Tests in Deutschland und Europa

Dass das Problem mit viel Aufwand technisch lösbar ist, beweist BMW mit der allerneuesten Modellgeneration der Limousine 530d in der TNO-Untersuchung (siehe Tabelle auf Seite 1). Deren Motor scheint so fortschrittlich zu sein, dass das Adblue ausreicht und die Abgaswerte auch auf der Straße in Ordnung sind. Das BMW Modell sei das einzige im Test, so lobt die Studie, das einen ausreichend großen Adblue-Tank hat.

Noch fehlt eine Adblue-Infrastruktur

Die Konsequenzen des Dieseldilemmas für die Autofahrer sind absehbar: „Bei Neufahrzeugen wird es keine Frage mehr sein: Kunden werden neben Diesel auch regelmäßig Adblue tanken müssen“, sagt Wolfgang Eifler, Inhaber des Lehrstuhls für Verbrennungsmotoren an der Ruhr-Universität Bochum. 2020 sollen rund 20 Millionen Diesel-Pkws mit Adblue-Tanks auf Deutschlands Straßen rollen.

Doch noch fehlt die nötige Infrastruktur. Zwar bieten viele Tankstellen die Harnstofflösung in Flaschen und Kanistern zu 2, 5 oder 10 Litern an. Doch die Preise steigen schnell ins Astronomische: Während der Liter Harnstoff für Lkws etwa 60 Cent pro Liter kostet, verlangen Tankstellen und Werkstätten für Pkws gerne fast das Zehnfache. Hersteller und Mineralölgesellschaften werkeln seit Jahren am Aufbau von Adblue-Zapfsäulen. Aber aktuell gibt es ganze 20 von ihnen in Deutschland. Die Tankstellen argumentieren betriebswirtschaftlich: Wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Das wird sich wohl ändern.

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