E-Autos Wissenschaftler kritisieren Studie scharf

Hans-Werner Sinn, Ex-ifo-Präsident, nahm kürzlich Stellung zu seiner harsch kritisierten Studie. Quelle: dpa

Die Debatte um die Studie von Hans-Werner Sinn, in der er einen Tesla als klimaschädlicher als einen Diesel-Pkw einstufte, geht in die nächste Runde. Professor Bruno Burger fordert Sinn zu einer Stellungnahme auf.

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In der Debatte um die Umweltverträglichkeit von E-Autos fordert Professor Dr. Bruno Burger, Abteilungsleiter Stromnetze des Fraunhofer Instituts ISE, Professor Hans-Werner Sinn zu einer schriftlichen Stellungnahme auf. „Ihre Studie zitiert die Fraunhofer ISE falsch (…) Ich bitte Sie um eine Stellungnahme.“ schreibt Burger an den Ex-Ifo-Chef Sinn persönlich und an das Ifo-Institut in einer E-Mail, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Sinn hatte argumentiert, E-Autos würden zu weiten Teilen mit dreckigem Kohlestrom hergestellt und gefahren, ihre Gesamt-CO2-Bilanz sei daher zu schlecht. Inzwischen haben Christoph Buchal und Hans-Werner Sinn in einem ausführlichen Brief, der der WirtschaftsWoche vorliegt, auf die Vorwürfe geantwortet und sie als „unbegründet“ zurückgewiesen.

In einem Ifo-Papier zur Umweltbilanz von Diesel- und Elektroautos hatten Sinn und seine beiden Co-Autoren Christoph Buchal und Hans-Dieter Karl ein vernichtendes Urteil über das Elektroauto gefällt: E-Autos seien keine Verbesserung gegenüber dem Verbrennungsmotor in Sachen Klimaschutz, sondern sogar ein Rückschritt, so das Fazit. (Die komplette Studie finden Sie hier). Die WirtschaftsWoche und andere hatten die Ergebnisse des Ifo-Papiers angezweifelt. Die ausführliche Stellungnahme der Studienautoren lesen Sie hier.

Inzwischen melden sich diverse Natur- und Ingenieurwissenschaftler zu Wort. Professor Martin Wieschtel, Leiter des Geschäftsfelds Energiewirtschaft beim Fraunhofer Institut, sagt, die Ifo-Studie treffe „an den entscheidenden Stellen einseitige Annahmen, die alle den Diesel begünstigen;“ außerdem weise sie „teils erhebliche methodische Mängel“ auf: „Als Paper auf einem wissenschaftlichen Kongress würde es wohl durchfallen,“ so Wieschtel. Sinn vergleiche mal zwei konkrete Fahrzeuge, einen Diesel von Mercedes und ein Tesla Model 3, wo die Daten seine These stützten, „daraus verallgemeinert er auf alle Diesel und E-Autos; an anderer Stelle schließen die Autoren dann wieder aus großen Datenbanken auf die konkreten Autos zurück; den Anspruch an wissenschaftliches Arbeiten erfüllt so etwas nicht.“

Markus Lienkamp, Professor für Fahrzeugbau an der TU München, betont, Sinn sei „unbestritten ein hervorragender Ökonom, jedoch ganz sicher kein Ingenieur oder Physiker. (…) Der Artikel ist im ifo Schnelldienst erschienen, das ist kein wissenschaftliches Publikationsorgan. Der Artikel dürfte somit keinem peer review unterzogen worden sein und zeigt nur Meinungen der Autoren.“

Lienkamp wirft Sinn et al vor, veraltete Daten zu verwenden, obwohl längst neuere öffentlich zugänglich seien. Seine Kritik ist auch in der Wortwahl harsch: „Das Papier verbreitet Binsenweisheiten (…) Ich betrachte den Artikel von Herrn Sinn als einen guten Meinungsbeitrag, der mir allerdings tendenziös erscheint und sicherlich nicht mit dem Siegel 'Forschungsergebnisse' versehen werden sollte.“ Das Papier sei „eher unwissenschaftlich gemacht, trifft unpassenden Annahmen und ignoriert viele Aspekte.“

Sinn und Buchal fällten in ihrem Aufsatz vom 18. April ein vernichtendes Urteil über das E-Auto, das zahlreiche Medien übernahmen und als Tatsache darstellten, darunter die Internetseiten vieler regionaler und überregionaler Tageszeitungen, auch im Ausland. Sogar auf den Titel des „Wall Street Journal“ hatte es Sinn mit seiner These geschafft: „Der CO2-Ausstoß des (..) E-Autos liegt beim heutigen Energiemix Deutschlands und unter Berücksichtigung des Energieaufwands bei der Batterieproduktion (…) um bis zu 28 Prozent über dem eines modernen Diesel.“

Das ist brisant, weil die bessere Klimabilanz eines der zentralen Verkaufsargumente für Elektroautos ist. In den vergangenen Monaten waren zahlreiche, teils aufwendige Studien aus dem Bereich der Natur- und Ingenieurswissenschaften erschienen, die zu einem diametral entgegengesetzten Ergebnis kamen: E-Autos schnitten stets besser ab als Autos mit Diesel- und Benzinmotor; in der Regel hatten sie ihren CO2-Nachteil aus der Produktion – dieser entsteht, weil Akkus energieaufwendig gebaut werden – nach 50.000 bis knapp 100.000 Kilometern eingeholt; danach leisten sie netto einen Beitrag zum Klimaschutz, auch mit dem konventionellen deutschen Durchschnittsstrom. Das lässt sich anhand mehrerer Komponenten nachweisen.

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