Elektrische Sportwagen Mate Rimac – stark unter Strom

Mate Rimac Quelle: Presse

Porsche, Hyundai, Aston Martin und bald auch Bugatti: Mate Rimac scheint mit seiner Firma derzeit nahezu überall seine Finger im Spiel zu haben, wo es um E-Mobilität geht. Wer ist der Kroate?

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Fragt man Mate Rimac nach einem Vergleich mit Elon Musk ist die Antwort freundlich, aber bestimmt: „Das sollen andere entscheiden.“ Doch er macht keinen Hehl daraus, dass er mehr als stolz ist auf seine Firma Rimac Automobili, die sich mittlerweile nicht allein durch elektrische Hypersportwagen einen Namen gemacht hat. Porsche hat seine Beteiligung an Rimac jüngst von 15 auf 24 Prozent erhöht – ein Nachschlag scheint nicht ausgeschlossen. Und das seit Monaten kursierende Gerücht, dass Rimac großes Interesse an Bugatti haben soll – es hat sich just bewahrheitet. Kontrolle und Haupteigentümerschaft gehen auf das kroatische Unternehmen über, wie Porsche – innerhalb der VW-Gruppe für den Sportsektor zuständig – und Rimac am Montag in Dubrovnik bekanntgaben.

Anders als viele andere Denker und Entwickler gibt sich Mate Rimac dabei nicht als ökologischen Bewahrer der Welt, der die Autos der Zukunft allein mit einem Stecker sieht. „Wer etwas für die Umwelt tun will, muss kein Elektroauto fahren, sondern sollte einfach weniger Fleisch essen“, sagt der überzeugte Veganer, „Elektroautos sind nicht die Lösung. Und das kommt von jemandem, der davon lebt.“ Seine Begeisterung für den Elektroantrieb stammt keineswegs aus ökologischen Gesichtspunkten, sondern definiert sich allein über Technik und Performance. Das zeigt auch das eigene Privatauto, denn Mate Rimac bewegt im Alltag keineswegs ein Tesla Model S oder einen Porsche Taycan. „Ich fahre privat einen BMW M5“, lächelt Mate Rimac, „und vielleicht kann ich mir irgendwann einmal auch einen C Two leisten. Das ist das Auto, was ich in meinen Träumen schon immer habe bauen wollen.“

Mate Rimac ist gerade einmal 33 Jahre alt und seit seiner frühesten Kindheit – vorsichtig ausgedrückt – autoverrückt. Als der Motor seines getunten BMW Dreiers bei einem Driftrennen in die Luft flog und er kein Geld für den Traummotor, einen Fünfliter-V8 aus einem BMW M5, hatte, baute der Erfinder den Elektromotor eines Gabelstaplers in seinen grünen E30-Rennr ein. Aus der vermeintlichen Lachnummer für die Konkurrenz wurde ein Youtube-Star, denn Mate Rimac wurde von Woche zu Woche besser und versägte mit seinem 600 PS starken Elektro-Dreier bei Spurtrennen letztlich so ziemlich alles, was ihm neben den Kühlergrill kam.

Vor exakt zehn Jahren wurde aus Spaß dann endgültig Ernst. Rimac stellte zum April 2011 die ersten drei Mitarbeiter ein und wollte mit ihnen nicht mehr als seinen Traumwagen bauen – einen elektrischen Hypersportler, der zumindest im Gehirn schon über viele Jahre gereift war. Als zwei Emiratis von der Sache plötzlich Wind bekamen und den millionenteuren Hypersportler im Frühjahr 2013 als schnellstes Elektroauto der Welt bestellten, wusste Mate Rimac mit seinem Mini-Team nicht, ob er sich freuen oder weinen sollte. Denn bisher gab es den Rimac C One ausschließlich in seinem Kopf, auf dem Papier und in elektronischen Konstruktionszeichnungen auf dem Computer. Und die beiden reichen Kunden hatten zwar Geld vorgeschossen, doch sich verbriefen lassen, dass der Prototyp auf der IAA im Herbst 2013 seine offizielle Weltpremiere feiern sollte. „Wir haben den Prototypen auf dem Weg zur IAA noch im Lastwagen zusammengebaut“, erinnert sich Mate Rimac, „wir waren die letzten Tage vor der Messe nicht mehr zu Hause, haben Tag und Nacht an dem Wagen geschraubt und auf dem Boden geschlafen.“

Rimac Nevera – das schnellste Serienauto der Welt
Ein Morgen auf der kroatischen Insel Pag: Die Luft lau, der Wind sanft und die Sonne hat schon reichlich Kraft. Doch die Stille ist trügerisch. Denn es ist die Ruhe vor dem Sturm. Nur dass der diesmal nicht über den Bergen losbricht, wie er es seit Jahrtausenden tut, wenn die Einwohner ehrfürchtig und mit bangem Blick zum Himmel vom Wetterphänomen Nevera raunen, sondern auf der Runway des Flughafens Zadar: Dort, wo sonst die Kampfjets der kroatischen Luftwaffe trainieren, steht jetzt flach und breit und blau wie das ruhige Meer ein Sportwagen, der den gleichen Namen trägt und mindestens genauso stürmisch ist: der Rimac Nevera – das stärkste und schnellste Serienauto der Welt.  Quelle: Rimac
Vor drei Jahren noch unter dem Arbeitstitel C2 als Studie auf dem Genfer Salon präsentiert, markiert die Serienfassung dieses Tieffliegers auf Rädern den vorläufigen Hohepunkt in der Karriere des gerade einmal 33-jährigen Firmenchefs Mate Rimac. In nur zehn Jahren hat er sich vom Nobody zum Hoffnungsträger der PS-Branche aufgeschwungen, hat Firmen wie Porsche, VW oder Hyundai ins Boot geholt und wird mittlerweile sogar als künftiger Eigentümer von Bugatti gehandelt. Denn offenbar versteht er sich sehr gut auf die Elektrifizierung, auf starke E-Motoren, schnelle Elektronik und potente Akkus. Insgesamt 150 Autos will er in den nächsten drei Jahren zu einem Stückpreis von netto zwei Millionen Euro verkaufen. Quelle: Rimac
Entsprechend komplex ist der Nevera konstruiert und entsprechend viel Technik steckt in der Karbonkarosse, die aus einem Stück gebacken – und natürlich die bislang größte ist, die es auf die Straße geschafft hat. Pro Achse treiben ihn zwei Motoren, die individuell angesteuert oder entkoppelt werden können und der Bordcomputer ist zusammen mit einem halben Dutzend Kameras und einem Heer von Sensoren so schlau, dass der Nevera auf der Rennstrecke bald auch autonom fahren kann. Selbst das Infotainment mit drei großen und sechs kleinen Bildschirmen und sogar den Zündschlüssel hat Rimac alleine entwickelt. Dabei braucht der Nevera gar keinen Schlüssel mehr, weil er das erste Auto ist, das sich auch mit Gesichtserkennung öffnen und starten lässt. Quelle: Rimac
Aber hier auf dem Airfield kommt die Freigabe aus dem Tower. „All clear and ready to go!“ Jetzt den linken Fuß fest auf die Bremse, den rechten aufs Fahrpedal, dann die Bremse lösen und die Hölle ist los – ohne jedes Geräusch: Aus dem Nichts rammen sich den Insassen die vereinten 2300 Nm der vier radnah montierten Motoren wie ein Katapult in den Rücken. Dann schleudert die explosive Kraft der Elektromotoren mit 1912 PS den 2,2-Tonner voran: weniger als zwei Sekunden für den Sprint auf Tempo 100. Nach weniger als sechs Sekunden flimmert die 200er-Marke über den Bildschirm. Die Zahl klettert weiter – wenn die Startbahn nicht irgendwann zu Ende wäre, würde der Nevera 412 km/h schaffen. Quelle: Rimac
Neben dem schieren Schub lässt sich der Nevera auch mit viel Präzision fahren. Jeder Motor kann einzeln angesteuert die Kraft an alle vier Räder verteilen. Quelle: Rimac
Und die Regelung geht so schnell, dass sich selbst Profis daran erst gewöhnen müssen. Nicht nur die Beschleunigung ist unerreicht, auch die Zeit, die für die Umsetzung der einzelnen Befehle vergeht. Schnellfahrer können mit dem Drive Coach rasen, ausgestattet mit virtuellem und autonomem Training. Quelle: Rimac
Fahrer können aus mehr als einem halben Dutzend Fahrprogrammen wählen, mit denen sich der Charakter des Nevera merklich verändert: Es gibt den Race- oder Trackmode, einen Drift-Mode – schließlich hat Firmenchef Mate Rimac seine Karriere mit qualmenden Reifen begonnen – und einen Tour-Modus. Quelle: Rimac

Das Projekt floppte, denn Rimac ging das Geld aus und die Emiratis machten Druck, dass der Kroate mit seiner Firma nach Dubai kommen sollte. Doch der damals 25-Jährige schüttelte den Kopf und musste das Projekt fortan selbst stemmen. „Im Nachhinein das Beste, was mir passieren konnte. Doch ich war mit den paar Mitarbeitern darauf angewiesen, Geld zu verdienen, um den Wagen fertigzustellen – und zwar sofort.“ Für die dringend benötigten Einnahmen sollten Entwicklungsleistungen für die Autoindustrie sorgen. Die Klinkenputzerei hatte Erfolg und Rimac Automobili machte sich fortan nicht nur einen exzellenten Namen als Zulieferer von Technik für zukünftige Elektroautos der OEMs, sondern eben auch als höchst exklusiver Autoproduzent. In einer Kleinserie entstanden vom Rimac C One so immerhin acht Fahrzeuge – jeweils mit mehr als 1000 Elektro-PS und über 350 km/h schnell.

Zehn Jahre nach dem holprigen Start ist Rimac Automobili nicht wiederzuerkennen. Der Bart von Firmeninhaber Mate Rimac ist etwas länger geworden und dafür hangelt sich der überzeugte Veganer nicht mehr mit dem Geld von Monat zu Monat. „Ich schlafe mittlerweile viel ruhiger“, lächelt er und nimmt einen kleinen Schluck aus der Wasserflasche. „Seit zwei, drei Jahren muss ich mir nicht täglich Sorgen um die Zukunft meiner Firma und die Bezahlung der Mitarbeiter machen.“ Mate Rimac spricht perfekt deutsch. Wegen des Jugoslawien-Krieges flohen seine Eltern 1991 nach Frankfurt und holten den Bub kurz danach hinterher an den Main. Erst 2000 kehrte die Familie ins heutige Kroatien zurück.

Rimac Automobili ist nicht nur bei der Belegschaft mächtig gewachsen. Mittlerweile gibt es in Kroatien sechs Standorte; der Hauptsitz liegt in Sveta Nedelja, rund 15 Minuten westlich von Zagreb. Rund 30 Minuten entfernt wird in einem gesichtslosen Gewerbegebiet der Rimac C Two und gleich nebenan das Schwestermodell Pininfarina Battista in einem aufwendigen Manufakturprozess gefertigt. Dieses Jahr sollen es trotz Corona 15 bis 20 C Two werden; in einem vollen Jahr 50. „Doch bei 150 Fahrzeugen ist Schluss“, sagt der Autofan trocken, „wir wollen unseren Kunden keine Konkurrenz machen.“

Das Jahr 2021 soll für Rimac ein ganz besonderes sein. Das liegt weder an dem zusätzlichen 70-Milionen-Engagement von Porsche in die kroatische Firma oder an den ersten Auslieferungen des über 1900 PS starken C Two, der zeitnah einen echten Modellnamen bekommt, sondern am Spatenstich für den Rimac Campus, der in einem Außenbezirk von Zagreb entstehen soll. Nach Vorbild von Apple, Google und Co. soll hier in den nächsten drei Jahren ein Kreativzentrum für Arbeit, Freizeit und 2500 Menschen entstehen. Neben modernen Büros gibt es Kindertageseinrichtungen, Geschäfte, ein Hotel und Fitnesscenter für die Mitarbeiter. Rund um das Rimac Campus sollen Gärten bewirtschaftet werden und Tiere grasen, während ein kleines Museum Zeugnis von den Anfängen der Firma Rimac Automobili gibt. Die Stars: der grüne BMW E30 mit Elektroantrieb und der erste Rimac C One Prototyp in rot.

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Dabei ist das Thema Auto für Rimac nur ein Zwischenschritt – ganz ähnlich wie für Tesla-CEO Elon Musk. Natürlich will er eigene Autos bauen und seinen Rimac Campus lebendige Realität werden lassen. Doch das große Geschäft will er in den kommenden zehn Jahren als Zulieferer von Elektronikteilen für die Autoindustrie machen. Im Fokus steht jedoch die Mobilität von übermorgen – und da soll das eigene Auto keine große Rolle mehr für den einzelnen spielen. Hier blickt Mate Rimac eher auf Anbieter von kompletten Mobilitätslösungen wie Uber oder Waymo. Die eigenen Hypersportler soll das jedoch nicht in Gefahr bringen; sie sind im eigenen Geschäftsmodell gesetzt: „Das ist wie mit den Rennpferden. Die wird es immer geben.“

Mehr zum Thema: Das kroatische Start-up Rimac baut den schnellsten Elektrosportwagen der Welt. Was will Porsche mit der kleinen Automanufaktur?

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