Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier freute sich. Er wolle, dass die hunderttausenden Beschäftigten in der Autoindustrie auch in zehn oder 15 Jahren noch gute Arbeitsplätze hätten, sagte er. „Dazu leistet die Innovationsprämie einen wichtigen Beitrag.“ Gesagt, verlängert und erhöht: Die Prämie für den Kauf von Elektro-Autos und Plug-in-Hybriden gibt es jetzt noch bis längstens Ende 2025. Bei einem Nettolistenpreis von bis zu 40.000 Euro wird der Umweltbonus für rein elektrische Fahrzeuge um 50 Prozent auf nun 6000 Euro und für Plug-in-Hybride auf 4500 Euro angehoben. Inklusive aller Prämien können gut 9000 Euro zusammenkommen. Teurere Fahrzeuge werden allerdings weniger gefördert. Die Prämie teilen sich Staat und Industrie.
Auf den Verkauf von Neuwagen wirkt sich die Prämie bislang bombastisch aus: Der Absatz explodiert förmlich, je nach Hersteller warten Kunden bis weit ins nächste Jahr hinein auf ihren Stromer.
Ungewollter Nebeneffekt
Es gibt jedoch einen ungewollten Nebeneffekt: Die Preise für gebrauchte Elektrofahrzeuge und Hybride fallen. Denn gebrauchte Auto müssen immer deutlich weniger kosten als neue, damit sie überhaupt jemand kauft. Und weil der Preis für Neuwagen durch die Prämie nach unten geht, muss zwangsläufig auch der für bereits gefahrene Autos fallen. Und so erweist sich der von Leasinggebern einst kalkulierte Restwert gebrauchter Autos wegen der Rabatte auf Neuwagen plötzlich als zu hoch. „Es stellt ein Problem für den Handel dar, gebrauchte Elektrofahrzeuge in Zahlung zu nehmen“, bestätigt der Bundesverband eMobilität. Das sei der „hohen Förderung für Neufahrzeuge geschuldet“, so ein Sprecher.
Das Problem ist nicht trivial: „Typischerweise ist der Markt für gebrauchte Fahrzeuge in Deutschland deutlich größer als der für neue“, sagt Martin Weiss, Leiter der Fahrzeugbewertung der Deutschen Automobil Treuhand (DAT). Der Preis für Gebrauchtwagen ist also relevant. Außerdem gingen geschätzt mehr als zwei Drittel der E-Autos ins Leasing. Bei BMW etwa werden bei dem Stromer i3 rund zwei Drittel der Neufahrzeuge verleast. Die Leasingrückläufer des i3, die über die BMW-Bank verleast werden, „stehen bei Auslauf des Vertrags auf der Bilanz der BMW-Bank (als Teil unserer Vertriebsorganisation)“, heißt es aus München. Vermarktet hingegen würden die Rückläufer von der BMW-Handelsorganisation – im Rahmen des normalen Gebrauchtwagengeschäfts. Ein Problem haben nun also vor allem Autobauer, deren Banken sowie Händler und Leasingfirmen. Sie haben vor Jahren, als die Autos ins Leasing gingen, höhere Preise kalkuliert, als sie jetzt auf dem Gebrauchtwagenmarkt erzielen können.
Technik gebrauchter Autos veraltet schnell
Hinzu kommt: Nie war der technische Fortschritt bei einer Technologie so groß und so schnell wie bei Elektroautos – in den vergangenen Jahren kamen ständig Autos auf die Straßen, die mit einer Batterieladung noch weiter fahren konnten als im Vorjahr verkaufte Stromer. Doch genauso schnell, wie die Reichweite steigt, veraltet die Technik in gebrauchten Autos. Sie werden unattraktiver – und müssen damit billiger werden.
3000 Euro zusätzlicher Verlust auf Jahreswagen
DAT-Experte Weiss sagt, dass die Erhöhung der Prämien dafür gesorgt hätte, dass das Restwertniveau für junge Gebrauchtfahrzeuge „mit einem Schlag“ gesenkt worden sei. Er schätzt den durch die nun verlängerte Förderung verursachten Wertverlust bei einem bis zu einem Jahr alten, reinen Stromer auf bis zu 3000 Euro, bei dreijährigen könnte er noch bei 1500 Euro oder mehr liegen. Darin bezieht Weiss Fahrzeuge mit einem Listenpreis bis zu 40.000 Euro ein. „Je älter das Fahrzeug wird, desto geringer ist dieser Effekt“, sagt er. Für junge Plug-in-Hybride sieht er einen Verlust von bis zu 2250 Euro. „Dies kann sich noch zuspitzen, da jedes Jahr mehr Autos aus dem Leasing in die Wiedervermarktung kommen“, sagt Weiss.
Jahr für Jahr setzte die Branche in den vergangenen Jahren mehr E-Autos ab – dementsprechend kommen nun auch jährlich mehr Autos aus dem Leasing zurück. „Das Problem sinkender Restwerte existiert bereits seit Einführung der Prämie, durch deren Verlängerung wird aus einem temporären Zustand eine Art Dauerzustand“, stellt Weiss fest.
Renault teilt Verluste mit Bank und Händlern
Renault bestätigt Verluste. Für das Jahr 2020 habe man „mit Blick auf Fälle, in denen die Restwerte der Leasing-Rückläufer zu hoch sind, ein Sonderprogramm entwickelt“, sagte ein Sprecher. Das sieht so aus: Der Autobauer teile sich den Verlust mit der Renault Bank und dem Händler, „um eine wettbewerbsfähige Weitervermarktung des Gebrauchtwagens zu ermöglichen“. Jede dieser Parteien trägt ein Drittel des Verlusts. Im Jahr 2020 seien davon etwa 1000 Fahrzeuge betroffen, sagte der Sprecher auf Nachfrage. Zu der Höhe der Verluste wollte er sich nicht äußern.
BMW schweigt lieber, VW optimistisch
Offenbar gibt es nicht bei allen Autos einen Verlust: Denn Renault beziffert die Zahl der Leasingrückläufer im Jahr 2020 insgesamt auf 2300 (Zoe und Kangoo). In der Regel sind das Autos, die im Jahr 2018 und früher verkauft worden sind, denn bei Renault leasen die Kunden ihre Autos zwischen 36 und 60 Monaten. Fahrzeuge, die aus dem Leasing kommen, gehören bei Renault dem Händler. Ausnahme: Hat der Kunde das Fahrzeug nicht mit Batterie gekauft, sondern diese bloß gemietet, dann gehören die Autos der Bank RCI.
Insgesamt jedoch ist der Markt für gebrauchte Elektroautos noch recht klein. Seit Anfang des Jahres 2020 wechselten in Deutschland rund 14.700 rein batterieelektrische Pkw den Besitzer; bei den Plug-in-Hybriden waren es rund 15.500. Insgesamt waren Anfang Oktober erst rund 222.000 rein batteriebetriebe Pkw auf deutschen Straßen unterwegs, die Zahl der Plug-in-Hybride summierte sich auf knapp 195.000. Auffällig sind dabei allerdings Angebote für elektrisch angetriebene Gebrauchtwagen im Internet: Auf dem Marktplatz mobile.de hatten Händler zuletzt knapp 10.000 Elektroautos inseriert. Im Vergleich zu den E-Autos, die 2020 schon den Besitzer gewechselt haben, ist das eine hohe Zahl an Fahrzeugen, die noch einen Käufer sucht – das könnte darauf hindeuten, dass gebrauchte E-Autos schwerer zu vermarkten sind.
BMW ist „aus wettbewerbstechnischen Gründen“ zurückhaltend: Man wolle keine „Aussagen zu Prognosen von Gebrauchtwagenpreisen machen“. Allerdings beruhe die Restwertberechnung „auf tatsächlichen Gebrauchtwagenpreisen“. „Im Rahmen des üblichen Prozesse passen wir Restwertannahmen laufend an, so BMW.
Der Volkswagen-Konzern, der bis Ende Oktober 2020 weltweit insgesamt rund 314.000 reine E-Fahrzeuge an Kunden ausgeliefert hat, sieht die Situation hingegen gelassener. Aktuell sehe man noch „keinen Anpassungsbedarf“ bei reinen Stromern oder Hybriden, sagte ein Sprecher auf Anfrage. Im Gegenteil funktioniere „die Vermarktung unserer Leasingrückläufer reibungslos“. Zugleich weist er darauf hin, dass man auch für junge Gebrauchtfahrzeuge, die bis zu zwölf Monate alt sind und maximal 15.000 Kilometer gefahren sind, im Rahmen des Umweltbonus ebenfalls eine Förderung möglich sei. „Voraussetzung ist, dass die Förderung nicht bereits für das Neufahrzeug in Anspruch genommen wurde.“
Die Zahl der E-Fahrzeuge aus dem VW-Konzern, die von 2018 bis 2020 als Leasingrückläufer zurückgekommen sind, liegt im oberen vierstelligen Bereich. Für gebrauchte Fahrzeuge hat Volkswagen jetzt ein Konzept erarbeitet, was „ID.-Lifetime“ heißt: Ziel dabei sei es, „einen möglichst hohen Prozentsatz der E-Fahrzeuge zu verleasen und diese nach der ersten Leasingvertragslaufzeit im zweiten Fahrzeuglebenszyklus als Gebrauchtfahrzeuge weiterzuverleasen“. Das sorge für eine „Stabilisierung der Gebrauchtwagenpreise“. Hofft VW.
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