Wirtschaft von oben #168 – Deutsche Batteriefabriken Diese Batteriefabriken sind viel weiter als Tesla in Grünheide

Südlich von Erfurt hat CATL, der größte chinesische Hersteller von Lithium-Ionen-Akkumulatoren, eine riesige Fabrik errichtet. Sie ist mehr als einen halben Kilometer lang und soll noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen. Quelle: LiveEO/Pleiades

Tesla will in Grünheide neben Elektroautos auch Batterien produzieren. Doch wann das Batteriewerk anläuft, ist unklar. Konkurrierende Batteriehersteller könnten unterdessen an Tesla vorbeiziehen. Sie stehen kurz vor dem Produktionsstart, wie exklusive Satellitenbilder zeigen. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Elektroautos verkaufen sich besser, als selbst die optimistischsten Prognosen in Aussicht gestellt hatten. Dementsprechend explodiert der Bedarf an E-Auto-Batterien. Die meisten Batteriezellen, die deutsche Autobauer hierzulande in ihre Autos einbauen, kommen aus China, Südkorea und Japan. Doch auf Dauer ist der Import der Zellen zu kostspielig und CO2-intensiv. Deshalb stampfen Autobauer und Batterie-Konzerne gerade europaweit Zellfabriken aus dem Boden.

Eine Fabrik, die angeblich schon fast fertig ist, steht in Grünheide: Tesla will in Brandenburg neben E-Autos auch Batterien fertigen und damit seine gesamte europäische Produktion versorgen.

Noch aber ruht das Tesla-Batteriewerk. Wann es dort losgehen kann, ist nicht bekannt. Baustellen anderer europäischer Batteriehersteller sind weiter – dort läuft die Produktion schon oder es gibt offizielle Produktionsstarts noch in diesem Jahr. Wie der Stand wirklich ist, zeigen exklusive Satellitenaufnahmen von LiveEO.

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Die massivsten Batterie-Investitionen aller europäischen Hersteller plant der Volkswagen-Konzern. Europas größter Autobauer will weitgehend alle benötigten Batterien inklusive der Batteriezellen künftig selbst herstellen. Im niedersächsischen Salzgitter legte der Konzern Anfang Juli den Grundstein für seine erste Batteriefabrik. Fünf weitere sollen in Europa folgen. 2025 soll die Produktion in Salzgitter beginnen. „Künftig nehmen wir alle relevanten Felder in die eigenen Hände und sichern uns damit einen strategischen Wettbewerbsvorteil“, sagt der für die Batteriefabriken verantwortliche VW-Technik-Chef Thomas Schmall.


Noch sind in Salzgitter nur ein gerodetes Gelände sowie erste Bauarbeiten neben dem seit Jahrzehnten bestehenden VW-Motorenwerk zu sehen. Sobald die Batterieproduktion läuft, soll sie 5000 Arbeitsplätze bieten. In Europa will Volkswagen bis zu 20.000 Menschen in der Batterieproduktion beschäftigen. Von Salzgitter aus soll das weltweite Batteriegeschäft von VW unter dem Dach der neu gegründeten Konzerntochter PowerCo gesteuert werden. Sie ist dann für die gesamte Wertschöpfungskette vom Batterierohstoff über die Produktion bis hin zum Recycling verantwortlich. Außerdem gibt es ein Batterieforschungszentrum in Salzgitter. 2030 soll PowerCo nach VW-Prognosen über 20 Milliarden Euro umsetzen.

Nicht so groß wie die VW-Pläne, dafür aber deutlich weiter gediehen sind die Arbeiten des chinesischen Batterieherstellers CATL in Thüringen. Kaum bemerkt von der breiten Öffentlichkeit hat sich CATL – die Kurzform für Contemporary Amperex Technology – zum größten Batteriezellhersteller der Welt aufgeschwungen. Mit fast jedem Autobauer der Welt ist die Firma derzeit im Gespräch über größere Batteriezelllieferungen. Wohl zum Glück der deutschen Autoindustrie hat das Unternehmen Ende 2018 die Eröffnung einer Fabrik für Elektroauto-Batteriezellen südlich von Erfurt angekündigt.


Seit Oktober 2019 wurde dort gebaut. Nach mehreren Verzögerungen, unter anderem durch die Coronapandemie, steht im zweiten Halbjahr 2022 der Start der Serienproduktion an. 1500 Mitarbeiter sollen in der ersten Ausbaustufe jährlich Batterien für 120.000 E-Autos herstellen. Sie gehen nach Angaben von CATL-Europachef Matthias Zentgraf an den VW-Konzern, BMW und Daimler.

Daimler habe, anders als etwa VW oder BMW, bereits eine eigene Batteriefabrik in Deutschland, so heißt es oft. Tatsächlich beziehen die Schwaben ihre Batterien unter anderem von der Daimler-Tochter Accumotive am Standort Kamenz in Sachsen. Dort werden aber nicht die eigentlichen Technologieträger, die Batteriezellen, gefertigt. Accumotive macht, was BMW oder VW auch tun: Das Unternehmen baut asiatische Batteriezellen zu kompletten Autobatterien zusammen.


Auch darin steckt wichtiges Know-how, denn die Verbindung hunderter einzelner Zellen pro Auto ist nicht banal und kann über Leistungsfähigkeit und Sicherheit der E-Fahrzeuge entscheiden. Dennoch: Eine Montage von Batteriezellen ist keine Batteriezellfabrik, wie sie etwa chinesische oder koreanische Marktführer oder auch das US-Unternehmen Tesla betreiben.

Accumotive baut am Standort Kamenz schon seit 2012 Antriebsbatterien für Hybrid- und Elektrofahrzeuge von Mercedes-Benz und Smart sowie für die Nutzfahrzeuge mit dem Stern. Der Standort verfügt über zwei Batteriefabriken. Die zweite Fabrik kam 2018 hinzu und soll CO2-neutral produzieren. Ein Blockheizkraftwerk, eine Photovoltaik-Anlage und Geothermie versorgen die Fabrik mit Energie.

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Die rund 1300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fertigen dort unter anderem Antriebsbatterien für die EQ-Modelle. Durch die zweite Fabrik wuchs die Produktions- und Logistikfläche auf insgesamt rund 80.000 Quadratmeter. Seit dem Produktionsstart hat Accumotive in Kamenz Batterien für weit mehr als eine Million Fahrzeuge gebaut.

Daimler will sich aber auf Dauer nicht mit der Montage von Batteriezellen begnügen, sondern – wie etwa auch der Volkswagen-Konzern – in die Fertigung von Batteriezellen einsteigen: 2021 gab Daimler bekannt, sich mit 33 Prozent an ACC, einem Zellkonsortium des Automobilherstellers Stellantis (Marken: Opel, Peugeot, Citroën, Fiat, Chrysler, Alfa Romeo) sowie des französischen Mineralölunternehmens TotalEnergies zu beteiligen. ACC will Hochleistungsbatteriezellen in Europa entwickeln und herstellen. Das soll die Abhängigkeit von asiatischen Zellherstellern verringern. Daimler-Chef Ola Källenius sagte über das Vorhaben: „Wir leisten einen Beitrag dazu, dass Europa ein Zentrum der Automobilindustrie bleibt.“



Vor zwei Jahren feierte das US-Unternehmen Microvast im brandenburgischen Ludwigsfelde Richtfest: Innerhalb weniger Monate war dort eine weiße Fabrikhalle entstanden. Nicht nur produzieren will das Unternehmen hier: Anfang 2021 verlegte Microvast auch die Europazentrale von Frankfurt nach Ludwigsfelde. Seit nunmehr über einem Jahr baut das Unternehmen in Brandenburg nun spezielle Batteriesysteme für Transporter und Lkw sowie für Sport- oder Geländewagen. Sie werden aus Batteriezellen hergestellt, die Microvast aus China bezieht. In diesem Sommer ist außerdem die Produktion von Zellen in einem neuen Werk in Clarksville im US-Bundesstaat Tennessee geplant.

Europäisches Gegengewicht zur asiatischen Batteriezell-Dominanz

In Ludwigsfelde soll bald auch eine neue Technologie Einzug halten. Unlängst stellte Microvast zwei neue Lithium-Ionen-Zellen vor, die besonders für Spezial- und Nutzfahrzeuge geeignet sein sollen. Die Zellen können in nur 16 Minuten auf 80 Prozent geladen werden und sollen eine lange Lebensdauer haben. Die Massenproduktion der Zellen, die dann auch in Ludwigsfelde zu ganzen Batterien verarbeitet werden, plant Microvast für kommendes Jahr.

Den deutschen Autoherstellern geht es weniger um ein deutsches als vielmehr ein europäisches Gegengewicht zur asiatischen Batteriezell-Dominanz. In Europa muss es Produktionskapazitäten und eigenes Know-how geben, so die Sicht von VW & Co, wenn man nicht in eine vollständige Abhängigkeit von China, Südkorea und Japan geraten soll.


Der junge schwedische Batteriehersteller Northvolt kommt den Deutschen dabei gerade recht. Volkswagen und BMW haben mit Northvolt bereits eine Kooperation vereinbart. Für den massiven Ausbau der Produktion hat sich das Unternehmen insgesamt rund acht Milliarden Euro von Investoren gesichert. Mit dem Geld errichtete Northvolt unter anderem die Stammfabrik im nordschwedischen Skellefteå, die auf den Bildern zu sehen ist und wo die Produktion Ende 2021 begann. Seit diesem Frühjahr liefert die Fabrik Zellen an Autohersteller aus. Northvolt hat Aufträge im Wert von mehr als 50 Milliarden Euro in den Büchern, unter anderem vom VW-Konzern, BMW, Volvo Cars und Scania.

Unlängst gab Northvolt die Unterzeichnung einer Wandelanleihe über 1,1 Milliarden US-Dollar bekannt. Das Unternehmen will mit dem frischen Kapital die Batteriezellproduktion in Europa beschleunigen. An der Kapitalerhöhung beteiligte sich neben anderen Investoren der VW-Konzern. Northvolt will die Zellen nicht nur produzieren, sondern auch recyceln. Das Ziel: Bereits 2030 möge die Hälfte des Rohstoffbedarfs des Unternehmens aus recycelten Batterien stammen. Peter Carlsson, Mitgründer und CEO von Northvolt, verspricht: „Wir werden weiterhin hart daran arbeiten, unser Versprechen einzulösen, die grünste Batterie der Welt zu bauen.“

Neben der Northvolt Ett Gigafactory in Skellefteå baut das Unternehmen noch eine Gigafabrik im Joint Venture mit Volvo Cars in Göteborg und eine weitere, namens Northvolt Drei, im schleswig-holsteinischen Heide. Außerdem entsteht eine Kathodenfabrik im schwedischen Borlänge. Dabei wurde Northvolt erst 2016 gegründet – von zwei ehemaligen Tesla-Managern.




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