Wer Takeshi Uchiyamada auf Elektroautos anspricht, läuft Gefahr, dass der 65-Jährige einen Stapel PowerPoint-Grafiken auspackt und einen Vortrag über etwas ganz anderes beginnt – über Hybridautos. Sparsame Benziner also, die zugleich einen Elektromotor haben und Bremsenergie zurückgewinnen können. Dass der Toyota-Vizepräsident so gern über diese Fahrzeuge redet, liegt nicht nur daran, dass er den Toyota-Hybridantrieb vor 17 Jahren erfunden hat. Die Technik ist, so glaubt Uchiyamada, der wichtigste Baustein für die Autos der Zukunft – egal, ob sie mit Benzin, Batterien oder Brennstoffzellen fahren.
"Entscheidend ist doch", sagt Uchiyamada, "dass Toyota mit dem Hybridantrieb das Auto elektrifiziert hat" – sprich: mit Batterie und Elektromotor ausgerüstet hat. "Damit haben wir die Plattform für alles, was kommt", sagt der Physiker. "Wenn man den Benzinmotor weglässt, hat man ein reines Elektroauto. Und wenn es eines Tages eine flächendeckende Versorgung mit Wasserstoff gibt, kann eine Brennstoffzelle die Batterie ersetzen."
Deutschland kommt nicht hinterher
Mehr als drei Millionen Mal hat Toyota seinen Hybridantrieb schon verkauft – alle 18 Monate kommt eine Million dazu. Die deutschen Autobauer eifern Toyota mit eigenen Hybridantrieben nach, kommen allerdings über Verkäufe in homöopathischen Dosen nicht recht hinaus.
Die erste Runde der Elektrifizierung des Autos geht klar an Japan.
Wie sich jetzt abzeichnet, könnten die Japaner auch die zweite Runde für sich entscheiden – die Einführung des rein elektrisch angetriebenen Autos. Und das nicht zuletzt durch die weitsichtige Hybridstrategie von Toyota. Das geht aus dem Elektroautoindex (Electric Vehicle Index, kurz: Evi) hervor, den McKinsey für die WirtschaftsWoche vierteljährlich erstellt. Der Evi gibt an, zu wie viel Prozent ein Land die Elektromobilität bereits jetzt erreicht, die Experten für das Jahr 2020 vorhersagen. Gemessen werden bei dem weltweit einzigartigen Ranking die Nachfrage und das Angebot von Elektroautos.
Japan und USA fast gleichauf
In der neusten Erhebung prescht Japan vom dritten Platz an die Spitze vor und liegt in der Gesamtwertung fast gleichauf mit den USA, die seit Beginn der Erhebung führend sind. Dank einer reichen Produktpalette von Toyota, Nissan und Mitsubishi ist Japan in der Kategorie Angebot sogar die Nummer eins. Frankreich kommt im Gesamtranking noch auf einen ordentlichen dritten Platz, Deutschland und China liegen abgeschlagen auf den Positionen vier und fünf. Erstaunlich: Der japanische Durchbruch gelang, obwohl der Absatz von E-Autos unter der Erdbeben-Katastrophe vom März spürbar litt.
Und das war erst der Anfang. Denn der Anteil, den Elektroautos an der gesamten japanischen Autoproduktion in den kommenden fünf Jahren haben werden, wird nun ebenfalls höher eingeschätzt: Marktanalysten korrigierten die Zahl von 3,6 Prozent im Juli auf jetzt 8,6 Prozent. "Dafür spricht die Begeisterung der japanischen Kunden für Elektroautos, die frühe Einführung von E-Modellen und nicht zuletzt die Strategie des Hybridpioniers Toyota", sagt Christian Malorny, McKinsey-Direktor und Autor der Evi-Studie.
Deutschland tüfelt am Detail
In Deutschland dagegen werden Elektroautos bis 2016 mickerige 0,9 Prozent der Gesamtproduktion ausmachen. Das reicht im Vergleich mit anderen Nationen nur für Platz acht.
Die Elektroauto-Offensive läuft in Japan auf Hochtouren. Mit dem Nissan Leaf und dem Mitsubishi i-MiEV werden bereits zwei Modelle zu Zehntausenden weltweit abgesetzt. 2012 geht mit dem Toyota Prius Plug-in eine Weiterentwicklung des Bestsellers Prius an den Start. Das Hybridauto hat dank Benzinmotor eine normale Reichweite, kann aber auch an der Haushaltssteckdose aufgeladen werden und so über 20 Kilometer rein elektrisch fahren – ein Beispiel dafür, wie Toyota seine Hybridtechnik für das Elektroauto-Zeitalter nutzt. Über 50 000 Exemplare des alltagstauglichen E-Autos will Toyota jährlich absetzen. Hoch gesteckte Ziele hat auch Nissan: Das Unternehmen wolle die Führungsrolle bei den Stromern erreichen und in den nächsten fünf Jahren 1,5 Millionen E-Autos verkaufen, überraschte Konzernchef Carlos Ghosn vergangene Woche die Branche.
"Die Japaner gehen das Thema Elektromobilität zupackend und pragmatisch an", meint McKinsey-Berater Malorny. Wie auch die amerikanischen, französischen und chinesischen Hersteller versuchten sie, mit Fahrzeugen, die zwar "nicht unbedingt perfekt ausgereift und bis ins letzte Detail neu konstruiert sind", die Vorherrschaft zu erkämpfen. "Die deutschen Autos kommen später, sollen dafür aber perfekt sein", sagt Malorny. So wird es erst 2013 heimische Elektroautos in größeren Stückzahlen geben. Bis dahin ist Deutschland nur Ankündigungsweltmeister: 44 Elektromodelle haben VW & Co. versprochen, mehr als jedes andere Land.
Während Deutschland noch tüftelt, sammeln andere wertvolle Praxiserfahrungen. Inzwischen avancierte Japan, so die Einschätzung von McKinsey, "zum weltweit größten, realen Testmarkt für Elektroautos".