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Elektromobilität „Wir könnten unsere Flotte als fahrenden Speicher anbieten“

VW-Technikvorstand Thomas Schmall. Quelle: Volkswagen

Seit Anfang des Jahres ist Thomas Schmall Technikvorstand des Volkswagen-Konzerns. Er soll den Autobauer ins rein elektrische Zeitalter führen. Ein Gespräch über drohende Rohstoffengpässe, die Chance, bei der Batterietechnik den Anschluss an die führenden Asiaten zu schaffen und neue Partnerschaften.

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WirtschaftsWoche: Herr Schmall, jahrelang hat sich die deutsche Industrie gegen eine eigene Batteriezellenfertigung für E-Autos gewehrt. Jetzt steigt Volkswagen ein: In Salzgitter soll eine Zellfabrik für mehrere Hunderttausend E-Autos pro Jahr entstehen. Sie investieren Milliarden. Was brachte den Sinneswandel?
Thomas Schmall: Die Batterie ist der Kern des E-Autos, und das E-Auto ist das Fahrzeug der Zukunft. Unsere Kinder werden uns einmal fragen, was eigentlich eine Motorhaube und ein Auspuff waren. Es ist also naheliegend, dass Volkswagen als einer der größten und technisch führenden Hersteller der  Verbrennerwelt auch die Batteriezelle selbst bauen will, so wie wir bisher Motoren selbst gebaut haben. Jetzt werden die Claims für die nächsten 30 Jahre Wertschöpfung in unserer Industrie abgesteckt – und da möchten wir ganz vorn mit dabei sein. 

Haben bei der Entscheidung auch Rohstoffengpässe eine Rolle gespielt? Westliche Autohersteller mussten die Erfahrung machen, dass das asiatische Zelloligopol viel mehr Macht hat, als sie es von ihren traditionellen Zulieferer gewohnt waren. Zellen wurden nicht immer in ausreichender Zahl geliefert.
Es spielen viele Überlegungen eine Rolle: technische und marktwirtschaftliche. Dass die Zellen am Markt oft knapp sind, stimmt. Andererseits sind derzeit allein in Europa rund 30 neue Zellfabriken in Bau oder geplant; das Angebot wird also zunehmen. Unser Hauptantrieb ist, dass wir den technologischen Kern unserer künftigen Produkte selbst beherrschen wollen.

Wie groß ist der Rückstand auf die heute führenden Hersteller?
Die heutigen Marktführer aus Asien haben vor 15 bis 20 Jahren angefangen, Lithium-Ionen-Zellen im großen Stil für mobile Anwendungen wie das Elektroauto herzustellen. Natürlich ist der Vorsprung groß. Aber er ist nicht uneinholbar. 20 Jahre klingt viel, aber wir müssen nicht alle Erfahrungen und Fehler selbst machen, die andere gemacht haben. An der einen oder anderen Stelle können wir hoffentlich weiter oben an der Lernkurve einsteigen.

Die Batterie ist die größte Schwäche des Elektroautos: Sie lädt zu langsam, ist im Winter schwach, vor allem zu teuer. Doch nun häufen sich spektakuläre Forschungserfolge.
von Stefan Hajek, Matthias Hohensee

Wo denn?
Wir produzieren in Braunschweig bereits selbstständig Batteriepacks für unsere E-Auto-Plattform, den MEB Baukasten, auf einem ganz anderen technischen Niveau, als das noch vor vier oder fünf Jahren möglich war...

…bisher aber mit fremden Zellen…
…von mehreren technisch führenden Zulieferern, ja. Die Batteriesystemfertigung ist der logische erste Schritt. Nun gehen wir peu à peu die Zelle an, die technisch und finanziell eine andere Herausforderung darstellt. Dabei ist wiederum das Testlabor hier in Salzgitter der erste Zwischenschritt. Es ist eines der modernsten der Welt, in dem wir die Zellen anderer Hersteller und unsere eigenen Entwicklungen bis hinunter auf die atomare Ebene testen. Wir sehen zum Beispiel, wie die Struktur der Elektroden, der Anode und der Kathode genau aufgebaut ist. Wo wird in der Kathode wie viel Kobalt, Nickel oder Silizium in der Anode eingesetzt? In welchen Strukturen? Wie verändern neue chemische Zusammensetzungen das Schnellladen, die Lebensdauer, die Leistungsdichte? Wir gehen vom Kleinen zum Großen. 

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Wie geht es weiter?
Am 13. September haben wir unsere Labore als Forschungsfabrik angefahren. Hier testen wir, ob und wie sich die neuen, besseren Zellen in die industrielle Massenfertigung bringen lassen. Auch das Recycling der Batterien, wenn sie am Ende des Fahrzeuglebens zu uns zurück kommen, soll hier in Salzgitter passieren. Unser Ziel ist ein geschlossener Kreislauf mit mehr als 90 Prozent Rückgewinnung aller wertvollen Rohstoffe.

Und wann bauen Sie die eigentliche Gigafactory?
In den kommenden ein bis zwei Jahren. Das genaue Datum des Spatenstichs kennen wir noch nicht. Start der Serienproduktion hier in Salzgitter wird  2025 sein; bei Northvolt in Schweden starten wir bereits 2023 mit Premiumzellen.

Wie viele Zellen wird VW in Salzgitter fertigen?
In der ersten Ausbaustufe 20 Gigawattstunden. Wir halten Kapazitäten für eine zweite Ausbaustufe von ebenfalls 20 Gigawattstunden vor. 40 Gigawattstunden reichten dann für etwa 700.000 mittelgroße reine E-Autos. Um ihrer nächsten Frage vorzugreifen: Nein, das reicht nicht, um den kompletten künftigen Bedarf des VW-Konzerns an Batteriezellen zu decken. Wir werden in den kommenden Jahren zusätzlich auch weiterhin Zellen zukaufen, und wir werden gemeinsam mit Partnern weitere Zellfabriken in Europa bauen.

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