Gegenargumente im Überblick Die großen Probleme der neuen Stromer

Opel startet mit dem Ampera in Deutschland. Die Limousine wird aber kaum die Massen elektrisieren. Es gibt es zu viele Probleme, die alle Elektro-Serienfahrzeuge erst noch bewältigen müssen.

Hoher Preis: Für einen Opel Ampera muss der Kunde mindestens 42.900 Euro an Opel überweisen, der Volt von GM ist 950 Euro günstiger. Ein auf konventionelle Spritspar-Technik setzender VW Golf BlueMotion kostet etwa die Hälfte: 21.850 Euro. Bei einem Preis von ungefähr 1,40 Euro pro Liter Diesel belaufen sich die Energiekosten des Golf Blue Motion auf 7,7 Cent pro Kilometer. Die Energiekosten des Ampera sind bei vergleichbaren Fahrleistungen nur 2,7 Cent pro Kilometer geringer, aber in der Anschaffung kostet er 21.050 Euro mehr. Michael Bargende, Leiter des FKFS Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart bestätigt: „Der Aufpreis für ein Elektroauto liegt bei mindestens 50 Prozent.“ Selbst nach Schätzungen der Industrie werden E-Autos künftig mindestens 4.000 bis 9.000 Euro teurer sein als herkömmliche Wagen. Quelle: obs
Fehlende Infrastruktur: Sie wohnen in einer niederrheinischen Kleinstadt zur Miete und ihr Auto steht auf einem angemieteten Tiefgaragenstellplatz? Dann werden Sie auf Jahre hinaus kein Kandidat für ein Elektrofahrzeug sein, denn zum Aufladen haben Sie weder eine Steckdose in der Garage, noch mögen Sie nachts zum Aufladen ein Verlängerungskabel aus Ihrer Wohnung im zweiten Stock zum Bürgersteig herunterlassen. Solange unklar ist, wer in welchem Umfang ausreichende, gut zugängliche und leicht zu bedienende Strom-Zapfsäulen selbst in der deutschen Provinz aufstellt, wird das Elektroauto eine Randerscheinung bleiben. Siehe: Entwicklung mit Erdgas- oder Autogas betriebener Fahrzeuge! Wer sein Elektroauto an einer öffentlichen Steckdose aufladen will, muss lange suchen. Gerade einmal 10000 öffentliche Ladestationen wurden 2010 in Europa gezählt. Quelle: dpa
Brandgefahr bei Ladekabeln: TÜV-Experten gehen davon aus, dass noch elf Millionen deutsche Haushalte ein Stromnetz aus den 60er-Jahren haben. Mit einer maximalen Absicherung von zwölf Ampere. Ein übliches Serienelektroauto wie der Opel Ampera zieht aber für eine Ladung mehrere Stunden lang rund 16 Ampere Strom wie etwa der Opel Ampera. Einfach die Verlängerungsschnur auszurollen und an der Steckdose aufzuladen, kann also gefährlich werden, da sich Leitungen und Dosen schnell erwärmen können. In einem Test von Eon und TÜV zeigte eine Wärmebildkamera, dass eine Steckdose nach 15 Minuten Ladevorgang 81 Grad Celsius erreichte. Ruth Werhahn, Chefin der E-Mobilität bei Eon: "Wir haben die Versuche abgebrochen." Quelle: dapd
Niedrige Reichweite: Mehr als kurze Fahrten im Stadtverkehr sind mit dem batteriebetriebenen Elektroauto derzeit nicht machbar. Zwischen 100 und 150 Kilometer Reichweite erzielen die Fahrzeuge heutzutage unter besten Bedingungen pro Batterieladung. Allerdings ist der Akku bei Kälte, Hitze, voller Beladung oder hohem Tempo immer schon deutlich früher am Ende. Auf dem Kälteprüfstand des TÜV Süd büßte der Akku eines Elektro-Smart 47 Prozent an Reichweite ein, als die Temperatur von 23 auf Grad sank. Vor allem für die Bewältigung größere Distanzen sind die E-Autos also noch keine Alternative. "Ein Problem sind die Kosten der Batterie und deren Leistungsfähigkeit bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen", sagt auch Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte der Universität Duisburg-Essen. Als Reichweitenverlängerer (Range Extender) kommen aber bereits jetzt zusätzlich kleine konventionell betriebene Motoren zum Einsatz, die während der Fahrt die Batterie wieder aufladen. Quelle: dpa
Späte Amortisierung: Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Hochschule Nürtigen-Geislingen hält Elektroautos aktuell für finanziell nicht wettbewerbsfähig: "Wir rechnen damit, dass in den kommenden Jahren der Strompreis mindestens genauso stark steigen wird wie die Kraftstoffpreise. Damit ist davon auszugehen, dass das Elektroauto von der Kostenseite betrachtet nicht wettbewerbsfähig sein wird." Nach einer Berechnung seines Instituts lohnt sich der Umstieg von einem aktuellen Benziner auf ein Elektroauto, das auf dem heutigen Stand der Technik ist, erst ab einer Fahrleistung von 178.500, bei Dieselmotoren sogar erst bei über 270.000 Kilometern. Quelle: ap
Wettstreit der Systeme: Es ist ein bisschen wie damals, als beim guten alten Videoband VHS, Betamax und Grundigs Video 2000 um die Marktbeherrschung kämpften: Es konnte nur das Format siegen, für das es die meisten Pornos in der Videothek zum Ausleihen gab. Bei den Autos ist die Sache schon jetzt noch viel komplexer: Batterieaustausch per Better Place? Öffentliche oder private Aufladestation? Auto kaufen und Batterie leasen (wie beim Renault Twizy)? So lange diese und andere Fragen ungeklärt sind und deutsche Institutionen wie Stiftung Warentest bzw. der ADAC keine klaren Empfehlungen aussprechen, wird der Kunde sich weiter zurückhalten. Quelle: dapd
Bremsklotz Dienstwagenbesteuerung: Weil Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren gegenüber vergleichbaren konventionellen Fahrzeugen einen höheren Bruttolistenpreis aufweisen, führt die Anwendung der Ein-Prozent-Regel dazu, dass Nutzer elektrischer Dienstwagen einen deutlich höheren geldwerten Vorteil zu versteuern haben – obwohl der Nutzwert wegen der begrenzten Reichweite deutlich eingeschränkt ist.„Dies verhindert die vollständige Erschließung des Marktpotenzials bei gewerblichen Kunden, da sich eine Vielzahl von potenziellen Dienstwagennutzern bei bestehendem finanziellem Nachteil gegen elektrische Fahrzeuge entscheiden wird“, heißt es dazu in dem Zweiten Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität. Quelle: Pressefoto
Unsichere Zukunftsaussichten: Auch beim Thema Versicherung sind einige Fragen noch nicht beantwortet. Da bisher kaum Elektrofahrzeuge unterwegs sind, fehlt schlicht der Erfahrungsschatz, um sie in Typklassen einzustufen. Severin Moser von der Allianz-Versicherung in München erläutert: „Für alle Pkw ist die Typklasse die Grundlage für die Versicherungseinstufung. Sie basiert auf der Schadensstatistik des jeweiligen Fahrzeugmodells und berücksichtigt die reale Unfallhäufigkeit sowie die Höhe der danach fälligen Reparaturkosten.“ Wie bei neuen Modellen mit konventionellen Antrieben auch müssen die Versicherungen anhand von Crashversuchen und Vergleichsmodellen hochrechnen. Quelle: dpa
Sicherheit: Ist die Hochspannung an Bord nicht ein Risiko – vor allem bei Unfällen? Die Hersteller versuchen da jeden Zweifel zu zerstreuen. Teils werden die Fahrzeuge in groß angelegten Tests durch knietiefe Pfützen geschickt, allein um die Stromschlaggefahr zu widerlegen. Nachteile gegenüber herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen haben Halter von Batterie-Fahrzeugen jedoch in der Werkstatt. Denn noch ist nicht jede Vertragswerkstatt auf die neue Technik eingestellt. Bei Mitsubishi zum Beispiel werden die Mechaniker erst nach und nach geschult, räumte Pressesprecher Helmut Bauer kürzlich ein. Auf einen steigenden Anteil alternativ angetriebener Fahrzeugen müssen sich auch die Pannendienste erst vorbereiten. „Wir haben 1.700 Mitarbeiter der Straßenwacht geschult, damit sie Hand an die bis zu 400 Volt starke Technik legen dürfen“, sagt ADAC-Pressesprecher Christian Buric. Die Lithium-Ionen- Batterie, die auch aus Handy-Akkus bekannt ist, darf bei einem Unfall nicht explodieren und muss mindestens zehn Jahre halten, damit sich die Technik lohnt. „Das Thema hat noch kein Hersteller richtig gelöst“, sagt Professor Willi Diez, Leiter des Instituts für Automobilwirtschaft in Geislingen. Quelle: obs
Mangelnde Akzeptanz beim Käufer: Anfang 2011 waren gerade einmal 2.307 reine E-Autos in Deutschland zugelassen. Anlass für Unsicherheiten, das haben die vorherigen Beispiele gezeigt, gibt es viele. Ein weiteres gefällig? Nehmen wir die Kfz-Steuer: Der Steuerrechner auf der Internetseite des Bundesfinanzministeriums kennt bislang nur Benziner oder Diesel. Theoretisch hat die Behörde noch Zeit für das Update. Denn für die ersten fünf Jahre sind Halter eines E-Autos komplett befreit. Der Tarif für E-Autos orientiert sich aktuell an der Steuertabelle für leichte Nutzfahrzeuge, gewährt aber einen Bonus von 50 Prozent. Gerechnet wird dabei nicht mit Hubraum, sondern mit zulässigem Gesamtgewicht. „Für einen Elektro-Pkw mit einem zulässigen Gesamtgewicht von einer Tonne wären dann 56,25 Euro jährlich zu entrichten.“ Für ein Kompaktauto wären es rund 100 Euro. Und in fünf Jahren? Wer weiß jetzt schon, wie die Regierung dann über die Besteuerung denkt - und wo der Strompreis dann steht? Quelle: dpa
Fehlende Langzeittests und Erfahrungen: Von Januar bis April 2011 wurden in Deutschland 785 reine Elektrofahrzeuge zugelassen. Im kompletten Jahr 2010 waren es nur 309. Die wenigsten Autokäufer sind also in der Lage ihren Nachbarn nach seinen Erfahrungen damit zu fragen. Denn die Mehrheit der Elektrofahrzeuge dreht sich auf dem Rummelplatz im Kreis oder kracht beim Autoscooter ineinander. Auto-Journalisten geht es da etwas besser, sie konnten erste Fahrtests in echten Modellen absolvieren. Aber die Langfrist-Erfahrungen fehlen ebenso wie die Tests über 100.000 Kilometer, es gibt keinen funktionierenden Gebrauchtwagenmarkt, keine spezialisierten freien Werkstätten. Und wer kann schon sagen, wie lange das Herzstück, der sündteure Akku, hält, bzw. was er nach fünf Jahren im Austausch kostet? Quelle: dpa-tmn
Akku-Technik und Umweltfreundlichkeit: Die Akktutechnik ist heute bei weitem nicht ausgereift. Und solange nicht der Ladestrom aus erneuerbaren Quellen kommt, ist auch der Antrieb mit Strom nicht umweltfreundlich. Wann werden die heute hergestellten Akkus verschrottet bzw. wie sieht es mit ihrem Recycing aus? Zum Klimaschutz trügen Elektroautos wenig bei, sagt auch Wolfgang Lohbeck von Greenpeace: "Das Elektroauto in seiner aktuellen Form wird niemals ein Massenprodukt. Dazu ist es zu schwer und zu teuer."Eine Steuerbefreiung bzw. Subventionierung für eine einzige (nicht ausgereifte) Antriebstechnologie erscheint vor dem Hintergrund zahlreicher ungelöster Probleme zumindest fragwürdig. Quelle: dpa
Alles wird gut! Aber wann? Wann erreichen die Hersteller rentable Stückzahlen? Kennen Sie noch den Spruch, "Wer sich zuerst bewegt, verliert?" Der hat offenbar auch beim E-Auto Gültigkeit, denn der Verbraucher zahlt für eine Technik in Kinderschuhen einen hohen Einstiegspreis. Derzeit kostet ein Batterie-Pack rund 15.000 bis 20.000 Euro. Den Durchbruch zur Produktion von kostengünstigen und leistungsfähigen Lithium-Ionen-Batterien mit einem Preis von 1.500 bis 2.000 Euro erwartet Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erst um das Jahr 2015. „Dann sind wir so weit, dass ein Elektrofahrzeug oder ein Hybridfahrzeug so teuer ist wie jetzt ein Diesel oder ein Benziner“, sagt der Professor. Quelle: dpa
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