Blick ins Archiv: Hajeks High Voltage #1

Nachgerechnet: Wann Elektroautos sauberer sind als Verbrenner

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Nach drei Jahren klimafreundlicher als Diesel oder Benziner

Die Zahl geht auf die so genannte Schweden-Studie von 2017 zurück, eigentlich eine Metastudie, die zehn andere, ältere Studien auswertete. Die Zahl 17 Tonnen taucht dort aber gar nicht auf. Ein schwedischer Journalist hat sie selbst hergeleitet, indem er auf Basis der umweltschädlichsten Zellen, die er in der Vergleichsstudie finden konnte, auf das Auto mit der größten Batterie hochrechnete, einen Tesla. Nur: Tesla stellt seine Zellen in Nevada ganz anders her, mit viel weniger CO2 [15]. Und die chinesischen Zellen mit dem höchsten CO2-Ausstoß in der Herstellung befinden sich nicht in Elektroautos – schon gar nicht in neuen.

Außerdem waren viele Primärquellen aus der Metastudie schon 2017 veraltet, heute sind sie wohl auch falsch. Kurz: moderne E-Autos mit so schlechten Werten wie aus dem Worst Case der Schwedenstudie gibt es gar nicht. Trotzdem wurde die Zahl immer wieder begierig aufgegriffen. Auch Jahre später noch, etwa von Hans-Werner Sinn und Christoph Buchal [16], als die falsche Ableitung längst öffentlich richtiggestellt war.

Was ist nun realistisch? Die Werte in der wissenschaftlichen Literatur zum CO2 Abdruck der Batterieproduktion variieren erheblich. Als Faustregel gilt aber: In den USA und Westeuropa hergestellte Akkus setzen bei der Produktion 65 bis 70 Prozent weniger CO2 frei als chinesische [17, 18]. Zellehersteller LG Chem legte 2018 einige Daten offen: Für die Herstellung des Akkus für den Ford Focus E wurden in Südkorea demnach 3,2 Tonnen CO2 freigesetzt. Ein relativ hoher Wert von fast 130 Kilo CO2 je Kilowattstunde (kWh) Akkukapazität, was unter anderem an der relativ kleinen Batterie und am koreanischen Strommix liegt, der noch viel Gas- und Kohlestrom enthält.

Trotzdem: Diese 3,2 Tonnen stößt ein (sehr sparsamer) Benziner in nur einem Jahr oder bei 19.000 Kilometern Fahren aus. Schon nach etwa drei Jahren wäre der Elektro-Ford also inklusive seiner Herstellung klimafreundlicher unterwegs als sein Benzin-Pendant.

Und: weltweit – auch in Korea, Japan, China – steigt der Anteil der erneuerbaren Energiequellen am Strommix [18]. Tesla produziert in seiner Gigafactory in Nevada bereits zum Teil mit Ökostrom. Volvo will dasselbe tun. Und VW hat angekündigt, seinen Zulieferer LG Chem in Polen ab sofort vertraglich zur Grünstromnutzung beim Batteriebau zu verpflichten. Allein das wird den CO2-Rucksack der VW-Elektromodelle gegenüber heute halbieren.

Nach etwa drei Jahren fährt das E-Auto im Grünen Bereich

Die meisten verwenden inaktuelle Daten oder werden von jemandem finanziert, der ein Interesse an einem bestimmten Ergebnis hat. Studien, die zugleich unabhängig und methodisch sauber sind sowie halbwegs aktuelle Daten verwenden, sind die Minderheit.

Aber es gibt sie [17, 18, 19, 20]. Rechnet man nun mit den Mittelwerten dieser Studien, ergibt sich ein klares Bild: bereits nach etwa drei Jahren oder 45.000 Kilometern fahren E-Autos insgesamt klimafreundlicher als Diesel oder Benziner. Danach ist jeder gefahrene Kilometer mehr ein Dienst am Klima – es sei denn, die Alternative hieße nicht Diesel oder Benzin, sondern Fahrrad oder per pedes.


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Wer trotz der eindeutigen Ergebnisse immer noch unsicher ist, ob ein E-Auto dem Klima nutzt, sollte zwei Ratschläge berücksichtigen: 1. Ökostrom laden (einige Öko-Autostromtarife sind nicht einmal teurer als konventioneller Strom) und 2. ein Auto mit einem Akku aus europäischer oder US-Produktion kaufen.

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Das ifeu Institut hat einen interaktiven Rechner auf seiner Seite: http://www.emobil-umwelt.de/

Für die vertiefende Lektüre habe ich eine Liste seriöser Studien zusammengestellt:

https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/klimabilanz-von-elektroautos/

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