Innovation der Woche

Cleverer Allzweckbus

Jürgen Rees
Jürgen Rees Ehem. Redakteur Technik & Wissen

Der Spacecamper light auf der Basis des VW-Buses versucht mit cleveren Ideen in einem Fahrzeug möglichst viele Ansprüche zu befriedigen. Ein Fahrbericht.

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Spacecamper Quelle: Pressebild

Campingbusse sind wie Ferienwohnungen: Die meiste Zeit des Jahres stehen sie rum. Ihre Eigentümer nutzen sie in den Ferien und ab und an für ein verlängertes Wochenende. Und trotzdem träumen Singles, Paare und Kleinfamilien vom Auto mit Kultstatus – dem VW-Bus, am besten mit pfiffiger Innenausstattung.

Einer dieser Träumer war Markus Riese. Riese ist Diplom-Ingenieur aus Darmstadt, der seit einigen Jahren unter dem Firmennamen Riese & Müller gemeinsam mit seinem Partner pfiffige und hochwertige Fahrräder baut. Warum nicht ein Fahrzeug wie den VW-Bus so ausbauen, dass möglichst viele Nutzungen möglich sind: Mobiles Büro, moderner Camper, geräumiger Transporter und bequemer Familientransporter? Aus dieser Idee heraus entstand der Spacecamper aus dem gleichnamigen Unternehmen.

Aussehen: Schon die schicke schwarz-weiße Lackierung signalisiert, dass der Spacecamper Light anders sein will. Als Basis dient im Fall des Testwagens die Caravelle-Comfortline-Variante des Volkswagen T5. Um mit dem ausfahrbaren Hochdach die magischen zwei Meter Höhe nicht zu überschreiten, haben die Spacecamper Ingenieure den Wagen ein paar Zentimeter tiefer gelegt. So passt er in praktisch jede gängige Tiefgarage.

Innenleben: Beim Light handelt es sich im Gegensatz zum Classic-Modell aus dem gleichen Unternehmen um die Variante mit abgespecktem Möbelbau. Das ist der Preis für die Variabilität. Ein kleiner Schrank hinter dem Fahrersitz muss reichen. Der ist aber ziemlich praktisch, denn um mehr Tiefe zu bekommen, schneidet Spacecamper die Seitenverkleidung des Busses aus und baut den Schrank fast bis an die Karosserieaußenhaut. Die vordere Klappe dient gleichzeitig als Tisch, der an einem fixierbaren Gasdruckdämpfer geführt nach oben gleitet. Oben drin steckt ein sehr kleines Waschbecken: Händewaschen funktioniert. Zum Serienumfang des Light zählt auch ein mit Gas oder Spiritus betriebenes Kochset von Trangia, das sich sowohl auf dem Möbel befestigen als auch draußen benutzen lässt. Direkt hinter dem Schränkchen bringt Spacecamper auch noch eine schmale Kühlbox unter.

Das Highlight der Inneneinrichtung ist die flexible, bequeme und trotzdem leichte Rücksitzbank. Auf ein Schienensystem zum Verschieben der Bank verzichtet Spacecamper bewusst -, aus langer, sandiger Surfer-Erfahrung. In Null Komma Nichts entsteht aus der Bank ein superbreites Bett: Nur die Rückenlehne auf die Sitzfläche klappen, den kleinen Kunststoff-Keil - sofern für die Länge nötig - auf die Kopfstützen legen. Fertig. Die Bank hat sich Spacecamper mittlerweile patentieren lassen. Die Liegefläche ist eben und mit 2,06 mal 1,51 Meter dürfte sie eine der größten Liegeflächen in dieser Klasse bieten. Am Kopfende im Heck leuchten zwei Leselampen. Das passt. Wer die Bank aber grade nicht braucht, weil er im Möbelhaus den Großeinkauf plant, der baut die Bank in weniger als zwei Minuten ohne fremde Hilfe aus. Das ist kein Marketing-Gag, es ist ausprobiert und funktioniert prima.

Reichhaltige Kapazitäten

Spacecamper light Quelle: Pressebild

Praktisch sind auch die Taschen unterschiedlicher Größe, die an verschiedenen Stellen im Fahrzeug mit einem Klick an den dafür vorgesehenen Haltern befestigt werden. Sie bieten Platz für Kleidung, Bücher, Geschirr, Gewürze oder die Körperpflege. Wer am Wochenende schnell mal wegfahren möchte, braucht nicht erst umständlich Schränke einräumen.
Die Taschen werden mit allen wichtigen Dingen aus der Wohnung genommen und ihren Platz im Fahrzeug „geklickt“.

Wer aber mit zwei Erwachsenen und einem Kleinkind campt, muss sich etwas umgewöhnen. Denn dann reichen die Kapazitäten des Schranks und der Taschen nicht aus. Unter der höher gelegten Bank ist jedoch reichlich Platz für praktische Alukisten, die Unmengen an Kleidung, Spielsachen und Getränkevorräte.
Der wahrscheinlich schönste Ort des Spacecampers ist das Dachbett, das für zwei Erwachsene zum Schlafen ausreicht und mit Kleinkind gut gefüllt ist. Per Knopfdruck lässt sich das Aufstelldach hochfahren. Die Matratze besteht aus Luft- und Schaumpolstern, die sich mit einem Kompressor aufblasen lassen. Der Liegekomfort lässt sich so individuell anpassen. Wir hatten einen Campingplatz direkt am Comer See: Der vordere Teil des Zeltes lässt sich komplett aufzippen. Die morgendliche Aussicht auf den See und die Sonne waren großartig.

Unter dem Wagenheck hängen gleich zwei 40 Liter große Frischwassertanks. Der Inhalt des einen lässt sich via Wärmetauscher über den Kühlkreislauf des Motors aufheizen. Warmduschern steht dann sogar eine Außendusche zur Verfügung. Zwei praktische, in der Heckklappe untergebrachte Vorhänge schützen dabei vor neugierigen Blicken.

Fahren: Der VW-Bus ist unter anderem deswegen so beliebt, weil er sich praktisch wie ein Auto fährt und die Sitzposition einen guten Überblick bietet. Der Spacecamper fährt sich noch eine Spur knackiger, weil er ein paar Zentimeter tiefer liegt. Manchmal gibt er deshalb Straßenunebenheiten ziemlich ungefiltert an die Insassen weiter. Dafür passt er tatsächlich auch in italienische Tiefgaragen. Weil er auf Leichtbau getrimmt ist, verbraucht er mit der 140 PS-Maschine bei ziviler Fahrweise unter zehn Liter Diesel auf 100 Kilometer.

Kosten: Der Spacecamper light kostet in der Grundausstattung mit dem 84 PS-Dieselmotor gut 34 000 Euro. Doch alle Sachen, die Spaß machen, kosten extra: stärkere Motoren (140 PS für plus 3385 Euro) Aufstelldach 5350 Euro, Warmwasseranlage plus 1490 Euro oder die Außendusche am Heck für 159 Euro.

Fazit: Der Spacecamper macht Spaß, er ist absolut alltagstauglich und muss nicht nach den Ferien in der Garage auf seinen nächsten Einsatz warten. Wie so oft hat dieser Spaß seinen Preis: Ist der Spacecamper light fürs Campen, transportieren und als mobiles Büro wirklich gut gerüstet sind schnell 50 000 Euro weg.

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