Innovative Konzepte So sollen Deutschlands marode Straßen zukunftsfähig werden

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Drohnen statt Bauarbeiter

Zum Beispiel mit der orange eingekleideten Maschine am Autobahnkreuz Köln-Ost. Die Technik in ihrem Inneren ähnelt einem modernen Induktionsherd. Nur dass ihr Magnetfeld eben keine Töpfe erhitzt, sondern feine Metallspäne, die Materialforscher zuvor in den Asphalt der Testfahrbahn gemischt haben. Der Clou: Dank der Hitze wollen die Verkehrsforscher Schäden in der Oberfläche beheben, bevor sie sich zum Schlagloch auswachsen und dann zum Sicherheitsrisiko werden.

Der Heizimpuls sorgt dafür, dass das Bitumen – der schwarze Kleber, der den Splitt zur festen Fahrbahn verbindet – kurz weich wird. Und dass sich dadurch die winzigen Risse im Belag, die unter dem Einfluss von Sonne, Wasser, Eis und endlosen Lasterkolonnen entstehen, wieder verschließen. Das, hoffen die Forscher, könnte Reparaturen für Jahre überflüssig machen.

Beschädigte Teile von alten Betonfahrbahnen können Zanders Straßenbauer seit Kurzem sogar stückweise durch komplett neue Fahrbahnplatten ersetzen – fast so, als tauschten sie einzelne Streckenteile einer Carrera-Bahn aus. Weil die Platten in der Fabrik vorproduziert werden, hängen die Reparaturarbeiten nicht mehr vom Wetter ab. Und weil der Beton vor Ort nicht aushärten muss, bleiben Straßen nicht mehr tagelang, sondern nur noch für ein paar Stunden gesperrt.

Die Forscher suchen aber auch nach robusteren Asphaltmischungen. Wetterwechsel, Stop-and-go-Verkehr und die Wärmeabstrahlung stehender Autos an Ampeln setzen vor allem den Straßen in Städten zu: „Bei warmem Wetter wird der Asphalt dort noch weicher als anderswo“, sagt Alexander Buttgereit, Abteilungsleiter Straßenbau beim Tiefbauamt Münster und Experte der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen. „Wir brauchen härtere Beläge, die trotzdem wenig Rollgeräusche verursachen – und die dabei auch noch Wasser aufnehmen können, um Starkregen abzuleiten.“

Eine Antwort auf den Klimawandel könnten Straßenbeläge mit integrierten Kühl- oder Heizleitungen sein, wie viele Menschen sie von Fußbodenheizungen kennen. Im Sommer hielten sie die Fahrbahn kühl und hart. Im Winter würden sie verhindern, dass sich Eis bildet. Denn das verursacht nicht nur Unfälle, sondern es setzt auch die Fahrbahn einem regelrechten Stresstest aus und sprengt die winzigen Alterungsrisse im Asphalt auf. Denkbar wäre zudem, dass Straßen Strom erzeugen oder sogar E-Autos mit Energie versorgen: „Parkplätze mit Ladespulen im Boden gibt es schon“, sagt Buttgereit. „Wenn Autos darüber rollen, können die Spulen theoretisch auch Strom erzeugen und ihn an Elektrowagen übertragen.“

Wo wie viel Geld für den Erhalt der Straßen fehlt.Quelle: Pro Mobilität, BMVI

Wissenschaftler der britischen Universität Leeds wiederum wollen im Rahmen des Forschungsprojektes Self Repairing Cities Drohnen entwickeln, die Straßen überwachen. Langfristig sollen die Flugroboter nicht nur Straßenschäden erkennen, sondern kleinere Asphaltrisse auch mithilfe von 3D-Druckern selbstständig kitten, ohne dass noch Bautrupps ausrücken müssen. Zur sich selbst heilenden Stadt gehören daneben auch Fahrbahnen und Brücken, die mit Sensoren ausgestattet sind und rechtzeitig Alarm schlagen, wenn Schäden drohen. Eine Straße würde dann vorsorglich und schnell ausgebessert – und nicht mehr verspätet und mit langer Sperrung für Reparaturen.

Ein erstes Ergebnis der Tests am Autobahnkreuz Köln-Ost: Mit einer neuen Struktur des Unterbaus, etwas dickeren Schotterschichten und etwas höherwertigerem Asphalt lässt sich die Haltbarkeit der Fahrbahnen massiv erhöhen. „Mit Mehrkosten von etwa zehn Prozent verdoppeln wir die Lebensdauer der Straßen von 30 auf 60 Jahre“, sagt Experte Zander. „Erst mal beschert uns die Grundsanierung ein paar Baustellen mehr. Aber dafür rollt der Verkehr danach sehr viel länger ungestört.“

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