Ist das E-Auto ein Rückschritt? So verteidigen die Autoren ihre umstrittene Studie zur Klimabilanz von E-Autos

Quelle: imago images

Eine Studie des Physikprofessors Christoph Buchal und des Ex-Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn zur Umweltfreundlichkeit von E-Autos wurde harsch kritisiert – auch von der WirtschaftsWoche. Nun nehmen die Autoren Stellung.

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Nach einer kürzlich bekanntgewordenen Studie des früheren Ifo-Präsidenten Hans-Werner Sinn und seiner Co-Autoren Christoph Buchal und Hans-Dieter Karl belastet ein E-Auto das Klima mehr als ein Diesel. An der Studie gab es breite Kritik, auch von WirtschaftsWoche-Redakteur Stefan Hajek. Nun äußern sich die Studienautoren selbst zur Debatte. Wir veröffentlichen die Stellungnahme nachfolgend im Wortlaut:

In unserer Studie wollten wir einer breiteren Öffentlichkeit erläutern, dass E-Autos im Gegensatz zur politischen Klassifizierung und öffentlichen Wahrnehmung nicht a priori CO2-emissionsfrei sind. Die intensive mediale Debatte drehte sich vor allem um den direkten Vergleich zweier PKW. Wir bedanken uns für zahlreiche kluge Zuschriften.

Unsere Bemerkungen zu den Flottenverbräuchen als Zwang zur E-Auto-Produktion wurden kaum kommentiert, ebenso gab es keine Beiträge zur wichtigen Einbindung des Verkehrssektors in den Stromsektor und der Erwartung, dass der zusätzliche Strom für die E-Autos wegen der in Kürze anstehenden Abschaffung der Kernreaktoren vorläufig vornehmlich aus fossilen Quellen kommen wird, so dass der heutige deutsche Strommix ein viel zu günstiges Bild für den CO2-Ausstoß der Elektroautos zeigt. Auch blieben unsere Ausführungen zur Speicherung überschießender Stromspitzen bei höheren Marktanteilen des Wind- und Sonnenstroms sowie zur Verlagerung der extrahierten Erdölmengen in die weniger umweltbewussten Länder unkommentiert. Das erstaunt uns.

Allerdings wurde in vielen Zuschriften die noch benötigte, gewaltige und kostspielige Aufrüstung der elektrischen Verteilernetze in den Städten angesprochen, die wir nicht problematisiert haben.

Im Folgenden gehen wir auf verschiedene Kritikpunkte ein, die uns entgegengebracht wurden:

1. Haben wir die Bedeutung der E-Mobilität für die Verbesserung der Luftqualität der Städte übersehen?

Das haben wir nicht. Den Vorteil der Elektromobilität für die Säuberung der Stadtluft haben wir hervorgehoben, auch wenn wir uns nicht näher mit diesem Thema beschäftigt haben. Richtig ist, dass wir die kleinen E-Autos wie Streetscooter und ähnliche nicht explizit erwähnt haben. Wie im Buch „Mobilität“ von Ch. Buchal, A. Gabor und S. Schiebahn ausführlich erläutert, sind kleine E-Autos segensreich für den Stop-and-Go-Betrieb in der Stadt. Bei kleinen E-Autos ist auch der CO2-Rucksack der Batterie viel geringer. Die Autoren dieses Textes sind große Freunde und Verfechter dieser Form der E-Mobilität. Sie war aber nicht Gegenstand dieser Studie. Bei den verglichenen Modellen, Tesla Model 3 und Mercedes C 220 d, handelt es sich nicht um leichte Stadt-Autos für kurze Entfernungen, sondern um Autos mit windschnittigen Karosserien, die auch für größere Distanzen auf der Autobahn alltagstauglich sein sollen.

2. Haben wir die zukünftigen Probleme der steigenden Volatilität der Stromproduktion und die Einbindung in den Verkehrssektor mit speicherbaren Energieträgern nicht ausführlich genug dargestellt?
Unsere kurzen Bemerkungen über die wichtige Rolle des „Grünen Methans“ und des Wasserstoffs plus Brennstoffzellen für die Speicherung überschießender Stromspitzen waren vielleicht zu knapp gehalten, um verstanden zu werden. Vermutlich haben wir deshalb zu unseren Überlegungen fast keine Kommentare erhalten.

Ein Kritiker behauptet, mit Hilfe von Autobatterien ließen sich Netzschwankungen wirksam dämpfen. Dem möchten wir ausdrücklich widersprechen. Die Batterien der E-Autos taugen nicht zur Pufferung der saisonalen Schwankungen im Wind- und Sonnenstrom über viele Monate hinweg. Die Pufferung innerhalb eines Tages oder einer Woche ist überhaupt nicht relevant. E-Autos sind im Kern einfach nur neue Verbraucher. (Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf folgende Referenzen in unserem Bericht: Leopoldina, Acatech, Union der dt. Akademien der Wissenschaften, „Sektorkopplung – Optionen für die nächste Phase der Energiewende. Stellungnahme“, 2017, und Sinn, „Buffering Volatilty. A Study on the Limits of Germany's Energy Revolution“, European Economic Review 2017)

3. Welche Variante des Tesla wurde verglichen?
Als wir die Studie zu Beginn dieses Jahres erstellten, befanden sich auf der Homepage von Tesla Deutschland zusammen mit den Verbrauchsangaben nach NEFZ nur zwei Varianten des Model 3, eines mit 50 kWh, eines mit 75 kWh. Wir haben die zweite Variante genommen, weil wir auf die Reichweite geachtet haben und möglichst weit an den Mercedes C 220 d herankommen wollten, dessen Reichweite viel höher liegt. Beim Model 3 handelt es sich nicht um einen teuren Sportwagen, sondern um das Massenmodell des Konzerns mit vergleichsweise großer Reichweite und ähnlichen Abmessungen wie die C-Klassen-Limousine.

4. Warum benutzt die Studie keine WLTP-Werte?
Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Studie waren die WLTP-Werte für den Tesla noch nicht veröffentlicht. Es gab nur NEFZ-Werte. Nur für den Mercedes 220 d lagen sowohl NEFZ-Werte als auch WLTP-Werte vor. Das haben wir ja auch explizit vermerkt. Wegen dieser Datenbeschränkung haben wir den Vergleich auf der Basis der NEFZ-Werte für den Stromverbrauch bzw. des NEFZ-CO2-Ausstoßes des Mercedes durchgeführt. Dass die NEFZ-Werte keine realen Durchschnittswerte sind, ist klar. Die Verzerrung gilt aber gleichermaßen für beide Autos. Bei realistischeren Annahmen über die Fahrweise mit einem größeren Autobahnanteil bei hohen Geschwindigkeiten und hohem Luftwiderstand kann der Diesel seine Stärken eher noch besser zur Geltung bringen.

5. Haben wir zu hohe Werte für den CO2-Ausstoß bei der Batteriefertigung unterstellt?
Einige Kritiker bemängeln, dass wir uns auf die ausführliche schwedische Übersichtsstudie von Romare, M. und L. Dahllöf (2017) beziehen und zitieren eine Kritik des Handelsblatts. Das dem Handelsblatt zugeordneten Online-Magazin Edison berichtete am 11. Januar 2019, dass dieser Studie durch einen Journalisten ein Wert von 170 kg CO2/kWh (Untergrenze eines Intervalls) zugeschrieben wurde. Die Kritiker insinuieren, dadurch seien die erhöhten Zahlen in Umlauf gekommen, die wir verwendet hätten. Richtig sei ein Wert von 140 kg CO2/kWh, meint das Magazin und verweist dabei auf einen eigenen Bericht.

Wir haben unsere Informationen indes nicht den Zeitungen, sondern der Studie selbst entnommen und im Best Case mit 145 kg CO2/kWh gerechnet. Das ist nicht nur mit den Werten vergleichbar, die das Handelsblatt-Magazin für richtig hält, sondern auch mit der Metastudie der AGORA-Verkehrswende, die feststellt, dass der Ausstoß an CO2-Äquivalenten pro kWh Batteriekapazität in der Mehrzahl der Studien zwischen 100 und 200 kg CO2-Äquivalenten liegt.

Es sei noch der Hinweis erlaubt, dass bei der schwedischen Studie nicht, wie manche Kritiker vermuteten, die ausschließliche Verwendung von Kohlestrom bei der Batterieproduktion unterstellt wurde. Vielmehr haben die Autoren einen erheblichen Anteil CO2-freier Energie angenommen.

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