Katastrophenschutz Die Roboter-Feuerwehr rückt aus

Wo Gase oder Gift die Retter gefährden, sollen künftig zunehmend Roboter Gefahren bekämpfen und - wie bei dieser Übung in Dortmund - beispielsweise Lecks in Chemiebehältern abdichten. Quelle: PR

Waldbrände, vermintes Gelände, Chemieunfälle – künftig sollen Rettungsroboter Feuerwehrleute bei besonders brisanten Aufgaben unterstützen. In Dortmund erforscht die Feuerwehr nun mit Deutschlands erstem Robotik-Leitwagen das Zusammenspiel von Mensch und Maschine.

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Ein wenig erinnert die Situation auf dem Gelände des Ausbildungszentrums der Dortmunder Berufsfeuerwehr an den Hollywoodstreifen „Nummer 5 lebt“: Leise rattert „D2“, ein gerade mal kniehoher Roboter, auf seinen vier Gummiketten aus dem Heck eines weißen Mercedes-Kleintransporters, auf dessen Front in Rot „Feuerwehr“ prangt. Vor dem Trainingsbau orientiert sich D2 kurz, die Kamera auf der Oberseite des kleinen, rotlackierten Gefährts erfasst die Umgebung, dann bewegt sich die Maschine auf Thomas Straßmann zu. 

Surrend hebt sich der Metallarm des Roboters und reckt sich seinem Gegenüber entgegen, als wollte das kleine Kettengefährt dem Vorstandsmitglied des Deutschen Rettungsrobotikzentrums die Hand reichen. Dann öffnet D2 seinen Greifer und übergibt Straßmann vorsichtig den Schlüssel des weißen Kleinlasters, der künftig mit dem Funkrufnamen „Florian Dortmund 0-RobLW-1“ zu Einsätzen ausrücken soll. 

Die Szene ist außergewöhnlich im deutschen Rettungswesen, denn der Kleinlaster hat eine Aufgabe, die es bundesweit kein zweites Mal gibt: „RobLW“, das steht für „Robotik-Leitwagen“. Künftig dient das rund 200.000 Euro teure Fahrzeug sowohl als mobiler Leitstand als auch als rollendes Labor für die Zukunft der Feuerwehr. Eine Zukunft, in der menschliche Einsatzkräfte von Feuerwehren und Katastrophenschutz bei kritischen Einsatzszenarien zunehmend von (teil-) autonomen Maschinen unterstützt werden. 

Deutschlands erster

Wie diese Zusammenarbeit im Einzelnen aussehen kann, das erforschen derzeit Wissenschaftler am Deutschen Rettungsrobotik Zentrum (DRZ), das gerade auf einem ehemaligen Industriegelände im Nordwesten Dortmunds im Stadtteil Bodelschwingh entsteht. In einer weitläufigen Produktionshalle und auf Flächen im Freien richten die Wissenschaftler verschiedene Trainingsparcours ein, auf denen Rettungsroboter und Erkundungsdrohnen unter anderem durch simulierte Trümmerfelder, Wälder oder Gebäudekulissen navigieren können.

Das 2018 gestartete und vom Bundesforschungsministerium geförderte Projekt vereint insgesamt 13 Verbundpartner aus Wissenschaft und Wirtschaft – unter anderem Hochschulen, Fraunhofer-Institute sowie Löschtechnikhersteller. Ziel ist, zu erforschen, wie sich Roboter nutzen lassen können, um Gefahren in menschenfeindlichen Umgebungen zu bekämpfen, insbesondere in vier Szenarien Feuer, Einsturz und Verschüttung, die Erkennung von Gefahrstoffen sowie Hochwasser.

Löschen am Limit

Tatsächlich setzen erste Feuerwehren in Deutschland bereits auf technische Unterstützung durch Löschroboter und Erkundungsdrohnen. Ein Grund ist die steigende Zahl von Waldbränden, die in den vergangenen drei Hitzesommern immer größere Flächen verwüstet haben. Dabei stoßen die Helfer allerdings immer öfter auf brisante Situationen, bei denen sie mit dem klassischen Repertoire kaum weiterkommen: Wald- und Heideflächen auf einstigen Militärgeländen, oft bis heute mit Sprengstoffresten durchsetzt. 

Wo für menschliche Retter kein Durchkommen mehr ist, rollen nun zunehmend Löschmaschinen in den Wald. Denn der Einsatz von Löschflugzeugen, wie sie derzeit unter anderem bei den großen Waldbränden in Kalifornien, aber auch bei Flächenbränden in Südeuropa tätig werden, ist in der Bundesrepublik kaum praktikabel.

Noch handelt es sich bei den genutzten Löschrobotern vor allem um geliehene Geräte von Werksfeuerwehren großer Industriebetriebe. „Daher sind Spezialfahrzeuge wie unseren RobLW bisher weder in der Forschung noch bei den Feuerwehren üblich“, sagt DRZ-Geschäftsführer Robert Grafe. „Er bietet sowohl die Transportkapazität für Roboter und Bedienpersonal, als auch zwei Arbeitsplätze, um die Technik im Test- oder Einsatzfall zu bedienen – egal, ob es sich um Roboter am Boden oder um Drohnen handelt.“

Ferngesteuert zum Ziel

Einen solchen Einsatz demonstrieren die Dortmunder Retter nach der formellen Schlüsselübergabe: Vor dem sogenannten Brandhaus haben sie zwei alte PKW zu einem Unfallszenario zusammengeschoben. In einem davon, einem Kombi, droht eine unbekannte Chemikalie aus einem beschädigten Gefäß auszulaufen, also kommt „D2“ zum Einsatz. Vom Kommandostand im Heck des Leitwagens aus navigiert ein DRZ-Spezialist den elektronischen Kollegen ans Unfallauto, durchsucht das Wrack mithilfe der Kamera am Roboter und hebt das leckgeschlagene Gebinde schließlich aus dem Wagen in ein bereitgestelltes Fass. In dem kann die Feuerwehr die Chemikalie sicher abtransportieren.

Noch ist der neue Leitwagen vor allem ein rollendes Labor, doch schon bald soll er auch in Realeinsätzen genutzt werden. Daher wird er fest auf einer der Dortmunder Innenstadtwachen stationiert und kann bei Bedarf vom Einsatzleiter angefordert werden. „So sammeln wir wertvolle Erfahrungen, die wir an die Forscher und Entwickler unter anderem an den Hochschulen weitergeben können“, sagt Dirk Aschenbrenner. Er ist Chef der Dortmunder Feuerwehr und zugleich Projektkoordinator beim DRZ. 

„Noch beschreiten wir damit Neuland“, so Experte Aschenbrenner, „aber in ein paar Jahren werden spezialisierte Robotikeinheiten bei Feuerwehren so üblich sein, wie heute schon die Spezialisten für Chemieeinsätze oder schwere Bauunfälle.“

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