Kohlenstofffaser Sparwunder aus Karbon

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Mit konkreten Angaben zu Produktionszahlen und Verkaufspreisen halten sich die Entwickler zurück. Mit gutem Grund: Wie anspruchsvoll der Werkstoff ist, erfährt derzeit Boeing. Schon sieben Mal musste der Flugzeugbauer die Auslieferung seines Dreamliners verschieben. Der neue Langstreckenflieger soll zu mehr als der Hälfte aus CFK bestehen. Doch die Ingenieure haben die Komplexität des Werkstoffs unterschätzt. Schon kleinste Ungenauigkeiten oder Lufteinschlüsse machen ein Teil wertlos. Die Ausschussquoten sind hoch – die Rede ist von 30 Prozent und mehr. Und im Gegensatz zu Aluminium oder Stahl lassen sich Teile aus Kohlenfasern nicht nachbearbeiten.

Handelt es sich bei Flugzeugen um Einzelanfertigungen, muss CFK im Auto beweisen, dass es sich für die Serie eignet. „Die Autoindustrie kann dabei wenig von den Luftfahrtunternehmen lernen, denn die verhält sich konservativ und verändert zugelassene Werkstoffe und Prozesse eher selten“, sagt Peter Martin, CFK-Fachmann und Geschäftsführer von KTM Technologies. Das Unternehmen baut den futuristisch gestylten Kunststoff-Sportwagen namens X-Bow. Martin, der früher für den heutigen McLaren- und VW-Lieferanten Carbotech in Salzburg arbeitete, ist sich sicher: „Die Entwicklungs-Rallye beginnt erst.“

Die Nase vorn hat dabei das Institut für Kunststoffverarbeitung IKV. Vergangene Woche präsentierten seine Forscher auf einem Fachkongress an der RWTH Aachen den Prototypen einer Anlage, mit der die Fertigung von komplexen Kohlenfaserteilen in nur noch 280 Sekunden möglich sein soll. Das sind mehrere Minuten weniger, als BMW für seine Fertigung braucht. Institutsleiter Fischer ist sicher, das Verfahren bei großtechnischer Anwendung nochmals um 100 Sekunden verkürzen zu können.

Per Ultraschall auf Risssuche

Und es besteht weiterer Forschungsbedarf. Denn anders als Stahl oder Aluminium kann ein Bauteil aus CFK bisher nach einem Unfall nicht repariert, geschweißt oder ausgebeult werden. Es zerbricht bei Überlastung in kleine messerscharfe Splitter. Aber auch wenn es nicht gleich bricht, kann die Struktur bei einem kleinen Rempler schwere Schäden davontragen, die mit bloßem Auge nicht zu erkennen sind. Dann müsste das Auto in der Spezialwerkstatt mit einem Ultraschallgerät, wie es Ärzte heute zur Untersuchung etwa bei Schwangeren benutzen, auf verborgene Risse untersucht werden.

Immerhin ist inzwischen geklärt, wo die defekten Teile entsorgt werden können. Anfang Februar wurde in Wischhafen bei Hamburg die weltweit erste gewerbliche Anlage zum Recycling von CFK-Verbundstoffen in Betrieb genommen. In der fünf Millionen Euro teuren Anlage, die der Hamburger Entsorger Karl Meyer gebaut hat, werden unter großer Hitze die Kohlenfasern vom Harz getrennt. Flugzeughersteller und Autobauer, die früher ihre Produktionsreste einfach auf die Mülldeponie warfen, müssen dank verschärfter Abfallbestimmungen der EU die Teile in einer Müllverbrennungsanlage teuer entsorgen – oder in Hamburg verwerten.

Die Wiederverwertung ist ein weiterer Meilenstein zur Verbilligung des Wundergarns und der Serienfertigung.

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