Krisenfirma BYD Chinas Elektroauto-Traum ist geplatzt

Der staatlich verordnete Elektroautoboom in China lässt auf sich warten. Für Daimler könnte ein Joint-Venture mit BYD zur Blamage werden - Experten prognostizieren dem Autobauer das Aus.

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Daimler-Partner BYD in der Krise - Welcher Familienvater aus der neuen chinesischen Mittelschicht will über 30.000 Euro in ein Auto investieren, das gerade einmal 160 Kilometer fährt, für das es kaum Ladestationen gibt und welches bei einem Unfall eine ganze Familie verbrennen kann? Quelle: REUTERS

Am frühen Morgen des 26. Mai kommt es auf einer Autobahn bei Shenzhen im Süden Chinas zu einem verhängnisvollen Unfall. Der betrunkene Fahrer eines Nissan rast mit 180 Stundenkilometern in ein Elektro-Auto, welches an einen Baum geschleudert wird. Es geht sofort in Flammen auf. Während der Nissan und ein drittes beteiligtes Auto den Unfall einigermaßen unbeschadet überstehen, sind die beiden Insassen des BYD e6 sofort tot. Der vermeintliche Grund für das Inferno: Die Lithium-Ionen-Batterie des Elektroautos hat Feuer gefangen, der Wagen ist förmlich explodiert. Die Opfer haben nicht den Hauch einer Chance.

Sargnagel für das Elektroauto-Geschäft in China

Der Unfall von Shenzhen könnte der Sargnagel für das Elektroauto-Geschäft in China sein. Er könnte das Ende der Firma BYD bedeuten und für den Joint-Venture-Partner Daimler ein Desaster werden. Dabei hatte alles sehr vielversprechend begonnen.

Ursprünglich hatte das Unternehmen aus Shenzhen Handy-Batterien produziert. BYD steht für "Build Your Dreams" und vor ein paar Jahren sah der Markt für Elektroautos in China tatsächlich aus wie großer Traum. Zirka 60 Autos kommen in China momentan auf 1.000 Einwohner. In den USA sind es 840. Chinesen werden reicher, die Mittelschicht - klassisches Klientel für Kleinwagen - wächst, die Mobilität nimmt zu, ein gewaltiger Markt entsteht. Elektroautos sind, zumindest auf den ersten Blick, umweltfreundlich; für die chinesische Regierung noch wichtiger aber ist der Umstand, dass ein Elektroauto das Riesenland mit seinem Energiehunger unabhängiger von Öl-Importen machen würde.

Die Erfolgsgeschichte bröckelt

Es ist ein ehrgeiziger Plan, doch in China ist schließlich vieles möglich geworden, was man im Westen für nicht möglich hielt. Vor drei Jahren verkündet die chinesische Regierung, 2015 werden eine halbe Million E-Fahrzeuge auf Chinas Straßen fahren. 2020 sollen es dann bereits fünf Millionen sein. 400.000 Ladestationen sollen im ganzen Land den Strom dafür liefern. Für BYD beginnt eine Erfolgsgeschichte: Im ersten Halbjahr 2009 zum Beispiel wächst der Absatz um 167 Prozent. Auch westliche Investoren werden jetzt auf die Südchinesen aufmerksam. 2008 steigt die Investorenlegende Warren Buffet mit 9,9 Prozent bei BYD ein. 2010 gründen Daimler und BYD das Joint-Venture Denza. Das erste Modell wird auf der Pekinger Automesse im April dieses Jahres vorgestellt. Das Luxusmodell soll dieselbe Batterietechnologie wie der e6 verwenden. Es scheint, als könnte das E-Mobil nichts aufhalten. Zusätzlich subventioniert die Regierung Neuwagen üppig.

Doch der staatlich verordnete E-Mobilitätsboom bröckelt erstmals 2010. Ein Jahr später meldet BYD einen Gewinneinbruch von 90 Prozent. 

Der Elektro-Markt stagniert

Die großen Probleme der neuen Stromer
Hoher Preis: Für einen Opel Ampera muss der Kunde mindestens 42.900 Euro an Opel überweisen, der Volt von GM ist 950 Euro günstiger. Ein auf konventionelle Spritspar-Technik setzender VW Golf BlueMotion kostet etwa die Hälfte: 21.850 Euro. Bei einem Preis von ungefähr 1,40 Euro pro Liter Diesel belaufen sich die Energiekosten des Golf Blue Motion auf 7,7 Cent pro Kilometer. Die Energiekosten des Ampera sind bei vergleichbaren Fahrleistungen nur 2,7 Cent pro Kilometer geringer, aber in der Anschaffung kostet er 21.050 Euro mehr. Michael Bargende, Leiter des FKFS Forschungsinstituts für Kraftfahrwesen und Fahrzeugmotoren in Stuttgart bestätigt: „Der Aufpreis für ein Elektroauto liegt bei mindestens 50 Prozent.“ Selbst nach Schätzungen der Industrie werden E-Autos künftig mindestens 4.000 bis 9.000 Euro teurer sein als herkömmliche Wagen. Quelle: obs
Fehlende Infrastruktur: Sie wohnen in einer niederrheinischen Kleinstadt zur Miete und ihr Auto steht auf einem angemieteten Tiefgaragenstellplatz? Dann werden Sie auf Jahre hinaus kein Kandidat für ein Elektrofahrzeug sein, denn zum Aufladen haben Sie weder eine Steckdose in der Garage, noch mögen Sie nachts zum Aufladen ein Verlängerungskabel aus Ihrer Wohnung im zweiten Stock zum Bürgersteig herunterlassen. Solange unklar ist, wer in welchem Umfang ausreichende, gut zugängliche und leicht zu bedienende Strom-Zapfsäulen selbst in der deutschen Provinz aufstellt, wird das Elektroauto eine Randerscheinung bleiben. Siehe: Entwicklung mit Erdgas- oder Autogas betriebener Fahrzeuge! Wer sein Elektroauto an einer öffentlichen Steckdose aufladen will, muss lange suchen. Gerade einmal 10000 öffentliche Ladestationen wurden 2010 in Europa gezählt. Quelle: dpa
Brandgefahr bei Ladekabeln: TÜV-Experten gehen davon aus, dass noch elf Millionen deutsche Haushalte ein Stromnetz aus den 60er-Jahren haben. Mit einer maximalen Absicherung von zwölf Ampere. Ein übliches Serienelektroauto wie der Opel Ampera zieht aber für eine Ladung mehrere Stunden lang rund 16 Ampere Strom wie etwa der Opel Ampera. Einfach die Verlängerungsschnur auszurollen und an der Steckdose aufzuladen, kann also gefährlich werden, da sich Leitungen und Dosen schnell erwärmen können. In einem Test von Eon und TÜV zeigte eine Wärmebildkamera, dass eine Steckdose nach 15 Minuten Ladevorgang 81 Grad Celsius erreichte. Ruth Werhahn, Chefin der E-Mobilität bei Eon: "Wir haben die Versuche abgebrochen." Quelle: dapd
Niedrige Reichweite: Mehr als kurze Fahrten im Stadtverkehr sind mit dem batteriebetriebenen Elektroauto derzeit nicht machbar. Zwischen 100 und 150 Kilometer Reichweite erzielen die Fahrzeuge heutzutage unter besten Bedingungen pro Batterieladung. Allerdings ist der Akku bei Kälte, Hitze, voller Beladung oder hohem Tempo immer schon deutlich früher am Ende. Auf dem Kälteprüfstand des TÜV Süd büßte der Akku eines Elektro-Smart 47 Prozent an Reichweite ein, als die Temperatur von 23 auf Grad sank. Vor allem für die Bewältigung größere Distanzen sind die E-Autos also noch keine Alternative. "Ein Problem sind die Kosten der Batterie und deren Leistungsfähigkeit bei unterschiedlichen Witterungsverhältnissen", sagt auch Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte der Universität Duisburg-Essen. Als Reichweitenverlängerer (Range Extender) kommen aber bereits jetzt zusätzlich kleine konventionell betriebene Motoren zum Einsatz, die während der Fahrt die Batterie wieder aufladen. Quelle: dpa
Späte Amortisierung: Willi Diez vom Institut für Automobilwirtschaft der Hochschule Nürtigen-Geislingen hält Elektroautos aktuell für finanziell nicht wettbewerbsfähig: "Wir rechnen damit, dass in den kommenden Jahren der Strompreis mindestens genauso stark steigen wird wie die Kraftstoffpreise. Damit ist davon auszugehen, dass das Elektroauto von der Kostenseite betrachtet nicht wettbewerbsfähig sein wird." Nach einer Berechnung seines Instituts lohnt sich der Umstieg von einem aktuellen Benziner auf ein Elektroauto, das auf dem heutigen Stand der Technik ist, erst ab einer Fahrleistung von 178.500, bei Dieselmotoren sogar erst bei über 270.000 Kilometern. Quelle: ap
Wettstreit der Systeme: Es ist ein bisschen wie damals, als beim guten alten Videoband VHS, Betamax und Grundigs Video 2000 um die Marktbeherrschung kämpften: Es konnte nur das Format siegen, für das es die meisten Pornos in der Videothek zum Ausleihen gab. Bei den Autos ist die Sache schon jetzt noch viel komplexer: Batterieaustausch per Better Place? Öffentliche oder private Aufladestation? Auto kaufen und Batterie leasen (wie beim Renault Twizy)? So lange diese und andere Fragen ungeklärt sind und deutsche Institutionen wie Stiftung Warentest bzw. der ADAC keine klaren Empfehlungen aussprechen, wird der Kunde sich weiter zurückhalten. Quelle: dapd
Bremsklotz Dienstwagenbesteuerung: Weil Elektrofahrzeuge in den kommenden Jahren gegenüber vergleichbaren konventionellen Fahrzeugen einen höheren Bruttolistenpreis aufweisen, führt die Anwendung der Ein-Prozent-Regel dazu, dass Nutzer elektrischer Dienstwagen einen deutlich höheren geldwerten Vorteil zu versteuern haben – obwohl der Nutzwert wegen der begrenzten Reichweite deutlich eingeschränkt ist.„Dies verhindert die vollständige Erschließung des Marktpotenzials bei gewerblichen Kunden, da sich eine Vielzahl von potenziellen Dienstwagennutzern bei bestehendem finanziellem Nachteil gegen elektrische Fahrzeuge entscheiden wird“, heißt es dazu in dem Zweiten Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität. Quelle: Pressefoto

Während alle anderen Autokonzerne Umsatzrekorde und steigende Absatzzahlen melden (gerade hat VW verkündet, seine Produktion in China innerhalb der nächsten Jahre auf vier Millionen zu verdoppeln), stagniert der Markt für Elektro-Autos. Anstatt einer halben Million wurden 2011 nur 8.000 E-Mobile verkauft. Seit Sommer vergangenen Jahres hat BYD gerade einmal 500 e6-Wagen absetzen können. Der Traum vom E-Mobilboom ist fürs Erste geplatzt. Paul Lin, Sprecher des BYD-Konzerns ist aber nach wie vor optimistisch: "Natürlich sind wir von dem Ziel 500.000 Elektro-Autos auf Chinas Straßen noch weit entfernt, doch der Markt ist riesig. Insofern ist das Ziel nicht unrealistisch." Früher oder später werde man die Marke erreichen.

Realitätsferner Plan

Experten sind weniger euphorisch: "Die Regierung hatte einen ehrgeizigen Plan, als sie verkündete, 2015 sollte eine halbe Million E-Fahrzeuge auf Chinas Straßen fahren. Der hatte leider nichts mit der Realität zu tun", sagt Jochen Siebert von JSC, einer Automobil-Beratungsfirma in Schanghai. "Nachfrage lässt sich eben nicht staatlich verordnen, sie muss vom Kunden kommen." Noch immer hinke die Technik den ehrgeizigen Plänen der Politiker hinterher. Das grundsätzliche Problem mit Elektroautos schlägt auch im riesigen China zu: Die Batterien sind nicht dafür geeignet, eine lange Fahrzeit zu gewährleisten. Die meisten Modelle schaffen nicht mehr als 160 Kilometer. Dazu kommt: "Es gibt zu wenige Ladestationen", kritisiert Siebert.

Umweltfreundlichkeit ist sekundär

Tatsächlich existieren in China gerade einmal 16.000 solcher elektrischer Tankstellen. Wie daraus bis 2015 die angekündigten 400.000 werden sollen, ist selbst im gigantomanischen China ein Rätsel. Bei BYD ist man sich des Problems bewusst, vertraut aber auch hier nicht auf Maßnahmen der Regierung denn auf Marktkräfte: "Wir würden mehr Unterstützung von der Regierung begrüßen", sagt Konzernsprecher Lin.

Auch der ökologische Aspekt der Autos gleicht eher einer Farce denn Zeichen einer grünen Wende. "70 bis 80 Prozent des Stroms wird schließlich von extrem umweltschädlichen Kohlekraftwerden produziert, sagt Siebert. Doch Umweltfreundlichkeit sei ohnehin kein Argument für die Planer in der Partei gewesen, der sei es von Anfang nur um Energieunabhängigkeit gegangen.

BYD streitet Schuld ab

Elektroautos, die zu haben sind
VW e-Up! Quelle: Volkswagen
Porsche Panamera S E Hybrid Quelle: Porsche
Renault FluenceMarke: Renault Modell: Fluence Preis: ca. 25.950 Euro plus Batteriemiete von 79 €/Monat Reichweite (in km): 185 km Leistung (kw/PS): 70kW/95 PS Quelle: Presse
Mercedes SLS ed Quelle: Daimler
Renault TwizyMit futuristischem Design und ohne echte Türen kommt der Twizy daher. Der Zweisitzer ist besonders klein und wendig und für den Stadtverkehr konzipiert. Er kann an jeder Haushaltssteckdose aufgeladen werden. Marke: Renault Modell: Twizy Urban Grundpreis (inkl. MwSt): ab 6990 Euro, zusätzlich fallen mindestens 50 Euro Batteriemiete pro Monat an Reichweite (in km): 100 Höchstgeschwindigkeit (km/h): 80 Stromverbrauch (kWh/100km): 6,3 Quelle: dapd
Smart ed Quelle: Daimler
Kangoo RapidDer Elektro-Kangoo soll den städtischen Lieferverkehr sauberer und leiser machen. Er bietet mit bis zu 3,5 Kubikmetern Laderaum soviel Platz wie sein konventioneller Dieselbruder. Das ist möglich, weil die Batterien im doppelten Ladeboden verschwinden. Mit 60 PS ist der Elektro-Kangoo ausreichend schnell.  Marke: Renault Modell: Kangoo Rapid Z.E. Grundpreis (inkl. MwSt): 15.100 (+ 86 Euro monatlich fürs Batterie-Leasing) Reichweite (in km): 160 Höchstgeschwindigkeit (km/h): 130 Stromverbrauch (kWh/100km): nicht bekannt Quelle: Presse

All dies muss noch lange nicht das Ende des Elektro-Autos bedeuten: Tankstellen können gebaut, die Leistungen von Batterien verbessert und die Energie grüner werden. Fatal jedoch wird es, wenn Verbraucher nicht mehr in die Sicherheit eines Autos vertrauen können. Experten warnten bereits seit längerem vor den Gefahren der Lithium-Ionen-Batterien. Der Unfall vom Mai in Shenzhen kostete zwei Menschen das Leben. Doch Konzernsprecher Lin bestreitet, dass dies etwas mit der Batterie des Elektroautos zu tun hat: "Die Aufprallgeschwindigkeit hätte bei jedem Fahrzeug zu großer Gefahr für Passagiere und Fahrer geführt." Ein Untersuchungsbericht soll Ende diesen oder Anfang nächsten Monats veröffentlicht werden und die Explosionsursache klären. "Was wir jetzt schon wissen: Der Unfall war nicht normal", sagt Lin. "Unser Wagen wurde von einem anderen mit einer Geschwindigkeit von 200 km/h gerammt und so in den Baum gedrückt." Die Anschuldigungen, wonach nur das BYD-Auto ausbrannte, "zeugen von Unkenntnis der Details" und seien "unprofessionell".

BYD vor dem Aus?

Doch selbst, wenn der Bericht zu einem für BYD entlastenden Ergebnis kommt, dürfte der Image-Schaden gewaltig sein: Welcher Familienvater aus der neuen chinesischen Mittelschicht will über 30.000 Euro in ein Auto investieren, das gerade einmal 160 Kilometer fährt, für das es kaum Ladestationen gibt und welches bei einem Unfall eine ganze Familie verbrennen kann?

Jochen Siebert von JSC ist deswegen pessimistisch: "Der Einstieg von Daimler bei BYD war für uns von Anfang an schwer nachvollziehbar. Wir halten es für nicht unwahrscheinlich, dass BYD bald nicht mehr existiert. Es war ein Fehlprojekt in jeder Hinsicht." Hoffnung gibt es trotzdem noch: Immerhin haben Chinesen mit E-Mobilität an sich keine Berührungsängste.

Besucher in Peking oder Schanghai sind oft überrascht, wie viele Elektro-Motorräder auf Chinas Straßen fahren: Es sind über 140 Millionen. "Sobald die regulatorischen und technischen Voraussetzungen geschaffen sind, wird sich dieser Markt sehr schnell entwickeln", sagt auch Kilian Frühauf, Autor einer Studie der Unternehmensberatung Progenium "– darauf sollten die Hersteller unbedingt vorbereitet sein.“

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