Welche Auswirkungen hat das auf unsere Mobilität, wenn immer weniger Menschen einen 9-to-5-Bürojob haben?
Aus meiner Sicht werden genau diese Projektarbeiter den Unterschied zwischen der Situation in 2015 und 2025 machen. Diese Menschen werden sich nicht an feste Besitztümer wie ein Haus oder ein Auto ketten. Sie werden beides sehr wohl benutzen, aber nicht mehr besitzen. Wir nennen das das „adaptive Modell“, in dem sich die Nutzung eines Gegenstands an den Menschen und dessen Situation anpasst.
Bedeutet das adaptive Modell, dass das Carsharing einen Boom erleben wird?
Diese Menschen sorgen dafür, dass die Chancen der Vernetzung, die uns bereits heute gepriesen werden, überhaupt möglich werden. In einer Welt, in der jeder sein eigenes Auto kauft und besitzt, ist diese Vernetzung hochkompliziert.
Wenn aber 30 bis 40 Prozent der Menschen kein Auto besitzen, aber dauernd ein von zentraler Stelle organisiertes Auto nutzen, lassen sich diese Flottenfahrzeuge deutlich besser vernetzen und Vorteile daraus ziehen. Für mich als Trendforscher ist diese zentrale Stelle – das muss nicht der Staat sein, das können auch ein oder mehrere Unternehmen sein –, welche die Vernetzung fördert und so die Mobilität verändert, der wichtigste Innovationstreiber.
Hat dieser Wandel die Macht, die Autobauer als Unternehmen zu verändern – quasi vom Industriekonzern zum Mobilitätsdienstleister?
Die Macht, sich zu verändern, haben letztlich nur die Unternehmen selbst. Ich gehe aber ganz stark davon aus, dass sie es machen müssen. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass sich eine der heutigen großen Marken nicht verändern will und künftig zu einem Übernahmekandidaten werden kann.
Die grundlegende Logik ist – und daran führt kein Weg vorbei –, dass sich zwischen die Hardware-Hersteller und die Endkunden eine Software-Schicht legt. Beispiele sind etwa Uber und AirBnB, die die Nutzung der Hardware durch den Endkunden vermitteln – und das auf eine sehr bequeme Art und Weise. Wer diese Software besitzt, definiert die Regeln, wie die Hardware genutzt wird – in unserem Fall eben das Auto. Ob dahinter ein Amateurfahrer oder ein Taxi-Profi sitzt, der Kunde eine Limousine oder ein SUV will, ist dabei vollkommen egal.
Eine mögliche Liste mit Daten aus dem Auto
Identifikationsdaten des Fahrzeugs und der Hardware – etwa Codierung in Prozessoren oder Chips, Softwarelizenzen, Computerzugänge für Updates oder Wartung.
Kommunikations- und Logdaten wie IP-Nummer oder Mobilfunknummer.
Das ist nicht nur das Einloggen in den Bordcomputer des Autos. Das Fahrzeug loggt sich in das Mobilfunknetz ein und greift auf die unterschiedlichsten Cloud- oder Rechenzentrumsanwendungen verschiedener Hersteller zu. Die Identifikation ist beispielsweise über Passwort, Kreditkarte, Augenscan oder Fingerabdruck möglich.
Der Bordcomputer sammelt diese Daten von den Sensoren oder Messgeräten im Fahrzeug. Sie geben den Leasingbanken oder den Werkstätten detailliert Auskunft über Zustand, Wartung und Wert des jeweiligen Fahrzeugs.
Das sind beispielsweise Bewegungsdaten, die über GPS und Kartendienste gesammelt werden. Der Weg eines Fahrzeugs führt über Berge oder durch die Stadt. Die Anwendungen in den Rechenzentren kalkulieren besondere Risiken durch Abnutzung, Diebstahl, Steinschlag ...
Wo ist die Person momentan unterwegs, wie ist der Fahrstil? Ergänzung und Update des Datenbestandes mit den Daten der aktuellen Fahrt.
Das Mobiltelefon ist als Schnittstelle an den Bordcomputer angeschlossen. Es liefert Logdateien an den Mobilfunkanbieter, Verbindungsdaten und Daten für die Datenübertragung und Telefongespräche. Die Datensätze zeigen Dauer und Umfang des Downloads, Gesprächsdauer und Ort des Gespräches.
Die Anwendungen sammeln Daten über den Zustand der Leasingflotte, den Wert jedes einzelnen Fahrzeugs, dessen Abnutzung, und berechnen einen Blick in die Zukunft. Wie sehr wird das Fahrzeug vom derzeitigen Halter beansprucht und wie hoch ist der Wertverfall bis zum Ablauf des Leasingvertrages?
Gleichgültig ob der Fahrer chattet, telefoniert, Bilder postet oder Geschäftskontakte recherchiert, die sozialen Netzwerke halten den Kontakt und schicken Bilder, Werbung und Text direkt ins Auto.
Das Fahrzeug überträgt ständig Positionsdaten und erhält Daten beispielsweise über die anderen Fahrzeuge auf einer Straße zurück.
Die Anbieter von Unternehmenssoftware haben ihre Anwendungen für mobile Geräte erweitert. Autofahrer können über ihre Bordcomputer oder Smartphones auf Dokumente, Datensätze, Mails, Chats und Listen zugreifen und sie in das Fahrzeug übertragen.
Entlang der gefahrenen Strecke erhält der Mobildienstleister die Verbindungsdaten mit dem Mobilfunknetz.
Beim Laden identifizieren sich die Elektrofahrzeuge gegenüber dem ausgewählten Stromlieferanten für die Abrechnung – beispielsweise über die Telefonrechnung oder die Kreditkarte.
Ein kleiner Datensatz, der die Rettungskräfte über einen Unfall sofort informiert (ab 2015 wohl Pflicht in Neuwagen). Der Datensatz ist bei Autoherstellern und Versicherungen sehr begehrt. Derjenige, der den Datensatz als Erster bekommt, bestimmt das Geschäft mit Reparatur, Werkstätten und Unfallwagen.
In einigen Städten und Ländern wurden die angesprochenen Anbieter aber bereits wieder verboten.
Solche Kämpfe gibt es bei jeder technologischen Innovation. In der Konsequenz glauben wir Trendforscher, dass genau diese Logik in zehn Jahren große Teile der Mobilität prägen wird.
Müssen die Unternehmen – egal ob Autobauer oder IT-Unternehmen – also diese Software-Schicht beherrschen?
Ob sich die Googles, Facebooks oder Apples dieser Welt gegen Daimler, BMW und VW durchsetzen, kann ich nicht sagen. Die Chancen haben aber alle. Auch die ÖPNV-Anbieter, die Bahn oder sogar die Lufthansa, die heute nur einzelne Teile der Mobilitätskette abbilden. Die Frage, wer es tun wird, ist aber noch nicht entschieden. Wie ich das sehe, sind die großen Autofirmen dabei aber nicht an vorderster Front, diese Software-Schicht zu entwickeln. Wenn sie nicht damit anfangen, werden von anderen Fakten geschaffen, die nur schwer einholbar sind.