




Wenn Thomas Weiß ein Auto braucht, greift er nicht zum Schlüssel, sondern zum Smartphone. Dabei steht vor der Familienwohnung in Köln-Sülz ein schicker Geländekompaktwagen von BMW, der X3. "Unter der Woche fahre ich den aber nie", sagt Weiß, der als Grafikdesigner arbeitet.
Die fünf Kilometer zum Büro in Ehrenfeld legt er mit dem Rad zurück. Für die meisten anderen Strecken nutzt er flexibles Carsharing, bei dem er per Smartphone-App ein Auto in der Nähe sucht, einsteigt, losfährt und es irgendwo im Stadtgebiet wieder abstellt. Für kurze Strecken nimmt er einen Smart vom Carsharing-Anbieter Car2Go: "Damit finde ich überall einen Parkplatz und bin auch nicht auf Anwohnerparkplätze bei uns beschränkt." Zu Kundenterminen in Düsseldorf fährt er mit einem Mini oder einem BMW 1er des Car2Go-Wettbewerbers DriveNow. "Da kann ich das Auto im Voraus für drei oder sechs Stunden buchen und fahre noch günstiger." Mit dem Zug wäre er für Hin- und Rückfahrt fast zwei Stunden unterwegs. Für eine Besprechung von maximal einer Stunde viel zu lang.
Deutsche lieben ihre Autos

Weiß ist mittlerweile Überzeugungstäter: "Ich finde Carsharing modern und fühle mich damit frei. Statt eines Autos habe ich in Köln nun 350 Smart und fast 200 Mini und BMW zur Verfügung." Will er auf dem Kegelabend ein paar Kölsch trinken, fährt er danach Taxi und muss sich um Auto und Führerschein keine Gedanken machen. Anfangs waren seine Freunde erstaunt, mittlerweile sind die meisten selbst Carsharing-Kunden geworden.
Nur für den Urlaub mit der Frau und der zweijährigen Tochter oder für gelegentliche Shoppingtouren will Weiß das eigene Auto nicht missen.
Solch rationale Überlegungen sollten nicht täuschen: Das Verhältnis der Deutschen zu ihren Autos ist und bleibt eine Liebesbeziehung. Laut Forsa-Umfrage können sich fast drei Viertel der deutschen Autofahrer kein Leben ohne Auto vorstellen. Jede achte Frau hat ihrem Auto einen Namen gegeben (bei den Männern nur jeder zwanzigste). Für die meisten steht das eigene Auto für Unabhängigkeit und Freiheit. Und doch konnten sich 44 Prozent der Befragten vorstellen, das eigene Auto mit anderen Menschen zu teilen.
Die Freude nutzt sich ab
Noch vor einigen Jahren wäre das undenkbar gewesen: Carsharing war etwas für Ökoidealisten. Seit neue Anbieter den Markt vor allem in den Großstädten aufmischen, hat sich das geändert – Carsharing ist hip. Nutzer können, wie Thomas Weiß, ein Auto per Smartphone oder Internet finden. Öffnen können sie das Auto einfach mit einem Chip auf ihrer Kundenkarte oder dem Führerschein. Zum Schluss lassen Nutzer das Auto irgendwo stehen. Aus der Liebes- wird eine Zweckbeziehung, abgerechnet im Minutentakt. Allerdings: Die Freude beginnt sich abzunutzen. Mitunter verdreckte Autos und verqualmte Innenräume verärgern inzwischen manchen den Sharing-Alltag.
Car2Go und DriveNow sind die beiden größten neuen Carsharing-Anbieter. Hinter ihnen stehen die Autokonzerne Daimler (Car2Go) und BMW (DriveNow). "Erst mit diesem flexiblen Carsharing ist es für mich eine Option geworden", sagt Weiß. Vorher hätte er ein Carsharing-Auto im Voraus buchen, an einer festen Station abholen und dort auch wieder abstellen müssen: "Das war mir zu umständlich."
Viele Autofahrer denken ähnlich – und haben nun erstmals die Wahl: Wollen sie ihr eigenes Auto fahren? Oder nutzen sie Carsharing, Mietwagen und Taxi? Sie stellen Kosten und Nutzen ins Verhältnis.