
Die Moderne des 20. Jahrhunderts, die in einen großen Teil der Welt gerade erst begonnen hat, ist untrennbar verbunden mit dem Zugewinn an individueller Mobilität. Der subjektive Freiheitsgewinn durch Erweiterung der Bewegungsfreiheit ist dabei undenkbar ohne das Automobil. Der auch mit dem Autoverkehr verbundene Klimawandel, der Verbrauch von Ressourcen und damit verbundene Abhängigkeiten, die Schadstoff- und Lärmbelastung in den Städten, Stress und Zeitverschwendung in ruhendem oder gestautem Verkehr sind immer klarer werdende Auswirkungen des immensen Anstiegs der Anzahl von individuell genutzten Fahrzeugen weltweit.
Diese Probleme können meines Erachtens nur eingedämmt werden, wenn a) ein nie dagewesener Wettbewerb entsteht, ultrasparsame und emissionsarme Fahrzeuge herzustellen und wenn b) durch intelligenten Städtebau eine Reduzierung der notwendigen, wie gewünschten Fahrstrecken erreicht werden kann. Es gilt also Konzepte zu entwickeln, welche die Wohn- und Arbeitsbereiche wieder als integrierte Funktionen der Stadt auffassen und die es erlauben, die täglich zurückzulegenden Fahrstrecken deutlich zu minimieren.
Mobilität vor neuen Herausforderungen
Es ist heute vollkommen offensichtlich, dass sich die Nachteile und Kosten individueller wie auch kollektiver Mobilität in einem rapiden Anstieg der Preise von Energieressourcen und der Höhe von Ausgleichsabgaben niederschlagen werden. Dies wird in sehr absehbarer Zeit dazu führen, dass jede Art von massiver Zersiedelung von ganzen Landstrichen unmöglich aufrechterhalten werden kann. Städte werden sich, wie immer in ihrer Geschichte, als Abbild der Mobilität ihrer Gesellschaften entwickeln.
Die Konsequenz: Je teurer eine Fahrstrecke wird, desto kürzer muss sie werden – oder es müssen Alternativen bereitstehen. Effektive Netze des öffentlichen Nahverkehrs funktionieren nur ab einer kritischen Dichte von Stadt. Mehr Dichte erzeugt Urbanität, Attraktivität von Fußläufigkeit und die für den Einzelhandel notwendige „frontage“, eine Straßenfront, an der sich Ladenflächen aneinanderreihen. Die Folge ist, dass sich verdichtete, an das Netz des öffentlichen Verkehrs angebundene Siedlungen und urbane Stadträume, sowie Inseln von Umsteigeknotenpunkten als die für die gewünschte physische Mobilität einzig tragfähigen Modelle erweisen werden.
Eine der wichtigsten Erkenntnisse des modernen Städtebaus ist dabei, dass integrierte Netze aus individuellem und öffentlichen Nahverkehr zu erheblich effektiveren Stadträumen führen als solche, die eine Trennung oder das Vorherrschen eines Verkehrsmittels vorsehen. Die am besten funktionierenden Stadträume weisen eine Überlagerung von verschiedenen Medien auf. Die Zukunft des Städtebaus liegt bereits heute an Punkten des „Umsteigens“. So haben beispielsweise Flughäfen, Bahnhöfe und andere Knotenpunkte des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs längst schon die umsatzstärksten Ladenflächen. Innerstädtische Lage und Stadtentwicklung im Umfeld solcher Knotenpunkte des Verkehrs werden zu einem erheblichen Teil die Urbanisierung prägen.
Fahradverleih und Carsharing
Gleichzeitig wird im Zuge von zunehmender Internet-Kommunikation das Entstehen und Nutzen von „communities“ geübt. Dies erklärt auch die zunehmende Attraktivität und das Vertrauen der Bevölkerung in Angebote von Carsharing und für Fahrradverleih. Ähnliche Gruppen von Verkehrsteilnehmern bilden sich bei allen Verkehrsmitteln. Man denke nur einmal an Mitfahrzentralen. Die Autoindustrie tut gut daran, sich frühzeitig auf diese Veränderungen im Mobilitätsverhalten einzustellen, beispielsweise durch die Entwicklung von Elektrofahrzeugen für die Stadt, aber auch durch den Aufbau oder die Beteiligung an Carsharing-Initiativen. Das Projekt „Car2go“ des Daimler-Konzerns in Ulm – mit 50 Smart-Autos ist hier der Autokonzern kürzlich ins Carsharing-Geschäft eingestiegen – sei hier beispielhaft genannt.
Wir werden in den nächsten Jahren beobachten, dass sich die moderne Gesellschaft nicht mehr auf einem physischen „Marktplatz“ definiert, sondern mehr und mehr nach unterschiedlichsten Gruppenzugehörigkeiten und ihrem Mobilitätsverhalten. An der Frage, ob sich dieses Mobilitätsverhalten so komplex wie erforderlich und kollektiv-solidarisch aufrechterhalten lässt und sich der dafür notwendige Energiebedarf auf ein global tragbares Minimum reduzieren lässt, wird sich viel entscheiden. Und zwar nicht nur die Zukunft unserer Städte, sondern auch die Überlebensfähigkeit unserer gesellschaftlichen Kultur, wie wir sie heute kennen.